Politik

Vor allem Lehrer werden dringend gesucht. Sie sollen sicher stellen, dass die Flüchtlingskinder unterrichtet werden können. (Foto: dpa)

16.10.2015

Lehrer und Polizisten verzweifelt gesucht

3700 Stellen sollen im Rahmen der Flüchtlingskrise neu geschaffen werden – doch woher soll das Personal so rasch kommen?

Es ist das größte Personalpaket der jüngeren bayerischen Vergangenheit: Bis zu 3772 neue Stellen sollen wegen der steigenden Flüchtlingszahlen im Freistaat geschaffen werden. Es sind so genannte kw- (künftig wegfallende) Stellen – befristet bis Ende 2018, Lehrerstellen bis Juli 2019. Das bedeutet: Die neuen Beamten behalten ihren Job, aber durch Pensionierung frei werdende Stellen werden nicht nachbesetzt. Profitieren werden vor allem die Bereiche Bildung, Inneres und Justiz. Allein das Kultusministerium kann bis zu 1700 zusätzliche Lehrer einstellen – allerdings nicht alle von ihnen als Beamte. Auch die schulpsychologische Beratung wird ausgebaut.
Das klingt zunächst mal gut. Doch woher soll das erforderliche Personal eigentlich so rasch kommen? Wer glaubt, im Bereich Lehrer sei das noch am einfachsten, irrt: Rolf Habermann, Chef des bayerischen Beamtenbunds, ist jedenfalls ziemlich ratlos: „Es sind nahezu keine Lehrer mehr am Markt“, sagt Habermann der Staatszeitung. Zumindest bei den Grund- und Mittelschullehrkräften herrsche ein akuter Mangel. So konnten in Oberbayern bereits zum Beginn des Schuljahres 40 Stellen für Grund- und Mittelschullehrer nicht besetzt werden, berichtet Habermann. Weshalb man arbeitslose Gymnasiallehrkräfte nachqualifizieren wollte. Was häufig misslang. „Über die Hälfte der Angefragten hat abgesagt.“
Das Kultusministerium setzt dennoch darauf, arbeitslose Realschul- und Gymnasiallehrer für Grund- und Mittelschulen rekrutieren zu können. Zudem will es versuchen, Teilzeitlehrkräfte zur Mehrarbeit zu animieren oder pensionierte Lehrer zurückzugewinnen. „Wir hoffen einfach, dass wir Leute finden“, sagt Ministeriumssprecher Ludwig Unger.

Lehrkräfte für Deutsch als Zweitsprache werden ebenfalls dringend gebraucht


Woran es außerdem mangelt, sind Lehrkräfte für Deutsch als Zweitsprache. Benötigt werden diese etwa in Übergangsklassen, in Deutsch-Förderklassen, die fremdsprachige Kinder besuchen, welche bereits in einer Regelklasse sind sowie in Berufs-Integrationsklassen an Berufsschulen.
Voll durchschlagen wird der Personalmangel an den Schulen erst in einigen Wochen. Denn Flüchtlingskinder müssen erst drei Monate nach ihrer Ankunft eine Schule besuchen.
Doch selbst wenn genug Lehrer vorhanden wären – eingestellt werden können sie erst im Januar. Zuvor muss der Landtag die erforderlichen Gelder genehmigen; das passiert im Dezember bei der Verabschiedung des Nachtragshaushalts.
Nicht viel besser sieht es im Innenressort aus: Polizisten durchlaufen eine dreijährige Ausbildung, und sie werden nicht am Bedarf vorbei ausgebildet. Doch die mit den Flüchtlingen befassten Polizeibeamten sind bereits jetzt am Limit. 500 zusätzliche Ausbildungsstellen für Polizeibeamte soll Innenminister Joachim Herrmann im Nachtragshaushalt 2016 erhalten, außerdem 80 Stellen für Verwaltungsmitarbeiter, die den Polizisten Schreibkram abnehmen sollen. Um die Ordnungshüter zeitnah zu entlasten, versucht das Ministerium nun, Polizisten, die vor der Pensionierung stehen, zu animieren, länger zu arbeiten. In „Einzelfällen“, so ein Ministeriumssprecher, könne auch „eine Aufstockung von Teilzeitanteilen“ helfen. Daneben erhält der Verfassungsschutz 62 neue Stellen, bei Bezirksregierungen und Ausländerbehörden sollen 58 beziehungsweise 755 zusätzliche Jobs geschaffen werden. Insgesamt bekommt das Innenministerium im Zuge der Flüchtlingskrise 2300 neue Stellen.

Immerhin: Juristen gibt's genug


Die Justiz wiederum profitiert von 160 Stellen – 50 davon für Richter und Staatsanwälte. Innen- und Sozialministerium erhalten daneben 17 Verwaltungs- und Sozialrichter. Immerhin: Rekrutierungsprobleme gibt’s bei Richtern nicht. Juristen, erklärt die Sprecherin von Justizminister Winfried Bausback, seien derzeit in ausreichender Zahl vorhanden.
(Waltraud Taschner)

Kommentare (1)

  1. Vanessa Z. am 29.10.2015
    Sehr geehrte Frau Taschner,

    ich möchte Ihnen und den Lesern der BSZ an dieser Stelle gerne einmal meine Sicht der Dinge darstellen:
    Ich bin Gymnasiallehrkraft ohne Planstelle und wiederholt Lehrer in Anstellung (mit einem befristeten Jahresvertrag). Gerade mit dem Fach Deutsch dachte ich in der aktuellen Flüchtlingssituation gute Berufschancen zu haben. Aber weit gefehlt.
    Wie Sie bereits erwähnt haben, werden Lehrer mit der Lehrbefähigung Deutsch als Fremd- oder Zweitsprache benötigt. Dieses Fach lässt sich aber natürlich nicht überall studieren. Darüber hinaus ist ein Studium mit einer Vollzeitbeschäftigung, wie in meinem Fall, kaum vereinbar.
    Eine andere Möglichkeit stellen Fortbildungsveranstaltungen dar. Diese können allerdings nur von festangestellten oder verbeamteten Lehrern angetreten werden. Aus dieser Gruppe falle ich daher schon raus. Darüber hinaus konnten an der letzten Fortbildungsreihe nur ca. 25 Lehrer bayernweit teilnehmen.
    Ich denke mein Beispiel zeigt deutlich, dass einige Deutschlehrer durchaus bereit wären, sich für andere Schularten oder Fächer fortzubilden. Allerdings könnte es seitens des Kultusministeriums bessere Fortbildungs- und Stellenangebote geben. Schließlich sind beispielsweise zum letzten Schuljahr gerade einmal 4 % des aktuellen Prüfungsjahrgangs mit dem Fach Deutsch in den Staatsdienst übernommen worden.
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