Politik

Abschiebung: Abgelehnte Asylbewerber werden in ihr Heimatland zurückgeflogen. (Foto: dpa)

03.08.2015

Abschreckungsprogramm für Albaner

Die Behörden wissen sich angesichts der Rekordzahl der Asylbewerber nicht mehr zu helfen

Es ist mal wieder ein neuer Flüchtlingsrekord: Im Juli haben 79 000 Asylbewerber Deutschland erreicht. Das sind innerhalb eines Monats fast doppelt so viele wie im ganzen Jahr 2005, es sind mehr als im gesamten Jahrzehnt von 1960 bis 1969, als im Schnitt zwischen 2000 und 4000 Menschen pro Jahr Zuflucht in Deutschland suchten. 

Täglich melden Polizei und Behörden seltsame Begebenheiten, die noch vor wenigen Monaten kaum jemand glaubhaft erschienen wären. Eine Meldung vergangenen Freitag: Die Polizei schlägt wegen zahlreicher umherirrender Flüchtlinge auf der Autobahn 3 in Niederbayern ein Tempolimit von 80 Stundenkilometern an der österreichischen Grenze vor.

"Das hätten wir uns alle nicht so vorstellen können", sagt Manfred Schmidt, der Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zu den hohen Flüchtlingszahlen. 

An manchen Tagen kommen mehr als 1000 Menschen in Bayern an

Bundesweit werden die Unterkünfte knapp, die Kosten explodieren. In Bayern kommen an manchen Tagen inzwischen mehr als 1000 Menschen an, die untergebracht werden müssen. Der Alptraum der Behörden sind obdachlos umherirrende und bettelnde Flüchtlinge, wie sie in Italien Alltag sind. "Wir tun in Bayern alles, damit wir keine Bilder haben wie in anderen europäischen Ländern", sagt Sozialministerin Emilia Müller (CSU). In München ging die erste Zeltunterkunft in Betrieb.

Noch in der vergangenen Woche löste CSU-Chef Horst Seehofer bei vielen Politikern von SPD und Grünen mit der Ankündigung Empörung aus, Asylbewerber aus Südosteuropa in zwei separaten Erstaufnahmeeinrichtungen unterbringen zu wollen - um sie schneller wieder abschieben zu können. 

Doch inzwischen ist klar, dass die geplante Abschreckung von Albanern und anderen Südosteuropäern keine bayerische Einzelaktion bleiben wird. BAMF-Präsident Schmidt steht in der ersten Linie derjenigen, die Asylbewerber vom Balkan so schnell wie möglich wieder loswerden wollen. Die "Schutzquote" für Albaner liege bei 0,1 Prozent, sagt Schmidt.  

Doch derzeit sind nach Angaben Schmidts 94 000 Asylanträge aus dem Balkan und 45 000 aus Syrien in Bearbeitung. "Da sehen Sie, dass das Gefüge nicht mehr stimmt." Die Mitarbeiter des Bundesamts sollen sich nun auf die Bearbeitung albanischer Asylanträge konzentrieren - was in den allermeisten Fällen die Ablehnung bedeuten wird. Schmidt hofft, die Albaner innerhalb von vier bis sechs Wochen nach der Ankunft wieder zur Ausreise bewegen oder abschieben zu können.

Gibt es in Südosteuropa wirklich keine politisch Verfolgten?

Doch gibt es in Südosteuropa wirklich keine politisch Verfolgten? Der Bayerische Flüchtlingsrat bezweifelt das. In der Schweiz und vielen anderen europäischen Ländern seien die Anerkennungsquoten viel höher. Nach den Zahlen des Flüchtlingsrats wurden sogar in Großbritannien 18 Prozent der albanischen Asylbewerber als schutzbedürftig eingestuft - obwohl die britische Regierung ebenfalls eine harte Linie in der Asylpolitik verfolgt. 

Für BAMF-Präsident Schmidt jedoch spielen andere Überlegungen eine Rolle. Denn abgesehen von den Südosteuropäern sind auch die Zahlen der Mittelmeerflüchtlinge aus den Kriegsgebieten des Mittleren Ostens viel höher als erwartet. 

Für Syrer, Iraker, Eritreer und Afghanen ist die Überfahrt von der türkischen Westküste auf eine griechische Insel inzwischen zu einer Hauptfluchtroute geworden. Auf beliebten Urlaubsinseln wie Lesbos kommen inzwischen täglich Hunderte an. "Wir haben im Moment stärkeren Zugang aus den tatsächlichen Krisengebieten", sagt Schmidt.

Für Deutschland wird das mutmaßlich bedeuten, dass die Flüchtlingszahlen auch dann hoch bleiben werden, wenn die Abschreckung der Albaner tatsächlich den gewünschten Effekt haben sollte. Mit einem hohen Zugang aus Ländern, die praktisch keine Aussicht auf Asyl hätten, sei das System "zu überfordert", sagt Behördenpräsident Schmidt. (Carsten Hoefer, dpa)

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