Politik

06.08.2020

Alkoholverbote zur Eindämmung der Corona-Ausbreitung – eine sinnvolle Idee?

Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) ermuntert die Kommunen, Alkoholverbote im öffentlichen Raum zu erlassen - um neue Corona-Infektionsherde zu vermeiden. Martin Hagen, FDP-Fraktionschef im Landtag, kontert: In Zeiten geschlossener Bars und Clubs müsse ein Bierchen an der Isar, im Englischen Garten oder auf öffentlichen Plätzen erlaubt sein


JA

Melanie Huml (CSU), bayerische Gesundheitsministerin

Gezielte Alkoholverbote können uns helfen, neue Infektionsherde zu vermeiden. Deswegen ermuntere ich die Kommunen, von diesem Instrument Gebrauch zu machen.

Klar ist: Die große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger ist vernünftig und hält sich an das Abstandsgebot. Aber ich beobachte mit Sorge, dass es gerade an den Wochenenden mancherorts immer wieder zu Ansammlungen kommt, bei denen der Mindestabstand nicht eingehalten wird – und nicht selten ist Alkohol im Spiel.

Wenn zu viel Alkohol fließt, dann fällt häufig die Hemmschwelle und die Vernunft lässt nach. In der Folge vergessen oder missachten manche das wichtige Abstandsgebot.

In meiner Heimatstadt Bamberg ist der Außer-Haus-Verkauf alkoholischer Getränke in Teilen der Altstadt bereits verboten. Daraufhin hat sich die Lage in der Innenstadt enorm entspannt. Ich denke daher, das ist der richtige Weg.

Kritiker sagen, ein Verbot würde das Problem nur verschärfen, denn die Menschen ließen sich ihre Lust zum Feiern nicht verbieten.

Dem entgegne ich entschieden: Unser Ziel ist es nicht, jungen Leuten den Spaß zu verderben. Unser Ziel ist der größtmögliche Schutz für die Menschen im Freistaat.

Ich habe großes Verständnis für alle, die an einem lauen Sommerabend mit Freunden feiern oder einfach mal ein Gläschen trinken möchten. Aber allen muss klar sein: Dies ist kein normaler Sommer! Wir müssen weiterhin vorsichtig sein, denn das Coronavirus ist immer noch da.

Allen, die hier mit Freiheitsrechten argumentieren, sei mit den Worten von Matthias Claudius gesagt: „Die Freiheit besteht darin, dass man alles das tun kann, was einem anderen nicht schadet.“ Sie endet also dort, wo sie die Gesundheit der anderen gefährdet.

Uns allen muss klar sein: Ein einzelner Infizierter in einer dichten Menschenmenge kann eine Infektionskette lostreten, die wir nicht kontrollieren und zurückverfolgen können. Das wollen und müssen wir zum Wohle aller unbedingt vermeiden.

NEIN

Martin Hagen, Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion

Die bayerische Staatsregierung hat kreisfreie Städte und Landkreise „nachdrücklich ermuntert“, Alkoholverbote im öffentlichen Raum zu prüfen. Ich hingegen rate dazu, dieses Instrument sehr zurückhaltend zu nutzen. Augenmaß ist gefragt, nicht Aktionismus.

Zweifellos stellen ausufernde Partys ein Infektionsrisiko dar. Je mehr Alkohol fließt, desto schneller vergisst man die geltenden Abstands- und Hygieneregeln. Zwar ist es uns in den vergangenen Monaten gelungen, die Zahl der Corona-Neuinfektionen auf ein sehr geringes Maß zu senken, aber die Gefahr ist damit nicht gebannt: Eine zweite Welle ist möglich. Sogenannte Superspreader-Events gilt es deshalb zu verhindern. Doch gerade unter Gesichtspunkten des Infektionsschutzes ist es besser, Menschen halten sich gemeinsam im Freien auf, als in geschlossenen Räumen. Dass Feiernde sich in Privatwohnungen zurückziehen, kann nicht gewollt sein.

