Leben in Bayern

Wird heute noch besonders stark verehrt: Könih Ludwig II. (Foto: dpa)

05.11.2018

Einflussreich auch ohne Krone

100 Jahre Freistaat: Seit Kaiser Barbarossas Zeiten hatten die Wittelsbacher Bayern regiert. Am 7. November 1918 wurde ihr König als erster in Deutschland gestürzt. Aber wenn dessen Urenkel Franz heute Geburtstag feiert, kommen Könige, Kardinäle und Konzernchefs

Sisi und König Ludwig II., Neuschwanstein und das Oktoberfest - ohne die Wittelsbacher gäbe es das heutige Bayern nicht. Die Novemberrevolution 1918 und die Ausrufung des Freistaats beendete ihre Herrschaft vor 100 Jahren. Aber per Gesetz werden sie weiterhin fürstlich alimentiert.

Das Geld dafür stammt aus einer öffentlichen Stiftung, dem Wittelsbacher Ausgleichsfonds (WAF). Im Jahresabschluss 2017 wies er eine Bilanzsumme von 421 Millionen und einen ausschüttungsfähigen Bilanzgewinn von 14,8 Millionen Euro aus, wie das bayerische Finanzministerium mitteilte.

Die Grünen ärgert das. "Privilegien für frühere Adelige sind nicht mehr zeitgemäß", sagt ihr Landtags-Fraktionschef Ludwig Hartmann. "Ich bin für einen klaren Schnitt bei den Ausgleichszahlungen für die Nachfahren der bayerischen Monarchie, auch wenn dabei Sondervermögenswerte abgelöst werden müssen."

Aber so einfach ist es nicht. 1918 konnten die Bayern das staatliche und das private Vermögen der Familie nicht mehr auseinanderfieseln. Völlig enteignen konnte man die Familie auch nicht. Auf der Grundlage geltenden Rechts wurde daher 1923 ein einzigartiger Kompromiss gebastelt: der Ausgleichsfonds. Das heutige Familienoberhaupt, Franz Herzog von Bayern, hat daher gute Argumente, wenn er sagt: "Es ist nicht zutreffend, dass meine Familie ,heute per Gesetz jedes Jahr Millionen überwiesen bekommt, nur weil mein Urgroßvater König war'."

Statt der Familie die Kunstsammlungen, Ländereien und Schlösser wie Hohenschwangau, Berg am Starnberger See oder Berchtesgaden zu überlassen, wurden sie Eigentum der WAF-Stiftung. Heute gehören der Stiftung auch Gastwirtschaften und Mietshäuser. Sie sorgt für den Erhalt des Kulturerbes, stellt die Bilder in den Münchner Pinakotheken und vielen anderen Museen öffentlich aus und sorgt für einen standesgemäßen Unterhalt der Familie.

Ganze 738 Jahre lang waren die Wittelsbacher der Macht

"Eine sehr kluge Lösung", sagt der Historiker Wolfgang Jahn vom Haus der bayerischen Geschichte: "So hat man verhindert, dass der Kunstbesitz verschleudert wird." Und nach dem Tod des letzte Wittelsbachers fällt alles an den Staat.

Schlösser wie Neuschwanstein, Herrenchiemsee und Nymphenburg sind bereits Eigentum des Freistaats. Die Familie wohnt in den WAF-Schössern, aber auch auf Herrenchiemsee und in Nymphenburg. Sie genießt zudem Jagd- und Fischereirechte und darf sich auch mal Juwelen aus der Schatzkammer der Münchner Residenz ausleihen.

Ganz schlecht hätten die Wittelsbacher Bayern nicht regiert, sagt Jahn, sonst wären sie nicht 738 Jahre lang an der Macht geblieben. Anno 1180 hatte Kaiser Friedrich Barbarossa dem Grafen Otto das dem Herzogtum Bayern übertragen, zweimal stellten sie einen deutschen Kaiser, Napoleon machte sie zu Königen. Als Feldherrn seien sie selten groß hervorgetreten "Sie haben gelernt, sich nicht groß in die europäische Politik einzumischen", sagt Jahn. "Anders als die Preußen haben sich die Bayern zurückgehalten."

Am 7. November 1918 demontrierten 40.000 kriegsmüde Münchner

Als im vierten Kriegsjahr 1918 die Matrosen in Kiel meuterten, demonstrierten am 7. November 40.000 kriegsmüde Münchner auf der Theresienwiese. König Ludwig III. floh nach Salzburg, und ein Arbeiter- und Soldatenrat rief kurz vor Mitternacht im Matthäser, dem größten Münchner Bräuhaus, den Freistaat Bayern aus.

Anders als Gloria Fürstin von Thurn und Taxis oder Ernst August Prinz von Hannover, der den Regenschirm als Waffe zu führen weiß, liefern die heutigen Wittelsbacher selten Schlagzeilen. Als Brauer sind sie mit Tegernseer und dem König-Ludwig-Weißbier unterwegs. Franz Herzog von Bayern engagiert sich für viele Museen, von den Pinakotheken bis zum New Yorker Museum of Modern Art, zeigt sich als sehr großzügiger Mäzen und sammelt fleißig Spenden für soziale Projekte.

Seine Stimme hat Gewicht. In seinem Auftrag verwalten die Aufsichtsratschefs der Deutschen Post und der Münchener Rückversicherung, Nikolaus von Bomhard und Bernd Pischetsrieder, das WAF-Vermögen. Zur Feier seines 80. Geburtstag 2013 kamen das schwedische Königspaar, das bayerische Kabinett, Kardinäle, Opern- und Museumschefs und die Konzernchefs von Siemens und Linde nach Nymphenburg. Und sogar die damalige Grünen-Fraktionschefin Margarete Bause.
(Roland Losch, dpa)

Kommentare (2)

  1. BSZ-Redaktion am 06.11.2018
    @coeurdelion
    Vielen Dank für den Hinweis, wir haben das korrigiert,
    beste Grüße, Ihre BSZ-Redaktion
  2. coeurdelion am 05.11.2018
    Kleine Korrektur: Herzog Franz ist der Urenkel, ncht der Ur-Urenkel des letzten Königs von Bayern (Sohn von Herzog Albrecht, dadurch Enkel von Kronprinz Rupprecht, dadurch Urenkel des 1918 abgesetzten Königs Ludwig III.).
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