Leben in Bayern

Hüttenwirtin Silvia Beyer mit ihrem Lehrling Ali Hassan, der aus Pakistan stammt. (Fotos: Flora Jädicke)

10.08.2018

Zucchini-Lasagne statt Schweinsbraten

Ohne Fleisch, vegan und auch mal glutenfrei: Silvia Beyer betreibt die erste vegetarische Hüttenwirtschaft in den Alpen

Normalerweise herrscht auf den Berghütten in den Alpen die pure Fleischeslust. Doch auf ihrer Hündeleskopfhütte serviert Silvia Beyer ihren Gästen bereits seit drei Jahren ausschließlich vegetarische Gerichte. Besonders beliebt sind die veganen Kässpatzen der 53-jährigen Allgäuerin. Die macht sie natürlich ohne Käse – ebenso wie ihre ausgefallene Zucchini-Lasagne mit Mandelmus.

„Wegen so ’nem Grünzeug kommt doch keiner auf’n Berg nauf!“ Da aber hatte sich der wetternde alte Bergfex gehörig getäuscht. Seit drei Jahren gibt es die vegetarische Hündeleskopfhütte in 1180 Metern Höhe über Pfronten im Allgäu nun schon. Und sie brummt.

Silvia Beyer kann sich aber ohnehin nur an diesen einen Grantler erinnern, der sich eines Tages herauf verirrte – und sich über die ungewöhnliche Speisekarte ärgerte. Beyer ist die Betreiberin der gemütlichen Hütte, die weit mehr anbietet als „Grünzeug“, auch wenn auf der Karte ausschließlich vegetarische Gerichte stehen. Und so stapfen Beyers Gäste in der Regel mit vollem Bauch und zufrieden wieder den Berg hinunter. „Meine Gäste sind echte Wiederholungstäter“, betont Beyer. Sie kämen nicht nur immer wieder, sondern würden die Hütte auch weiterempfehlen.

Die Hündeleskopfhütte eröffnete Anfang Juni 2015 als erste vegetarische Berghütte in den Alpen. Beyer war damals klar, dass diese Idee manchem auch Bauchschmerzen bereiten könnte. Bei der Vorstellung im Gemeinderat von Pfronten hat die gebürtige Nesselwangerin mit ihrem ungewöhnlichen Konzept denn auch erst einmal hinter dem Berg gehalten. Sie koche halt Allgäuer Traditionsgerichte, erklärte sie den Damen und Herren.

Allgäuer Traditionsgerichte sind oft vegetarisch

So falsch war das ja auch nicht. Die traditionelle Allgäuer Küche ist größtenteils vegetarisch. Was wohl auch darauf zurückzuführen ist, dass die Menschen früher weitaus weniger Fleisch aßen. Selten kam ein Festbraten auf den Tisch. Viel häufiger waren Kartoffeln, Gemüse, Brot oder Mehlspeisen wie Schlutzkrapfen, Kraut- und Spinatnocken – vegetarisch eben. „Das ist alles von Haus aus auch vegan“, sagt Beyer. Nur hieß es damals eben nicht so.

Als die ersten vegetarischen Gerichte dann auf dem Tisch dampften, war die Begeisterung groß. Der Tourismuschef schickte eine Pressemitteilung heraus und die Leute kamen, um die Krautnocken zu kosten. Oder die mit weißem Mandelmus überbackene Zucchini-Lasagne mit Zucchini, Tomaten, Karotten und Kräutern.

Auch unten im Ort, wo viele auch gerne bei Kaminwurz oder einer Schinken- und Käse-Brotzeit sitzen, stoßen Gäste und Einheimische ins gleiche Horn. „Sie macht das sehr gut“, sagt ein 80-jähriger Gleitschirmflieger beispielsweise.

Oben am Berg steht Beyer mit einem Teller Kässpatzen in der Tür. Tatkräftig ist sie, das sieht man der 53-jährigen Allgäuerin an. Sie trägt T-Shirt und einen luftigen Rock, auf den Berliner Designer Bilder von Braunvieh auf einer Allgäuer Almwirtschaft gedruckt haben. „Die Zeit war damals einfach reif“, erklärt Beyer. Sie selbst wurde Vegetarierin mit zwölf Jahren. Sie erinnert sich noch gut an den Tag, an dem sie beschloss, kein Fleisch mehr zu essen. Damals wollte sie von ihrer Mutter wissen, was denn mit den Kälbchen geschieht, die sie tagein, tagaus auf dem heimischen Hof umhegte und pflegte. „Als ich begriff, dass nach dem Mästen der Schlachthof kommt, wollte ich einfach kein Fleisch mehr essen“, erzählt Beyer. „Das wollte ich nicht verantworten.“

Sie missioniere nicht für das Leben als Vegetarier, das habe sie nie, betont Beyer. Auch wenn inzwischen die ganze Familie vegetarisch lebt. Nur Schwester Andrea, die ab und an ein Stück Fleisch braucht, schert aus. „Das macht jeder, wie er es möchte“, erklärt Beyer. Sie ist ein Mensch, der die Liberalitas Bavarica im besten Sinne lebt. Sie lässt sie jedem seinen Genuss auch an einer klassischen Brotzeit mit Fleisch.

