Leben in Bayern

Über Frank Habermaier rollt eine Feuerwalze hinweg. (Foto: Stumberger)

11.06.2021

Feuer und Flamme für den Brandschutz

Der ehemalige Chef der Augsburger Feuerwehr hat ein einzigartiges Projekt realisiert: die Feuerwehrerlebniswelt, die Spaß bringt – und lebensrettendes Wissen

Ängstliche Gemüter sollten lieber draußen bleiben und das Geschehen durch die Glasscheibe beobachten. „Achtung! Es ist unbedingt den Anweisungen des Personals Folge zu leisten. Nicht für Kinder unter 6 Jahren erlaubt“, warnt ein Schild. Wer sich dennoch in diesen speziellen Raum wagt, bekommt es viel mit Hitze und Chemie zu tun: einer Feuerwalze. Aber Angst muss im sogenannten Flash-Over-Raum niemand haben. Denn Frank Habermaier, der sie in Gang setzt, kennt sich mit Feuer aus. Der 62-Jährige ist Diplom-Chemiker und war viele Jahre Chef der Augsburger Berufsfeuerwehr.

Wir befinden uns im Augsburger Martinipark. Früher gab es hier eine florierende Textilindustrie. In den Fabrikgebäuden wird heute aber nur noch wenig produziert, Küchentücher zum Beispiel. Auf dem Gelände haben sich ein paar Start-ups angesiedelt, Wohnungen werden gebaut. Und da gibt es diese moderne Halle, deren Fassade ein Feuerwehrauto ziert. Ihr Eingang ist so gestaltet, dass man glaubt, man würde in einen Feuerwehrschlauch hineingehen. Es ist Habermaiers „Feuerwehrerlebniswelt“, in der er Besucher*innen mit der Feuerwalze beeindruckt.

„Es fehlt in Deutschland ein Brandschutzbewusstsein“, sagt der Ex-Feuerwehrchef. Deshalb hat er 2006 einen Verein gegründet, der jahrelang an dieser Feuerwehrerlebniswelt plante. Sie soll den Gästen auf spannende Weise die Themen Brandschutz, Feuerbekämpfung und Arbeitsschutz näherbringen. Nach Jahren der Suche nach einem geeigneten Standort hat die deutschlandweit einzigartige Ausstellung am 18. März auf 3000 Quadratmetern ihre Pforten geöffnet – wegen der Corona-Pandemie aber nur für einige Tage. Jetzt aber ist wieder offen – natürlich samt umfangreichem Hygienekonzept.

Doch zurück in den Flash-Over-Raum, in dem es gleich heiß hergehen wird. Noch ist es ziemlich dunkel, nur oben – in fünf Metern Höhe – flackert eine kleine Gasflamme. Dann drückt Habermaier einen Knopf und das flammende Inferno beginnt: Über den Köpfen der Zuschauer rollt (in sicherer Entfernung) eine Feuerwalze dahin, die Hitze ist sehr deutlich im Gesicht und auf der Haut zu spüren. Die Flammen werden von einem lauten Zischen begleitet. Als alles vorbei ist, erklärt Habermaier, was passiert ist: Bei einem Brand herrscht Sauerstoffmangel im Raum, es entsteht Kohlenmonoxid. Tritt nun plötzlich Sauerstoff von außen hinzu, entsteht Kohlendioxid, was zu einem gefährlichen Flammenteppich führen kann.

Gefährliche Zustände gibt es reichlich bei der Brandbekämpfung, erklärt Habermaier. Zum Beispiel bei der sogenannten Rauchdurchzündung. Bei ihr verbreiten sich brennbare Gase im Raum unter der Decke und werden durch das Feuer weiter erhitzt, bis sich das Gasgemisch schlagartig entzündet. Bei der Rauchgasexplosion, wie er sie im Flash-Over-Raum demonstriert, fehlt hingegen zunächst der Sauerstoff und der Brand erlischt oder glimmt nur noch weiter. Die brennbaren Gase kühlen sich ab, im Raum entsteht ein Unterdruck. Der macht sich zum Beispiel so bemerkbar, dass Brandrauch unter der Türschwelle wieder in den Raum hineingezogen wird. Öffnet man nun die Tür und dringt Sauerstoff ein, kann es zu einer verheerenden Rauchgasexplosion kommen. Dabei sind enorme Temperaturen über 1000 Grad Celsius möglich.

Ein Erlebnis ist das tatsächlich, jedenfalls in sicherer Position. Aber auch andere Stationen der Erlebniswelt machen Gefahren deutlich. Zum Beispiel der „Verrauchte Raum“ – dort wird mithilfe von Theaternebel eine Rauchsituation bei einem Brand nachgestellt. „Ein paar Meter durch Rauch und Dunkelheit zu gehen, kann sich sehr lange anfühlen“, weiß Feuerwehrprofi Habermaier. Von außen lässt sich über einen Bildschirm und eine im Raum angebrachte Wärmebildkamera das Verhalten der Menschen im Rauch beobachten.

Wie fühlt sich ein Erdbeben an? In Augsburg kann man das bald selbst erleben

Oder der Windkanal: Windgeschwindigkeiten bis 45 Stundenkilometer gelten als starker Wind, ab 75 Stundenkilometer spricht man von Sturm, ab 100 Stundenkilometer von einem orkanartigen Sturm, der Bäume entwurzeln und Häuser schwer beschädigen kann. Nachempfinden kann man die Windkraft im Windsimulator der Feuerwehrerlebniswelt während Corona leider nicht. Weil mit dem Wind sich auch Viren verteilen könnten. Und auch der Verrauchte Raum bleibt aus Infektionsschutzgründen vorerst noch rauchfrei.

Und an einem dritten Katastrophenszenario hingegen wird noch gefeilt: Ein Erdbebensimulator soll künftig Besucher*innen inmitten eines Wohnzimmers das Gefühl vermitteln, wie es ist, wenn die Erde bebt. Zum Konzept gehört auch ein Radioprogramm, in dem die Nachrichten das Erdbeben melden, bevor im Wohnzimmer die Rüttelei anfängt. „Und es gibt in dem Radiospot auch Hinweise, wie man sich bei Erdbeben richtig verhalten soll“, betont Habermaier.

Tatsächlich erleben die Gäste nicht nur viel, sie lernen auch jede Menge. Es gibt eine Integrierte Leitstelle der Feuerwehr und den größten begehbaren Rauchmelder der Welt. Man erfährt, wie man eine Rettungsgasse auf der Autobahn bildet oder wie schwer die Ausrüstung der Feuerwehrleute ist. Und Kinder können eine Rutschstange ausprobieren, mit der Einsatzkräfte im Nu vom Aufenthaltsraum hinunter zu den Feuerwehrautos kommen. Und so wird der Besuch bei Habermaier nicht nur ein Erlebnis voller Wissen, das im Notfall Leben retten kann. Sondern auch voller Spaß.
(Rudolf Stumberger)

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