Leben in Bayern

Andreas Schützenberger baut nicht nur Rampen – er fährt auch selbst leidenschaftlich Skateboard. (Foto: Hans-Rudolf Schulz)

20.04.2018

Eine Halfpipe mit politischer Botschaft

Andreas Schützenberger ist bekannt als Erbauer von Skateboard-Anlagen. Besonders am Herzen aber liegt ihm ein Hilfsprojekt in Afghanistan

Der Passauer Andreas Schützenberger gilt als einer der besten Skateparkbauer Europas. Über 7500 Rampen in mehr als 30 Ländern baute der Schreiner bereits. Sogar in Kabul ermöglichte er Kindern den Traum vom Gleiten auf Rollen. Der 47-Jährige sagt über dieses Projekt: „Ich habe die Rampen gratis gebaut, aber eigentlich hätte ich für diese wahnsinnige Erfahrung noch Geld bezahlen müssen.“ Das schien selbst ihm zu gewagt: „Spinnt ihr eigentlich?“ Das war Andreas Schützenbergers erste Reaktion, als er gefragt wurde, ob er in Kabul eine Skateanlage bauen will. „Ich dachte damals: Afghanistan braucht Strom und Straßen, aber bestimmt nicht meine Ramps.“ Trotzdem flog der Passauer Profi in Sachen Halfpipes für die Organisation „Skateistan“ in das vom Krieg gezeichnete Land.

„Es war die Challenge, für die Kinder etwas zu verändern, die mich gereizt hat“, sagt der 47-Jährige. Gemeinsam mit Jugendlichen vor Ort zimmerte er den Parcours und als die letzte Schraube versenkt war, konnten die Kids nicht nur mit dem Akkubohrer umgehen, sondern auch einen Satz auf Deutsch: „Achmed, lach ned.“ Das war 2009 und es blieb nicht bei dem einen Trip an den Hindukusch.

Andreas Schützenberger gilt als einer der besten Skateparkbauer Europas. Der Niederbayer hat in den vergangenen 20 Jahren mit seiner Firma „IOU Ramps“, das steht für „Innovative – Original – Unique“, über 7500 Rampen in mehr als 30 Ländern gebaut. Prestige-Projekte gibt es viele: In Moskau hat der gelernte Schreiner den Adrenalin-Skatepark gestaltet und bei den Winterspielen in Sotschi den Hindernisparcours für die Snowboarder im Slopestyle mitgebaut. Sein aktuellstes Großprojekt, die Skatehalle in Oslo, gilt mit seiner hängenden Bowl schon jetzt als Meisterwerk.

Dass auf seiner persönlichen Hit-Liste aber ein Hilfsprojekt ganz vorne liegt, sagt einiges über den Typen aus, der zwei Zirkuselefanten auf einer seiner Rampen posieren ließ, um deren Stabilität zu beweisen. Der Mann mit dem einnehmenden Lachen und den durchgeknallten Ideen hat nicht nur seine Leidenschaft zum Beruf gemacht, sondern auch eine Mission. Er ist sich sicher: Skaten ist die beste Schule fürs Leben. Darum realisiert er am liebsten nicht nur Projekte für Kinder und Jugendliche, sondern mit ihnen. „Es ist mir wichtig, sie beim Entstehungsprozess miteinzubinden, ihre Wünsche zu kennen.“

„Schützi“, wie er in der Szene heißt, sitzt in seinem Büro in Fürstenzell bei Passau. Graues Sweatshirt, Mütze über dem halblangen Haar, Turnschuhe. Hinter ihm lehnt ein Bild von seiner Frau und der kleinen Tochter Ava. Vor ihm lässt eine Plexiglaswand den Blick auf eine von der Decke hängende Halfpipe und die darunterliegende Werkhalle frei. Arbeit und Familie sind die bestimmenden Pole in seinem Leben.
Halbe Sachen? Gibt’s bei ihm nicht. Darum hat er auch ein Mega-Projekt in Katar einfach abgelehnt. Für die Aspire Academy, eines der weltweit größten Trainingszentren für Sportler, war er im Rennen für einen Skatepark. Doch als er in einem Luxusbüro in dem Emirat die Pläne kommentierte, kippte die Stimmung. „Die Rampen waren wahllos zusammengewürfelt und ich hab gesagt, dass dies der größte Mist ist, den ich je gesehen habe“, erzählt Schützenberger.

Pädagogischer Aspekt: Ein Skater braucht Ausdauer, Ehrgeiz und Disziplin

„Das Einzige, was die wollten, war mit der Größe des Projekts zu protzen. Ob der Park auch befahrbar ist und Sinn für die Kids macht, war denen scheißegal.“ Also winkte er ab. „Ich baue keine Anlage, die Schmarrn ist.“ Viel lieber werkelt er mit der Dorfjugend an einer Halfpipe oder Mini-Ramp, statt für viel Geld am Persischen Golf. „Wenn die Kids am Abend mit einem fetten Grinsen auf dem Skateboard stehen, pusht mich das viel mehr“, erzählt der Unternehmer.

