Leben in Bayern

Die Orang-Utans im Tierpark Hellabrunn vermissen die Besucher*innen im Affenhaus, das aus Infektionsschutzgründen geschlossen ist. (Foto: dpa/Hoppe)

26.03.2021

Orang-Utans mit Langeweile

Der Lockdown schlägt nicht nur den Menschen aufs Gemüt, auch die Tiere im Zoo vermissen Besucher*innen – doch bald könnte es im Tierpark Hellabrunn wieder still werden

Seit drei Wochen hat er seine Tore wieder offen: der Tierpark Hellabrunn. Besichtigt werden können aber nur die Außenanlagen. Für die Menschenaffen bedeutet das: keine Leute vor den Scheiben im Affenhaus. Eine Art Fernsehen für die Tiere, wie Pflegerin Lucia Köhler erklärt. Und auch draußen könnte es bald wieder ruhig werden. Wegen hoher Inzidenzzahlen ist der Nürnberger Tiergarten bereits geschlossen. Bald könnte es auch München treffen.

Rosa Flamingos stehen auf einem Bein herum. Die großen Eisbären fläzen sich auf dem Gestein und Kampfgänse stoßen hohe Schreie aus. Die Königspinguine indes gucken hinter ihrer Glasscheibe nach den Besuchern im Münchner Tierpark Hellabrunn, die seit dem 8. März wieder durch die Anlage flanieren. Rund dreieinhalb Monate war der Zoo wegen Corona geschlossen. Unklar ist allerdings, wie lange der Münchner Tierpark seine Pforten noch offen hat. Der Nürnberger Tiergarten ist schon wieder zu, dort liegt die Corona-Inzidenz über 100. Und auch in München steigen die Inzidenzzahlen kontinuierlich an.

Nur mit Online-Ticket: keine Spontanbesuche

Eine Familie aus Starnberg macht mit ihren drei kleinen Kindern gerade die Runde durch das Gelände. Sie freut sich über ein bisschen Abwechslung im Corona-Alltag. „Der Tierpark gehört schon zu unserer Freizeitgestaltung“, sagt die Mutter. „Wir sind froh, dass er wieder aufhat.“

Spontanbesuche gehen allerdings nicht. Wer in den Tierpark will, muss sich vorab online eine Eintrittskarte kaufen. Die Besucherzahl ist begrenzt, damit der Abstand zwischen den Menschen gewahrt werden kann. Eine Löwenlänge – zwei Meter – soll der betragen, klärt ein Plakat im Tierpark auf. Auch im Freien muss eine Maske getragen werden. Innenräume wie das Elefantenhaus oder Affenhaus können nicht besucht werden. Da der begehrte Elefantennachwuchs Otto nur selten das Freigehege aufsucht, gibt es ihn im Video zu sehen.

So tummeln sich an diesem Dienstagnachmittag unter bedecktem Himmel die Familien mit ihren Kindern vor den Gehegen der Yaks und Antilopen. Sie kaufen Popcorn oder belegte Semmeln, hinsetzen aber geht nicht. Und da man Menschenansammlungen vermeiden will, finden derzeit auch keine öffentlichen Tierfütterungen oder Tiertrainings statt.

Aber nicht nur die Menschen haben den Zoobesuch in den vergangenen Monaten vermisst. Auch den Tieren scheinen im Lockdown die Besucher*innen abgegangen zu sein. „Das war ganz interessant“, erzählt Tierpflegerin Lucia Köhler. „Wenn man durch den stillen Park geradelt ist, haben einem die Tiere nachgeguckt und ihre Öhrchen aufgerichtet.“ Das sei schon etwas merkwürdig gewesen. Die 23-Jährige hat Mitte Februar ihre dreijährige Ausbildung zur staatlich geprüften Zootierpflegerin abgeschlossen. Jetzt ist sie in der „Geozone Asien“ für Takine, Rindergämsen aus Tibet, für Nilgauantilopen aus Indien und für Yaks und Axishirsche aus China zuständig; insgesamt kümmert sie sich um an die 40 Tiere.

Training für die Tiere - auch gegen die Langeweile

Im Grunde haben jedes Tier und jede Tierart ihren eigenen Charakter, so Köhler. Die Yaks zum Beispiel. Ihr Gehege wurde im Lockdown durch ein Waldstück vergrößert. Die Jungtiere waren mutig und trauten sich hinein, der alte Leitbulle aber hatte Angst und hat sie mit einem Kommando zurückgepfiffen. Fad war diesen Tieren also nicht. „Vielleicht“, sagt Lucia Köhler, „ist den Menschenaffen aber ein bisschen langweilig geworden.“ Denn die Orang-Utans werden nicht nur von den Besuchern angeguckt, sondern die Affen beobachten auch die Menschen, die vor ihrer Scheibe stehen. Eine Art Fernsehen, das im Lockdown und auch jetzt, da das Affenhaus für Besucher geschlossen ist, noch Sendepause hat.

Aber den Tieren muss nicht zwangsläufig langweilig sein, es gibt ja auch das Training. Das dient zum einen dazu, sie daran zu gewöhnen, dass man ihnen medizinisch näher kommt, ohne sie gleich betäuben zu müssen. Da wird dem Tiger dann am Schwanz Blut abgenommen oder der Antilope am Zaun ein Impfmittel verabreicht. Die Takine lernen zum Beispiel, ihre Hufe auf ein Gestell zu setzen, sodass die Tierpfleger sie reinigen und nach Wunden untersuchen können. Das Training dient aber auch dazu, die Tiere geistig fit zu halten – etwa wenn den Robben beigebracht wird, mit den Flossen zu wackeln.

Köhlers Arbeitstag beginnt früh um sechs Uhr, dann macht sie das Frühstück für die Vierbeiner: Rübenschnitzel werden eingeweicht, eine Art Müsli, in das man auch gut Mineralstoffe oder Medikamente geben kann. Die Antilopen bekommen auch schon mal Rote Bete, eine Art Leckerei, denn sie ist etwas süß. Nach der Fütterung ist Köhler für den „Zimmerservice“ zuständig. Sie mistet die Ställe aus und bringt die Tagesration Heu ein. Nachmittags gegen 16 Uhr ist Feierabend für die junge Tierpflegerin.

Die Arbeit im Lockdown war natürlich im Grunde wie immer, erzählt Lucia Köhler. „Aber die Abläufe waren flexibler.“ Arbeiten, die man sonst vor Einlass der Besucher um neun Uhr morgens machen musste, konnten nun auch tagsüber ausgeführt werden.

Insgesamt ist also wohl doch bei den Menschen die Sehnsucht nach den Tieren größer als umgekehrt. Es gibt viele Stammkunden mit Jahreskarte. Oft entwickeln diese enge Beziehungen zu bestimmten Tieren, es gibt auch Tierpatenschaften. Während des Lockdowns sind einige am Zaun außerhalb des Zoos gestanden und hätten mit ihren Lieblingen gesprochen, erzählt Köhler. „Jetzt sind sie wieder froh, dass man den Tierpark besuchen kann.“
(Rudolf Stumberger)

Fotos (Stumberger):
Auch im Freien gilt: Maske auf und Abstand halten – mindestens eine Löwenlänge. Tierpflegerin Lucia Köhler sorgt nicht nur dafür, dass ihre Schützlinge gut versorgt sind, sie trainiert auch mit den Tieren – auch um der Langeweile vorzubeugen.  

 

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