Politik

Zahlreiche Geschäfte, wie hier in München, mussten im Dezember erneut schließen. (Foto: dpa/Sven Hoppe)

22.01.2021

20 000 Jobs im Handel sind gefährdet

Die Versprechungen der Bundesregierung klangen gut – doch die Lage auch für Bayerns Unternehmen wird immer dramatischer

Auf den ersten Blick sieht die Bilanz gar nicht schlecht aus. Bis vergangenen Dienstag haben bayerische Unternehmen im Rahmen der Novemberhilfe mehr als 310 Millionen Euro erhalten, teilt die IHK für München und Oberbayern als bayernweite Bewilligungsstelle für diese Unterstützung mit. Insgesamt wurden seit dem Start der Überbrückungshilfen Zuschüsse in Höhe von rund einer Milliarde Euro an Firmen im Freistaat ausgezahlt. Immerhin.

Ansonsten sind gute Nachrichten in Zusammenhang mit den Corona-Hilfen für Unternehmen rar. Stattdessen hagelt es Kritik. Zum Beispiel daran, dass die Anträge für die Novemberhilfe erst seit Kurzem bearbeitet werden können, weil die vom Bund zur Verfügung gestellte Software vorher nicht funktionierte. Oder an der Tatsache, dass die Bedingungen für die Überbrückungshilfe II kürzlich rückwirkend verschärft wurden, um nicht gegen EU-Beihilferecht zu verstoßen. Jetzt seien viele Anträge, die eigentlich schon fertig bearbeitet gewesen seien, hinfällig, klagt die Starnberger Steuerberaterin Sabine Oettinger, Vizepräsidentin des Landesverbands der steuerberatenden und wirtschaftsprüfenden Berufe in Bayern.

Oettinger erzählt, dass man bei der Überbrückungshilfe II jede Kostenposition betrachten und jeden Vertrag ganz genau prüfen müsse, ob die Bedingungen erfüllt würden. Und dass die Unterstützung nur dann fließt, wenn die Unternehmer tatsächlich Verluste beziehungsweise ungedeckte Fixkosten geltend machen können. Was für kleine Einzelhändler oder Soloselbstständige ohne eigene Betriebsstätten oft schwer möglich ist.

Und auch bei den groß angekündigten November- und Dezemberhilfen, bei denen 75 Prozent des Umsatzes aus dem Vorjahresmonat erstattet werden, gehen viele leer aus. Denn diese Unterstützung erhalten nur diejenigen, die bereits im November zur Schließung gezwungen waren. Also weder Einzelhandels- noch Friseurgeschäfte, die erst Mitte Dezember zusperren mussten.

Die Händler fühlen sich komplett im Stich gelassen

Kein Wunder, dass der Handelsverband Bayern (HBE) hier von einem Skandal spricht. „Der Druck auf den Kessel wird täglich größer, weil immer mehr Händler sich von der Politik vollkommen im Stich gelassen fühlen“, schimpft HBE-Präsident Ernst Läuger. Ärger, Wut und Verzweiflung griffen um sich. Mindestens 5000 Unternehmen seien von der Pleite bedroht und rund 20 000 Jobs im Handel in Gefahr, befürchtet Läuger.

Selbst bei denjenigen, die Novemberhilfen beantragen können, ist der Frust oft groß. Zum Beispiel bei Dieter Müller, Vorstandsvorsitzender der Hotelkette Motel One mit Hauptsitz in München. 100 Millionen Euro habe seine Unternehmensgruppe im vergangenen Jahr wegen der Corona-Pandemie verloren, rechnet er vor: „Aktuell verbrennen wir im Monat rund zehn Millionen Euro.“ Dennoch kam er bei den ersten Hilfen nicht zum Zuge, weil diese nur für Firmen mit weniger als 250 Beschäftigten vorgesehen waren. Motel One dagegen beschäftigt allein in Deutschland knapp 1500 Beschäftigte.

Entsprechend erleichtert war der Unternehmer zunächst über die Ende Oktober angekündigten Unterstützungen. Bis er das Kleingedruckte studierte und erkannte, dass bei seinen 74 Hotels nicht viel davon ankommen wird. Denn die Novemberhilfe ist auf maximal eine Million Euro gedeckelt. Davon habe er bisher 50000 Euro als Abschlagszahlung erhalten, sagt er.

Für Motel One kaum mehr als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Wegen eines „Webfehlers“, wie Müller es nennt: Unternehmensgruppen wie seine können nur einen einzigen Antrag stellen. Obwohl seine Hotels ansonsten wie einzelne Betriebsstätten gewertet werden, die an ihren jeweiligen Standorten Steuern abführen. Das hätten Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) „bei ihren großzügigen Hilfszusagen vor der Presse nicht erwähnt“, resümiert der Hotelier bitter und spricht von einer „enormen Wettbewerbsverzerrung“. Sinnvolle Unterstützung sieht anders aus.
(Brigitte Degelmann)

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