Auf der Terrasse lässt sich gerade eine Jugendgruppe aus Kempten nieder, sie ist mit dem Auto hochgefahren. Auch Wanderer treffen ein – und Mountainbiker. Gut 50 Minuten dauert der leichte, aber steile Weg vom Ortsteil Kappel hoch auf die Hütte. Das Bier holt sich jeder selber aus dem Kühlschrank. Beyer vertraut darauf, dass am Ende jeder seine Zeche zahlt. Auch das sagt viel über sie aus. „Ich glaube, die meisten Menschen wollen ehrlich sein“, erklärt sie. Und auch Beyers Küche lässt sich mit dem Adjektiv ehrlich beschreiben. Auf den Tisch kommt, was Boden und Region hergeben. Zu 90 Prozent ist all das Bio.

Die Kräuter baut Beyer im eigenen Berggarten an

In der Küche streut Ali Hassan, Beyers pakistanischer Lehrling, fast im Akkord Kräuter über die duftende Zucchini-Lasagne. Dann flitzt er zwischen üppigen Salaten, Kässpatzen und selbst gebackenem Brot hin und her. Seit drei Jahren lebt Hassan in Nesselwang mit Beyer Tür an Tür. Eigentlich ist er gelernter Friseur. Doch als er einmal bei Beyer aushalf, wusste er sofort: Das will er lernen. Nun ist er bereits im zweiten Lehrjahr. „Ich koche einfach gerne“, sagt er, während er wieder frische Kräuter auf die Gerichte streut. Sie alle wachsen rund um die Hütte, Beyer hat sie selber angepflanzt.

Für die Hüttenlandschaft ist die Hüttenwirtin mit dem „Grünzeug“ ein Segen. Nicht nur, weil mit ihr zunehmend mehr Frauenpower auf den Berg kommt, wie Beyer erklärt. Jetzt haben auch all jene Bergwanderer, die nicht auf fleischhaltige Hausmannskost stehen, ein Angebot. Vor allem die Veganer finden in den meisten anderen Hütten nicht mehr als Brot und Salat ohne Dressing. „Mir taten die Leut’ immer so leid“, sagt Beyer.

Weht die Fahne auf dem Berg, ist die Hütte geöffnet

Als Veganer ist es allerdings ratsam, sich bei Beyer anzukündigen, will man sichergehen, dass sie für sie eine ordentliche Hüttenmahlzeit im Angebot hat. Das Vegabrot steht zwar auf der Standardkarte. Die veganen Kässpatzen und die Zucchini-Lasagne dagegen gibt es nicht jeden Tag. Vor allem Beyers Kässpatzen sind berühmt. „Nur der Name gefällt mir nicht. Es ist ja kein Käs“, sagt sie. Sondern eine Masse aus Kartoffelmehl, Reismehl und Gelbwurz. Vielleicht sollten sie also besser „Hüttenspatzen“ heißen. Auch wer Probleme mit Gluten hat, kommt bei Beyer auf seine Kosten. Die Zucchini-Lasagne ist nicht nur vegan, sondern auch glutenfrei. Die Rezepte gingen ihr nicht aus, sagt Beyer. „Mich inspirieren gute Kochbücher. Klassiker wie die vom Veganpapst Attila.“ Auf diesen Rezepten könne man gut aufbauen.

Demnächst will Beyer nicht mehr nur eigene Kräuter anbauen, sondern auch Gemüse wie Kartoffeln oder Karotten. „Alles, was hier oben wächst, hat nochmal so viel Kraft“, schwärmt sie.

Gemeinsam mit Hassan trägt Beyer nun im Minutentakt Köstliches auf die Terrasse. Auch selbst gemachte Holunderschorle und noch warmes Brot. Der kleine Gastraum mit seinen fünf Tischen ist an diesem heißen Tag wie leergefegt. Im Winter haben dort 35 Personen Platz. Auf die Terrasse gehen 100 Personen. Dort geht nun ein laues Lüftchen und lässt die Fahne des amerikanischen Bundesstaates Idaho im Wind tanzen. Beyer hat sie als Souvenir aus ihrer Austauschzeit in den Staaten mitgebracht. „Wir haben geöffnet, wenn die Fahne gehisst ist“, erklärt Beyer. Man sieht sie von vielen Punkten im Tal.
(Flora Jädicke)

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