Leben in Bayern

Bekommt der BR einen neuen Chef oder eine neue Chefin. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

20.10.2020

Wie wäre es endlich mal mit einer Intendatin?

Strikter Sparkurs und zugleich digitale innovative Strategien: Der Bayerische Rundfunk muss wie andere öffentlich-rechtliche Sender diesen Spagat schaffen. Die Intendanz als mächtigste Position wird nun neu vergeben. Das Kandidatenrennen war von einem Thema bestimmt

Premiere bei der Wahl der neuen Spitze des Bayerischen Rundfunks (BR): Erstmals könnte eine Frau Intendantin des öffentlich-rechtlichen Senders werden. Der 50-köpfige Rundfunkrat muss sich am   Donnerstag (22. Oktober) zwischen zwei Männern und einer Frau entscheiden. Auch, dass es gleich drei Wahlvorschläge gibt, ist für die weiß-blaue ARD-Anstalt ungewöhnlich.

Ins Rennen um die Nachfolge des scheidenden Intendanten Ulrich Wilhelm ab Februar 2021 gehen: die Programmdirektorin des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR), Katja Wildermuth, BR-Verwaltungsdirektor Albrecht Frenzel und der Datenmanagement-Chef und Leiter der Dokumentation und Archive des öffentlich-rechtlichen Schweizer Radios und Fernsehens (SRF), Christian Vogg.

"Das ist eine Liste mit guten Vorschlägen", sagte der Vorsitzende des Rundfunkrats, Lorenz Wolf. Das Profil: "Der Intendant muss das öffentlich-rechtliche System verstehen und um den nötigen sparsamen Umgang mit den Finanzen wissen, auch dass Stellen abgebaut werden müssen." Für Wolf wichtig: "Das Verhältnis zwischen ARD und Landesanstalten muss gut austariert sein."

Wilhelm hatte im Juli bekanntgemacht, dass er nach zehn Jahren nicht mehr für eine dritte Amtszeit kandidiert. Schnell hatte sich ein Frauennetzwerk im BR für eine erste Intendantin in der Geschichte ausgesprochen - und die öffentliche Diskussion um die Nachfolge bestimmt. Unter den neun ARD-Landesanstalten stehen derzeit in drei Häusern Frauen an der Spitze: Beim Rundfunk Berlin-Brandenburg, bei Radio Bremen und beim Mitteldeutschen Rundfunk.

Die Wahl einer BR-Chefin ist vielen Rundfunkräten ein Anliegen

Die Wahl einer BR-Chefin ist auch vielen Rundfunkräten ein großes Anliegen. Das senderunabhängige Aufsichts- und Wahlgremium setzt sich aus Vertretern politischer, weltanschaulicher und gesellschaftlicher Gruppen zusammen. Treibende Kraft für eine Frau an der Spitze: die bunte "Kaktus-Gruppe" mit mehr als 20 Mitgliedern aus Kultur, Verbänden, Gewerkschaften.

Die Gruppe kontaktierte rund zehn potenzielle Kandidatinnen, lud vier nach München ein. Es folgten Gespräche mit den zwölf vom Landtag entsandten Abgeordneten im Rundfunkrat, vor allem mit den gewichtigen Gruppen der "Schwarzen" und "Grünen". Am Ende habe es auch aus der CSU-Fraktion Signale für eine Frau gegeben, heißt es aus dem Landtag.

Die 55-jährige Wildermuth ist für ein unter den ARD-Regionalprogrammen sehr erfolgreiches "Drittes" mitverantwortlich: Der MDR führt bezogen auf den Marktanteil im jeweiligen Sendegebiet die Liste der ARD-Anstalten an. Die Journalistin und Historikerin ist seit 2019 MDR-Programmdirektorin am Standort Halle. Dort ist sie unter anderem für die Bereiche Kultur und Wissen sowie Angebote für Jüngere zuständig. Es gibt daneben noch eine weitere Programmdirektion in Leipzig. Die erfahrene TV-Macherin und -Managerin war auch mehrere Jahre beim Norddeutschen Rundfunk (NDR). Ihr Sender MDR gilt als Vorreiter bei der trimedialen Vernetzung von TV, Radio und Online - ein großes Thema auch beim BR.

