Leben in Bayern

Tragende Rolle: Handwerker der Region ziehen mit den Figuren durch die Stadt. (Foto: dpa)

12.04.2017

Paukenschläge und Stille im Gedenken

Die Karfreitagsprozession in Lohr gilt als eine der ältesten in Deutschland. Etwa 600 Einwohner machen jedes Jahr aktiv bei dem Umzug durch die pittoreske Innenstadt mit. Heuer nehmen auch anerkannte Asylbewerber an der religiösen Tradition teil

Wenn die Lohrer Karfreitagsprozession durch den kleinen Ort in Unterfranken zieht, wird es in den Straßen schlagartig ruhig. Nur kleine Kinder sind vereinzelt noch zu hören - und natürlich die Paukenschläge und Trauerchoräle der Blasmusiker. "Das ist immer eine ganz besondere Stimmung. Die Leute schweigen und sind ergriffen", sagt Joachim Salzmann vom Förderverein für die Prozession. Die Prozession zieht seit 1658 durch den 15 000-Einwohner-Ort. Sie gilt als die älteste im deutschsprachigen Raum. Die tragenden Rollen übernehmen dabei die Handwerker und Gewerbetreibenden der Region. Sie tragen abwechselnd dreizehn lebensgroße Figuren durch die Stadt, die den Leidensweg Jesu vom Abendmahl bis zur Kreuzigung zeigen. Die Verantwortung für den religiösen Brauch liegt seit Jahrhunderten bei den Handwerkern. Noch heute wird ein Platz im Prozessionszug als Ehre und Verpflichtung von Generation zu Generation weitergeben. Jedem Gewerk ist eines der religiösen Bilder zugeordnet. Ob Metzger, Büttner, Schreiner, Elektriker, Gärtner oder Landwirte - alle reihen sich hinter einem bestimmten Bild ein und übernehmen während des gut einstündigen Marsches durch die Innenstadt die Pflicht des Tragens.

Die Figuren wiegen bis zu 150 Kilogramm

Die großen Figuren, die zum Teil mehr als 300 Jahre alt sind, wiegen bis zu 150 Kilogramm. Früher gehörten nur Männer dem Zug an, mittlerweile sind auch Frauen selbstverständlich. Zudem laufen Vertreter der Kirche und der Stadt mit. Und in diesem Jahr auch ein gutes Dutzend anerkannte Flüchtlinge mit christlichem Glauben. "Wir sind ganz stolz darauf, dass das ein normaler Prozess ist. Da wollen wir auch gar keine Diskussion aufkommen lassen", betont Salzmann. "Sie werden sich auch dort eingruppieren, wo sie sich beruflich zu Hause fühlen." Die Restaurierung der alten Figuren wird über den Förderverein organisiert und finanziert. Rund 6000 Euro kostet das pro Bild. "In den vergangenen 15 Jahren haben wir alle Stationen restaurieren können", sagt Salzmann. Im Moment wird als letzte Station die des Heiligen Grabes erneuert. Am Morgen des Karfreitags verzichten die Lohrer mehr als eine Stunde lang auf Gebete und Gesänge - nur rhythmische Paukenschläge und Trauerchoräle der Musikkapellen sind während der Prozession zu hören. Erst am Ende des Schweigemarschs wird auf dem Kirchplatz gebetet und gesungen. Der Brauch der Prozessionen geht auf das Mittelalter zurück. "Das stammt aus der Zeit der Gegenreformation. Damals sollten damit die weniger belesenen Menschen wieder eingefangen und bekehrt werden", sagt Salzmann und lacht. "Die Prozession ist im Grunde ein 360 Jahre altes Marketing. Und das funktioniert auch heute noch." (dpa)

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