Natürlich: Wo das gesellige Zusammensein von Menschen im öffentlichen Raum eskaliert, muss die Polizei eingreifen, nicht zuletzt im Interesse der Anwohner. Aber pauschale Alkoholverbote schießen übers Ziel hinaus. Wir werden noch länger mit dem Coronavirus leben müssen – Monate, möglicherweise Jahre. Insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene werden sich aber nicht dauerhaft in ihrem Freizeitverhalten einschränken lassen.

Umfragen zeigen, dass insbesondere ältere Mitbürger die Forderung nach Alkoholverboten teilen. Sie sollten nicht vergessen, dass die Jüngeren in der Corona-Krise große Opfer bringen, um vor allem sie, die Risikogruppen, zu schützen. Und, dass sich die vergangenen Monate in einer kleinen Studentenwohnung anders angefühlt haben als im Einfamilienhaus mit Garten. Die Gesellschaft braucht Ventile, sonst wird der Druck im Kessel irgendwann zu groß. In Zeiten geschlossener Bars und Clubs muss ein Bierchen an der Isar, im Englischen Garten oder auf öffentlichen Plätzen erlaubt sein.

Kommentare (5)

  1. Naja am 11.08.2020
    Ich schlage vor die Blödheit zu verbieten, vermutlich müssten wir dann auch weniger Politiker/innen alimentieren bzw. den angerichteten Schaden begleichen.
  2. Demokratischer Widerstand am 10.08.2020
    Da hat die CSU-Politikerin vollumfänglich recht - Alkohol hat im öffentlichen Raum nichts verloren! Bis in den 1970ern wurde das kontrolliert und auch in Bayern mit Bußgeldern sanktioniert. Leider ist unsere Gesellschaft bis ins Knochenmark verweichlicht - sie steht heute für grenzenlosen Spaß, Alkoholexzesse mit anschließendem orgiastischen Müllexzess, der letztendlich dann in einen Vandalismusexzess endet. Die heutige Gesellschaft kennt keine Pflichten, sondern nur selbstpostulierte Rechte. Aus diesem Grunde ist insbesondere beim Alkohol im öffentlichen Raum Handlungsbedarf angesagt. Erzieherische Maßnahmen, wie mind. 6 Monate täglichen (10 Stunden) Mülldienst im gesamten öffentlichen Raum, Entfernen von Graffitis, Reinigen von öffentlichen Toiletten, etc. gepaart mit einem unvergeßlichem Bußgeld (5.000 € ggf. Ersatzweise pro 10€ Haft) wären durchaus denkbare Mittel. Das mit der ersatzweisen Haft hatten wir bis Anfang 1990er für Schulschwänzer. Das war eine gute bzw. unvergeßlich Maßnahme für die Delinquenten.
  3. EchtebayerIn am 08.08.2020
    Ja ich bin dafür, dass alle Parlamentarier, Abgeordnete, Praesidenten etc., welche mit der Stimme des Volkes gewählt wurden, absolutes Alkoholverbot bekommen, solange sie für die Ministerien oder Bundesregierung tätig sind! Als gutes Vorbildl voran gehen, nicht nur immer Gesetze für die Steuerzahlenden Bürger erlassen!!
  4. Hary am 08.08.2020
    Es gibt viele gutgemeinte Verbote: gut gemeint ist schlecht gemacht. Den Verboten folgen dann drakonische Bußgelder, die schon mal die Existenz bedrohen können. Man soll Gängelungen verbieten und bei der nächsten Wahl nicht vergessen, wer uns drangsaliert hat. Das bringt auch Politiker zur Vernunft.
  5. Cern am 06.08.2020
    Finde das Verbot sinnlos . Das wäre ein Schritt in Richtung Gängelei. Was ist gegen ein Bierchen einzuwenden, wenn alle AHA regeln eingehalten werden, und es nicht zu exzessen kommt
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