Aus ihrem beruflichen Umfeld ist zu hören: Sie habe schon sehr früh auf crossmediale Inhalte gesetzt. Sie gilt als Programmmacherin durch und durch. Beim strategischen Umbau der MDR-Programmdirektion Halle habe sie zudem bewiesen, dass sie Kosten und Effizienz im Blick habe.

Im Rennen: eine Frau vom MDR, die in München studiert hat

In Bayern machte Wildermuth ihr Abitur, studierte in München, wo sie promovierte. Einzelne Rundfunkräte betonen Wildermuths Erfahrung in der Debatte um die Öffentlich-Rechtlichen gerade im Osten.

Der 54 Jahre alte promovierte Verwaltungswissenschaftler Frenzel kennt den BR als interner Kandidat bis ins Detail. Intendant Wilhelm setzt in wichtigen ARD-Gremien auf ihn. Wie der scheidende Intendant scheut auch der gleichermaßen humorvolle wie entschiedene Frenzel im Zweifel das Tauziehen mit allen anderen im Senderverbund nicht.

Als BR-Verwaltungschef sind Personal und Finanzen seine Top-Aufgaben bei der viertgrößten ARD-Anstalt, gerade wegen des Spardrucks. Auch die Verhandlungspartner im zuletzt ungewöhnlich harten Tarifkonflikt bescheinigen dem pragmatischen Manager "Intendanten-Qualitäten".

Der in Gießen geborene Frenzel wuchs in Südbaden auf, was bis heute sein bodenständiges Naturell prägt. Den Journalismus lernte er als Volontär der "Schwäbischen Zeitung" und Lokalredakteur. Er startete seine öffentlich-rechtliche Karriere beim damaligen Süddeutschen Rundfunk, war beim Kultursender Arte und kam 2015 vom NDR zum BR.

Der gebürtige Augsburger Christian Vogg ist laut Rundfunkräten eher der Außenseiter-Kandidat mit viel Kompetenz im Digitalen. Durch seine Arbeit beim SRF und einst als Radio- und Musikchef der Europäischen Rundfunkunion (EBU) besitzt der 55-Jährige internationale Erfahrung samt Netzwerk.

Das Einmaleins der ARD lernte er als Referent des damaligen Intendanten Fritz Pleitgen beim Westdeutschen Rundfunk (WDR) kennen. Erste Radiobeiträge machte er beim BR als Reisejournalist.

Am Wahltag müssen sich die Drei den Rundfunkräten präsentieren und einzeln ihren Fragen stellen - nicht öffentlich, Dauer unklar. Das Gremium weicht wegen Corona vom Münchner BR-Hochhaus in ein großes TV-Studio aus. Gewählt ist für fünf Jahre, wer die einfache Mehrheit der geheim abgegebenen Stimmen erhält. Bei Stimmengleichheit sollen notfalls mehrere Stichwahlen zwischen den zwei Ersten entscheiden.

"Wildermuth bringt Programmerfahrung mit, Frenzel Management" heißt es unisono von mehreren Rundfunkräten. "Eigentlich eine ideale Kombi", sagt einer. Ratsvorsitzender Wolf, auch hoher katholischer Kirchenmann in Bayern, gibt sich diplomatisch: "Die Wahrheit liegt in der Urne."
(dpa)

Kommentare (1)

  1. Miiich am 20.10.2020
    Wie wär´s mit jemanden aus Bayern, für den/die die Bairische, Fränkische und Schwäbische Sprache und Kultur keine Fremdworte, nichts exotisches oder ausgestorbenes sind?
    Die jetzt zur Wahl stehenden Kandidat*innen stehen in meinen Augen für unkritischen und profillosen deutschen Einheitsbrei aus der Konserve.
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