Es ist ein ruhiger Ort am Rande von Würzburg. Weitläufige Wiesen, verwachsene Hütten reihen sich aneinander und auf einer Weide grasen Pferde. Neben einem bunt bemalten Bauwagen hört man Schurren und Krächzen. Die Geräusche kommen von zehn Greifvögeln. Drei davon sind vorübergehende Patienten von Karl-Josef Kant, sieben gehören zur hauseigenen Falknerei. Der Falkner rettet seit 20 Jahren verunglückte und verletzte Greifvögel. In seiner Auffangstation im Würzburger Stadtteil Unterdürrbach werden die Tiere wieder aufgepäppelt und verwaiste Wildvögel aufgezogen.
In etwa einen Quadratmeter großen Volieren sollen sich verletzte Greifvögel, überwiegend Mäusebussarde und Turmfalken, erstmal erholen, bevor sie dann in größere Kammern umziehen. Für wie viele Tiere der umfunktionierte Garten des alten Familienanwesens Platz hat, kann Kant nicht genau sagen. "Je nachdem, wie groß die Vögel sind und ob die Arten zusammen gehalten werden können." Einmal am Tag bekommen die Tiere Futter - vor allem Rinderherzen und Eintagsküken - bis man sie wieder in Freiheit entlässt.
Die Aufenthaltsdauer der Greifvögel hängt vom Zustand und Alter der Tiere ab. Manche bleiben nur drei Tage, andere mehrere Wochen - oder im Fall des Turmfalken Philipp - ein Leben lang. "Er kann nur kurze Strecken fliegen und wäre ein Todeskandidat, wenn man ihn auswildert", sagt Kant.
Seiner Frau Christine fiel es am Anfang besonders schwer loszulassen. Das Paar lernte sich vor zwölf Jahren durch die ehrenamtliche Arbeit in der Auffangstation kennen. Damals wollte sie noch jedes Tier retten, erinnert sich die 53-Jährige an ihre Anfänge: "Man muss realistisch sehen, ob man dem Tier helfen kann. Manchmal wird es nicht mehr."
Ein Großteil der Vögel schafft es leider nicht
Erfahrungsgemäß schafft es ein Großteil der Vögel nicht. Dann geht es darum, den verletzten Vogel möglichst schnell zu erlösen. Kant schätzt, dass nur ein Drittel der Tiere überlebt. 696 Einsätze hatte der Falkner in den vergangenen 20 Jahren - darüber wird genau Buch geführt.
Nur wenn es nötig ist, nehmen die Kants ein Tier zur Versorgung mit nach Hause. "Die sollten sich erst gar nicht an den Menschen gewöhnen", sagt Kant. Daher versucht er Jungvögel, die aus dem Nest gefallen sind oder den Heimweg nicht mehr schaffen, direkt zu den Altvögeln zurückzubringen. "Das Jagen können ihnen nur die Eltern beibringen." Wenn das Ehepaar ein Jungtier mit der Flasche aufzieht, können sie nur hoffen, dass das Tier sich anschließend selbst an das Leben in Freiheit gewöhnt. "Wir bieten ihnen dann solange Futter, bis sie nicht mehr kommen", so der 74-Jährige.
Bald beginnt bei Kants wieder die Hochkonjunktur. "Im Juni, wenn die Jungvögel ausfliegen, steht das Telefon für zwei bis drei Wochen kaum still", sagt Christine Kant. Das Paar rät dazu, erst telefonisch Rücksprache zu halten, bevor man ein Tier zu einer Station bringt. Denn es ist wichtig zu wissen, wo das Tier herkommt.
Bei Rettungsaktionen hilft die Feuerwehr
Wie bei einem Fall im Landkreis Würzburg vergangenen Jahres: Gleich vier Turmfalken waren aus ihrem Nest gefallen. Kant musste improvisieren. Mithilfe einer 30 Meter hohen Feuerwehrleiter band er einen breiten Weidenkorb mit Kabelbindern an die Stelle des kaputten Nestes und setzte dieses samt der Tiere hinein. "Vier Wochen später sind die Vögel ausgeflogen", erzählt der Falkner nicht ohne Stolz.
Bei seinen Rettungsaktionen kann er sich auf die Feuerwehr verlassen; finanziell wird die Vogelauffangstation von der Stadt Würzburg und dem Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV) unterstützt. Über die Höhe der Kosten, die das Ehepaar selbst tragen muss, möchten sie keine Angaben machen. "Aber die Zuschüsse reichen bei Weitem nicht aus", sagt Kant.
Wie viele solcher Stationen es gibt, lässt sich dem LBV zufolge nicht genau beziffern. Das liege vor allem daran, dass der Begriff "Greifvogelauffangstation" nicht genau definiert ist. Neben reinen Auffangstationen gebe es beispielsweise auch Zoos, Tiergärten und Falkner, die regelmäßig Greifvögel aufnehmen, sagt Greifvogel-Experte Ulrich Lanz. "Unseres Wissens gibt es niemanden, der einen Überblick über alle bestehenden Stationen hat." Er versichert aber, dass ausreichend Auffangstationen in Bayern vorhanden sind: "Es gibt keine Probleme, die Tiere unterzubringen."
Bei manchen Arten zählt jedes Tier für den Erhalt
Grundvoraussetzung für das Betreiben einer Station ist ein sogenannter Sachkundenachweis, beispielsweise in Form eines Falknerjagdscheins oder einer tierärztlichen Ausbildung. Denn es können auch nicht alle Tiere zusammen gehalten werden, daher ist "die Kenntnis über das Verhalten der Arten wichtig", sagt Lanz.
Vom Bundeslandwirtschaftsministerium gibt es außerdem Richtlinien zur Haltung der Greifvögel. Darin ist beispielsweise beschrieben, wie groß die Volieren sein müssen oder wie viele Tiere zusammen gehalten werden dürfen. "Für den Laien ist die Qualität einer Station aber nicht erkennbar", so Lanz.
Auffangstationen seien vor allem für den Tierschutz wichtig, sagt der Greifvogel-Experte. Denn bedrohte Arten werden seiner Erfahrung zufolge sehr wenig in solche Auffangstationen gebracht. "Selten gibt es mal einen Seeadler oder Wespenbussard, die stark gefährdet sind. Da zählt dann das einzelne Tier für den Artenerhalt."
(dpa)
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