Leben in Bayern

Einsatz in Nepal im Oktober 2014: Detlev Gück hat eine komplette transportable Augenpraxis dabei – und tausend Antibiotikatabletten. (Foto: privat)

22.05.2015

"Hyperaktivismus macht jetzt keinen Sinn"

Seit über zehn Jahren leistet ein Deggendorfer Augenarzt Hilfe in den Bergdörfern Nepals – sein neuestes Projekt: sauberes Wasser für das vom Erdbeben betroffene Krisengebiet

Er fährt zu Menschen, die noch nie eine medizinische Versorgung erfahren haben. Auch Waisenhäuser und Schulen hat Detlev Gück mit Hilfe von Spendengeldern in Nepal schon gebaut. Angesichts der Erdbebenkatastrophe plant er seine nächste Reise in den Himalaya – mit Trinkwasseraufbereitungsanlagen im Gepäck. Zur Vorbeugung von Krankheiten und Seuchen. Am liebsten würde er sofort alles stehen und liegen lassen. Und nach Nepal fliegen. Zu den Überlebenden in das Krisengebiet, die nach der Erdbebenkatastrophe so dringend Hilfe brauchen. Aber das geht nicht. Denn Detlev Gück kann seine Praxis nicht im Stich lassen. Der 53-jährige Deggendorfer ist Augenarzt. Außerdem sitzt Gück (parteilos) seit vergangenem Jahr im Deggendorfer Stadtrat.
Aber jetzt loszufliegen, würde auch gar nichts bringen, betont der Niederbayer, der seit über zehn Jahren seinen Urlaub, seine Freizeit und Geld in die humanitäre Hilfe in Nepal steckt. „Hyperaktivismus macht jetzt überhaupt keinen Sinn“, erklärt er der Staatszeitung. „Der Flughafen ist überlastet und die Hilfsorganisationen kommen von dort nicht weiter.“ Und einfach mal schnell in die entlegenen Bergdörfer reisen, sei ohnehin „keine glorreiche Idee“. Er selbst trainiere vor solche Einsätze monatelang.
Gück weiß, wovon er spricht. Denn er ist regelmäßig in Nepal. Zuletzt hatte er im Oktober einen Einsatz im Manaslu Gebiet im Himalaya. „Wir haben bewusst dieses Gebiet in den Seitentälern des achthöchsten Bergmassivs im Himalaya ausgesucht“, erklärt er. „Denn die Menschen dort haben noch nie einen Arzt gesehen.“ Obwohl sie keine zwei bis drei Tagesmärsche von den touristischen Haupt-Treckingrouten entfernt leben. „Die Menschen dort wussten nicht einmal, was eine Brille ist“, sagt Gück, der dort nicht nur vielen Augenkranken helfen konnte. Auch etliche Ohrenkranke hat der Deggendorfer behandelt. Mit im Team war unter anderem ein nepalesischer Hörakustiktechniker. Der Verein „Apotheker helfen“ hat Gück zudem mit reichlich Medikamenten ausgestattet – tausend Antibiotikatabletten hatte er im Gepäck. Gück: „So viele verschreibe ich sonst nicht einmal in einem Jahr.“
Seit über zehn Jahren leistet der niederbayerische Arzt in Nepal aber nicht nur medizinische Hilfe, er unterstützt auch den Bau von Waisenhäusern und Schulen – mit Spendengeldern. „Gott sei Dank stehen sie noch“, freut er sich. Allerdings: Täglich erreichen ihn Schreckensnachrichten von Menschen die „entsetzliche Tragödien erleben“. Da ist zum Beispiel die Familie eines Mönches, dem Gück besonders nahe steht. „Sie war aus Tibet nach Nepal geflohen. Doch all das, was sie sich dort ein zweites Mal aufgebaut hatte, ist jetzt vernichtet“, sagt der Arzt. Es war das zweite Beben, das der Familie die Existenz kostete. Wie auch vielen anderen Menschen.

Gück selbst hat 2010 nur mit sehr viel Glück überlebt

Bei Gück selbst rufen die Bilder aus dem Katastrophengebiet schlimme Erinnerungen wach. Während eines Einsatzes in der Bergregion von Ladakh hatte er eine der heftigsten Naturkatastrophen im Himalaya selbst miterlebt. Ein plötzliches Unwetter verwandelte einen Gebirgsbach in eine 100 Meter breite Stein- und Schlammlawine, die alles, was ihr im Weg stand, mit sich riss. Auch das Dorf mit seinen 50 Häusern, in dem Gück am Tag zuvor noch medizinische Hilfe geleistet hatte. 200 Meter weiter wurden 400 Häuser weggerissen. „Ein furchtbarer Albtraum, den man mit Worten überhaupt nicht schildern kann“, sagt Gück. Nur sechs Menschen haben damals überlebt – „ich und fünf Mönche“, so Gück. „Das alles kommt jetzt bei mir wieder hoch.“
Und es bestärkt den Niederbayern darin, seine Energie und Freizeit weiterhin für die Hilfe in Nepal einzusetzen. Sein neues Projekt: die Versorgung der Region mit sauberem Wasser. „Gutes Wasser ist die erste wichtige vorbeugende Maßnahme zur Vermeidung von Krankheiten und Seuchen“, betont Gück. Und somit ein wichtiger Faktor für das Überleben der Menschen in den vom Erdbeben betroffenen Krisengebieten und für den Wiederaufbau der Region. „Den Menschen ein paar Flaschen Mineralwasser und ein paar Tafeln Schokolade zu bringen, macht aber wenig Sinn“, betont der Deggendorfer. Er setzt auf Nachhaltigkeit. Mit der von ihm gegründeten „Kleinen Hilfe e.V. Deggendorf“ sammelt er Spenden für innovative Trinkwasseraufbereitungsanlagen, die mit Solarstrom laufen und auch von den Menschen vor Ort problemlos betrieben werden können. 12 000 Euro kostet eine Anlage. Die Mönche der Region, mit denen Gück in engem Kontakt steht, und die das Gebiet am besten kennen, loten derzeit aus, wo sie zum Einsatz kommen sollen. „Das ist unsere Grundlage: die gute Zusammenarbeit mit den Mönchen, die die Leute vor Ort kennen“, sagt Gück. Fünf Anlagen hat er bereits zusammen – auch mit Hilfe von Spenden von Freunden, Bekannten und Patienten, die den Arzt seit Jahren unterstützen. Doch je mehr er nach Nepal transportieren kann, desto mehr Menschen profitieren im Krisengebiet davon.
So groß auch das Engagement von Gück ist – es hat Grenzen. „Ich kann einfach keine Zähne ziehen“, bekennt er und lacht. „Kommt bei einem medizinischen Einsatz in Nepal einer mit einer dicken Backe ins Behandlungszelt, fangen die Mönche schon zu Kichern an.“ Denn sie wissen: Dann verschwindet Gück auf einen Tee. Natürlich aber müssen die Menschen nicht darunter leiden, dass der bayerische Arzt eine Zähne-Zieh-Phobie hat. „Das übernehmen dann die Mönche.“ (Angelika Kahl) Bilder: Für das Behandlungszelt musste über Monate hinweg in den Steilhängen erst einmal ein Plateau errichtet werden. Der größte Dank: die strahlenden Gesichter seiner Patienten; Fotos: privat Kontakt Detlev Gück:
Facebook: https://www.facebook.com/khevdeg
Webseite: www.kleine-hilfe-deggendorf.de
E-Mail: info@kleine-hilfe-deggendorf.de

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