Politik

Wird ein Haus saniert, kann das für die Mieter teuer werden. (Symbolfoto: dpa)

20.07.2018

Allein auf weiter Flur

Wie gut sind die Mieter nach dem Verkauf der GBW-Wohnungen an einen privaten Investor geschützt?

Plötzlich war da ein Aushang an der Tür. Die GBW-Wohnanlage mit 24 Mieteinheiten in der Münchner Konradinstraße sollte modernisiert werden – und die Miete dadurch um bis zu drei Euro pro Quadratmeter steigen. Die Mieter, in heller Aufregung, wandten sich an den Stadtrat, an den Bundestag und auch an Günther Beckstein. Der ehemalige Ministerpräsident ist seit 2013 nach dem Verkauf der rund 33 000 GBW-Wohnungen an private Investoren als Ombudsmann Ansprechpartner für Mieterbeschwerden. „Doch wir mussten feststellen: Wir waren allein auf weiter Flur“, sagt Maximilian Heisler, einer der betroffenen Mieter. „Eine Terminanfrage hat Beckstein nicht einmal beantwortet“, erklärt er. Dabei brachte die angekündigte Sanierung einen Teil der Bewohner in große Not. „Etwa 30 Prozent hätten ausziehen müssen“, betont Heisler.

Heisler ist nicht nur betroffener Mieter, sondern auch Gründer des Bündnisses bezahlbares Wohnen, ein Zusammenschluss von über 32 Münchner Mietergemeinschaften und Stadtteilvereinen. Als solcher war er diese Woche im Finanzausschuss im Landtag eingeladen – zu der Anhörung „Mieterschutz in Bayern“. Wobei es dort aber vor allem um die Frage ging, wie sich die Situation von GBW-Mietern fünf Jahre nach dem Verkauf der Wohnungsgesellschaft aus dem Besitz der bayerischen Landesbank darstellt. Immerhin sollte eine Sozialcharta die Mieter der Wohnungen, die heute der Patrizia AG gehören, schützen. Heislers harsches Urteil: „Die Sozialcharta greift überhaupt nicht.“

Ein großes Manko der Charta: Die in ihr vereinbarte maximale Mieterhöhung von 15 Prozent bezieht sich auf einen bayernweiten Durchschnittswert, nicht auf einzelne Mieter. „Das macht die Regelung komplett zunichte“, sagt Gunther Geiler, Chef des Deutschen Mieterbunds in Nürnberg, in der Anhörung. Steigen die Mieten in strukturschwachen Gebieten wie Unterfranken beispielsweise nicht, können sie anderswo umso stärker erhöht werden. Höhere Mieten nach Modernisierungen lässt die Sozialcharta ohnehin zu, sogar Luxussanierungen sind erlaubt, seit am 24. Mai 2018 ein Teil der Charta ausgelaufen ist.

„Steilpass“ für Mietplus

Ja, man werde künftig in dem ein oder anderen Haus eine Videosprechanlage einbauen, erklärt GBW-Chef Claus Lehner. „Aber wir modernisieren niemanden aus der Wohnung hinaus.“ Man habe gelernt, mit den Mietern besser zu kommunizieren. „Auch darüber, was sie sich noch leisten können und was nicht.“ Und mit jährlich 2,32 Prozent Mieterhöhung im Schnitt liege man auch nur 0,4 Prozent über der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Gewofag. Allerdings: Die hat ausschließlich Immobilien im teuren München, während sich Lehners Zahl auf das gesamte GBW-Portifolio bezieht und damit auch auf Wohnungen in Gegenden mit niedrigen Mieten.

Von Preissteigerungen in ungeahnte Höhen und einer signifikanten Zunahme des Beratungsdrucks von GBW-Mietern berichtet der Nürnberger Mieterschützer Geiler. Fälle von vier Mieterhöhungen zwischen 2014 und 2018 –  um 3,8 Prozent pro Jahr – seien ihm bekannt. Teilweise kosteten Wohnungen 40 Prozent mehr als vor dem GBW-Verkauf vor fünf Jahren. Das könne sich nicht jeder leisten. Wenn keiner „rausmodernisiert“ werde, liege das auch schlicht daran, dass es angesichts des angespannten Marktes praktisch unmöglich sei, eine günstigere Alternative zu finden. „Die Leute können deshalb nicht rausgedrängt werden, sie müssen aber ihren Gürtel enger schnallen.“

CSU-Mann Ernst Weidenbusch hält das für Einzelfälle, auch die Sozialcharta verteidigt er. Schließlich schütze sie über 60-Jährige und Schwerbehinderte vor der Kündigung. Dass auch die Medien immer wieder Einzelfälle herausgriffen, geht auch GBW-Chef Lehner gegen den Strich. Nach dem Motto: „Erna Müller zahlt fünf Euro zu viel. Die GBW ist ein Scheißladen“, klagt er.

Das Fazit der CSU heißt denn auch: „GBW-Mieter sind gut geschützt!“ Kurioserweise erreicht die entsprechende Pressemitteilung von Finanzausschuss-Chef Peter Winter die Anhörungsteilnehmer, noch während die ersten Experten die oft schwierige Situation der GBW-Mieter schildern. Die Opposition glaubt ohnehin nicht an Einzelfälle. Harald Güller (SPD), Vize des Finanzausschusses im Landtag, hält die Sozialcharta „für das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben steht“. So seien es wieder Mietervereine und Mietrechtsaktivisten, die den entscheidenden Beitrag leisten, um die Situation der Betroffenen zu verbessern, ergänzt Peter Bauer (Freie Wähler).

Tatsächlich war es allein dem Engagement von Heisler und seinen Mitstreitern zu verdanken, dass am Ende alle Mieter der Konradinstraße auch nach der Sanierung in ihren Wohnungen bleiben konnten. Nach acht Monaten Verhandlung kam ihnen die GBW entgegen. Auf einige Baumaßnahmen wurde verzichtet, und soziale Härtefälle wurden berücksichtigt. Heisler spricht von einem „passablen Ergebnis für alle“. Ein Ergebnis, das sich die Mieter ohne jegliche Unterstützung hart erkämpfen mussten, wie er auch betont.

Heislers Vorwurf richtet sich vor allem an die Staatsregierung, die „ohne Not“ Wohnungen verkauft habe, von denen sie wusste, dass sie nach Sanierung schreien, so Heisler. So habe sie einen „Steilpass“ geliefert für Mieterhöhungen. Ohne Not? Das zu klären, ist aktuell die Aufgabe eines Untersuchungsausschusses im Landtag. Die Zeichen, dass der Freistaat nicht hätte verkaufen müssen, verdichten sich gerade.
(Angelika Kahl)

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