Er selbst entdeckte mit 17 Jahren das Boarden. Damals stand der Sport noch für Rebellentum und Subkultur. „Beton-Bowls oder Hindernisparks gab es in Passau nicht. Wir haben uns einfach mit ein paar Holzpaletten was zusammengeschustert“, sagt Schützenberger. Wochenlang übte er Tricks, arbeitete sich an Mauern, Treppen und Geländern ab.

Mit 500 Mark hat der gelernte Schreiner Andreas Schützenberger sein Unternehmen „IOU-Ramps“ gegründet, inzwischen verbucht er mehr als eine Million Umsatz. Mitarbeiter? Heuert er nur für einzelne Projekte an: „Ich bin eine One-Man-Show.“ Dass der Sport 2020 olympische Disziplin wird, stört ihn im Vergleich zu anderen Skatern nicht. „Wenn so Existenzen gesichert werden und ein Skater, der sich 20 Stufen runterhaut, als Sportler wahrgenommen und gerecht bezahlt wird, ist das doch in Ordnung.“

„Ein Skater braucht Ausdauer, Ehrgeiz und Durchhaltevermögen. Denn ein Sprung ist schwer, wenn man fällt, tut es richtig weh“, sagt Schützenberger. Aber genau das seien die Eigenschaften, die ihn im Leben weitergebracht hätten, und die er jetzt selbst gerne weitergeben wolle: zum Beispiel als Botschafter bei „Gorilla“, einer gemeinnützigen Organisation, die mittels Free-stylesport Themen rund um Bewegung, gesunde Ernährung und Nachhaltigkeit vermitteln möchte.

„Wer skatet, erobert den Raum, sucht Hindernisse in seiner Umgebung, ist schlichtweg frei.“ Nichts sei festgeschrieben. „Du kannst alleine oder mit Freunden skaten, auf einer Halfpipe oder mitten in der Stadt. Es ist immer ein kreativer Prozess und du hast unendlich viele Möglichkeiten, wenn du ein bisschen über den Tellerrand hinausschaust.“

40 Prozent Skaterinnen: Über die Parcours in Kabul rollen auch Mädchen

Disziplin, Offenheit und der Spaß an der Bewegung machen den pädagogischen Aspekt des Sports aus und verbinden und prägen die Kids – egal ob in Deutschland oder Kabul. „Überall möchten sie Anerkennung, Respekt, eine klare Linie und Zuneigung. Ich möchte den Kinder etwas mitgeben“, sagt Schützenberger.

Das hat er auch in Afghanistan getan. Noch zweimal reiste Schützenberger an den Hindukusch. Inzwischen rollen Hunderte Kinder verschiedener ethnischer Gruppen und sozialer Schichten jedes Jahr über seine Parcours in den Hallen in Kabul und Masar-i-Scharif – fast 40 Prozent davon sind Mädchen. Während ihnen in vielen Teilen des Landes das Radfahren von radikalen Religiösen verboten ist, sind die Vorbehalte gegenüber dem Skaten geringer.

Neben Tricks auf dem Board vermittelt „Skateistan“ den Kindern aber noch viel mehr: Bildung, Gemeinschaft, Führungsqualitäten. „Ich habe die Rampen gratis gebaut, aber eigentlich hätte ich für diese wahnsinnige Erfahrung noch Geld bezahlen müssen“, sagt Schützenberger.

Dessen Power, Perfektionismus und Persönlichkeit haben Filmemacher und Skater Christoph Eder so fasziniert, dass er eine Dokumentation über den gelernten Schreiner gedreht hat. Für Mr. Wood begleitete Eder ihn zwei Jahre lang. Eder zeigt, wie Andreas Schützenberger andere begeistern, motivieren, aber auch ordentlich runterputzen kann, etwa wenn ein Mitarbeiter schludert. „Darauf bin ich nicht besonders stolz, es gibt Szenen, für die schäme ich mich.“ Aber so sei es eben, wenn man für seine Sache brennt, sagt Schützenberger.

Der Streifen, der 2013 entstand, zeige ihn mit all seinen guten und schlechten Seiten. „Aber es ist natürlich schon schräg, wenn Menschen auf dich zukommen und so viel über dich wissen.“ Etwa, dass sich sein Vater früh das Leben nahm und die Mutter die Kinder alleine großzog. „Das ist sehr emotional, aber es zeigt, wo ich herkomme.“

Seinen Wurzeln ist er treu geblieben. Noch heute wohnt er in Niederbayern. Vor seiner Halle steht eine aus Beton gegossene Bowl, er hat sie der Gemeinde Fürstenzell geschenkt. Abends kommt die Dorfjugend und übt in dem nierenförmigen Becken. Manchmal steigt Schützenberger auch selbst aufs Brett. „Ich fahre zwar jetzt im Rentnermodus, aber Spaß macht es noch immer.“ Der Kontakt zum Skaternachwuchs ist ihm wichtig. „Wenn mich ihre Wünsche und Träume nicht mehr interessieren, ist die Zeit gekommen, aufzuhören.“ Danach sieht es noch lange nicht aus.
(Ruth van Doornik)

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