Politik

Die Europawahl schönsaufen? SPD-Fahnen im Bierzelt auf der Truderinger Festwoche. (Foto: Matthias Balk/dpa)

28.05.2019

Am Boden

Die SPD in Bayern rutscht von Wahl zu Wahl weiter ab - auch jetzt wieder. Was bedeutet das für die so wichtige Kommunalwahl 2020?

"Das tut schon weh", sagt Franz Maget. Der ehemalige SPD-Fraktionschef und zweimalige Landtags-Spitzenkandidat steht, als Besucher, in einem Bierzelt in München-Trudering und soll die Europawahl-Pleite seiner Partei kommentieren, im Bund und in Bayern. Nur noch 9,3 Prozent im Freistaat, eine historische Schmach. Maget gab einst nach Ergebnissen von 18,6 Prozent im Land und 16,8 Prozent bei der Bundestagswahl 2009 sein Amt ab - lang, lang ist's her. Heute würde die Bayern-SPD von solchen Wahlergebnissen träumen.

Doch die Genossen sind leidgeprüft. Und geübt in Durchhalteparolen, auch nach immer neuen Tiefschlägen. "Nach der Wahl ist vor der Wahl - wir verstecken uns nicht", ruft Markus Rinderspacher ins Bierzelt in Trudering - er hatte Maget einst als Fraktionschef im Landtag beerbt, hat das Amt aber inzwischen selbst wieder abgegeben. Nun versucht er, seiner Partei Mut zu machen, bevor der Hauptredner kommen soll, der ehemalige SPD-Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel. Und auch Stadtrat Helmut Schmid mahnt: "Nie aufgeben, nie in unserer Geschichte und auch in Zukunft nicht. Wir fangen erst an, wenn's schwierig wird."

Und schwierig ist gar kein Ausdruck. Führende Genossen bemühen andere Wörter, die mit "sch" beginnen, wenn man sie nach der aktuellen Lage fragt. Tatsächlich liegt die SPD im Freistaat inzwischen am Boden.

Der Minus-Rekord: Straubing-Bogen mit 4,4 Prozent

15,3 Prozent hatte die SPD noch bei der Bundestagswahl 2017 geholt, heute muss man fast sagen: immerhin. Bei der Landtagswahl ein Jahr später waren es nur noch 9,7 Prozent - zuvor Oppositionsführer, war die SPD fortan nur noch fünftstärkste Kraft im Landtag. Heute steht sie an Position vier - aber nur, weil zwei AfD-Abgeordnete aus ihrer Fraktion ausgetreten sind. Und nun, bei der Europawahl am Sonntag, ging es für die SPD sogar noch weiter in den Keller - eben auf 9,3 Prozent. "Ein echt hartes Ergebnis", konstatierte Landeschefin Natascha Kohnen noch am Wahlabend. Fakt ist: Die Grünen haben den Sozialdemokraten auch in Bayern inzwischen den Rang abgelaufen.

Der Blick auf die Bayern-Karte ist für die Genossen mehr als schmerzlich: In weiten Teilen Oberbayerns, Niederbayerns und Schwabens haben sie am Sonntag nicht einmal 8 Prozent geschafft. Der Minus-Rekord: Straubing-Bogen mit 4,4 Prozent. Etwas besser sieht es in Franken und der Oberpfalz aus. 15,4 Prozent im Kreis Wunsiedel sind allerdings schon der bayernweit beste SPD-Wert überhaupt.

Hinzu kommt die Schwäche in den einstigen Hochburgen, etwa in den größten Städten München und Nürnberg - da liegt die SPD jeweils nur noch auf Rang drei. Und verheerend auch das Bild bei Erstwählern: Da rangierte die SPD am Sonntag nach Zahlen von Infratest dimap nur noch auf der sechsten Position - davor landeten nicht nur die Grünen, CSU, FDP und Freie Wähler, sondern auch die Satirepartei Die Partei.

Nürnberger OB-Sessel in Gefahr

Zusätzlich brisant ist all das, weil in nicht einmal einem Jahr die Kommunalwahl ansteht. Tausende Posten in Kommunalparlamenten sind dann zu vergeben, viele Bürgermeister- und Oberbürgermeister-Posten - es ist eine entscheidende Wahl, wenn es um die Verankerung der Parteien in der Fläche geht. Zur Erinnerung: Bei der Kommunalwahl 2014 landete die SPD bei der Wahl der Stadträte in den kreisfreien Städten und der Wahl der Kreistage zusammengenommen bei 20,7 Prozent. Das scheint - gemessen an den jüngsten Wahlen - außer Reichweite.

Hinzu kommt, dass - weil Oberbürgermeister Ulrich Maly aufhört - der Nürnberger OB-Sessel für die SPD in Gefahr ist. Dieter Reiter in München dagegen kann nach Umfragezahlen aus dem Frühjahr mit knapp 60 Prozent der Stimmen rechnen, könnte damit seinen Posten verteidigen. Die Mehrheitsverhältnisse im Stadtrat sind allerdings völlig offen.

In der SPD hoffen sie nun darauf, dass die Kommunalwahl - wie sonst üblich - eigenen Gesetzen folgt, dass Personen wichtiger sind als die Parteizugehörigkeit. Dass kleinere Parteien nicht so viele Stimmen bekommen wie bei bayern- und bundesweiten Wahlen. Und dass man auch gegenüber den Grünen wieder aufholt, die eben bislang längst noch nicht so stark in Kommunalparlamenten verankert sind wie die SPD.

Gabriel: Die Partei kämpft um ihre Existenz

"Wir wissen, wie schwierig die Lage ist, auch von der Bundesebene her. Aber wir gehen sehr entschlossen in den Kommunalwahlkampf", sagt Kohnen und betont: "Das ist ganz klar eine Persönlichkeitswahl." Deshalb werde man sehr deutlich herausarbeiten, dass SPD-Kommunalpolitiker vor Ort eine sehr gute Arbeit machten.

Andererseits gibt es auch viele Forderungen, dass die SPD endlich sichtbarer und inhaltlich erkennbarer werden müsse, und zwar im Bund wie auch in Bayern. "Wir kommen fast nicht vor", klagt ein Genosse.

Und personell? Kohnen will weitermachen, will keine Personaldebatte. Tatsächlich war sie ja erst im Januar, also nach dem Debakel bei der Landtagswahl 2018, in ihrem Amt bestätigt worden - mit 79,3 Prozent.

Sigmar Gabriel findet im Bierzelt in München-Trudering deutliche Worte. "Die SPD ist in einer ganz, ganz schwierigen Situation", sagt er, die Partei kämpfe um ihre Existenz. Andererseits müht auch er sich, den Genossen Mut zu machen. "Die deutsche Sozialdemokratie hat Schlimmeres überstanden als eine Wahlniederlage", ruft er - und verabschiedet sich am Ende mit der Ansage: "Wir kommen wieder."
(Christoph Trost, dpa)

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