Politik

Der CSU-Europapolitiker Markus Ferber meint, dass seine Parteiführung in Europafragen gelegentlich unglücklich agiert.

03.02.2012

"Auch Deutschland könnte Sparkommissare brauchen"

Markus Ferber, Chef der CSU-Europagruppe, über Abstimmungsprobleme seiner Partei in Europafragen, die Zukunft Griechenlands und die Debatte um Wiedereinführung der D-Mark

BSZ: Herr Ferber, zeitgleich mit dem EU-Gipfeltreffen in Brüssel hat Ihre Partei einen Europakongress in München veranstaltet. Wäre es nicht sinnvoll gewesen, die CSU-Linie vor dem Brüsseler Gipfel festzulegen?
Ferber: Doch. Das ist etwas unglücklich gelaufen, aber dafür kann ich nichts. Eingeladen zum CSU-Kongress hat die CSU-Landesleitung. Natürlich ist es das Interesse der CSU-Europagruppe, dass bayerische Positionen in Brüssel Eingang finden. BSZ: Die Landesleitung hielt es auch für eine gute Idee, den Europa-Kritiker Peter Gauweiler zu der Veranstaltung einzuladen – der dann aber abgesagt hat. War die Gauweiler-Einladung in Ihrem Sinn?
Ferber:  Ich wurde über die Einladung Peter Gauweilers und über seine kurzfristige Absage nur informiert. Die Auswahl der Gäste für den Kongress haben der Parteivorsitzende Seehofer und Generalsekretär Dobrindt vorgenommen. Ich persönlich meine, es hätte der ganzen Diskussion nicht geschadet, wenn man den Vater des Euro und CSU-Ehrenvorsitzenden Theo Waigel dazugebeten hätte. BSZ: Wofür steht Ihre Partei derzeit in Sachen Europa?
Ferber: Die CSU steht für ein handlungsfähiges Europa, in dem möglichst wenig zentral und möglichst viel dezentral vor Ort entschieden wird. BSZ: Mit Blick auf Griechenland hat es sich aber als nicht sehr segensreich erwiesen, ein Land einfach mal so machen zu lassen.
Ferber: Wenn es um Finanzpolitik geht, sind wir jetzt sicherlich an einem Punkt, darüber zu entscheiden, wie Spielregeln von den einzelnen Mitgliedsländern besser eingehalten werden können. Es sind auf europäischer Ebene mehr Zuständigkeiten bei der Fiskalpolitik nötig. Die EU ist da bereits aktiv geworden: So dürfen die Mitgliedsstaaten bereits jetzt ihre Verschuldungsquoten nicht mehr selbst an die EU-Gremien melden. Das übernimmt inzwischen das statistische Amt der EU, Euro-Stat. Dann kann keiner mehr schummeln – so wie das die Griechen jahrelang gemacht haben. BSZ: Ihr Generalsekretär Dobrindt denkt laut darüber nach, Griechenland aus der Euro-Zone zu werfen. Gute Idee?
Ferber: Nein! Das wäre für den deutschen Steuerzahler ziemlich teuer: Wenn Griechenland pleite wäre, müssten wir einen Rettungsschirm für die deutschen Banken- und Versicherungen aufspannen, bei denen Griechenland in der Kreide steht. Wir müssten über den Internationalen Währungsfonds neue Garantien abgeben und die Sanierung der griechischen Finanzen über EU-Hilfen sicherstellen. Zudem bestünde ein nicht beherrschbares Risiko, ob und wenn ja welche Auswirkungen ein Rauswurf der Griechen auf die Euro-Zone hätte. Weil dann ja auch der Druck auf andere Haushaltssünder wie Irland oder Portugal zunähme. Im Übrigen meine ich: Um die Situation in Griechenland beurteilen zu können, ist es dringend notwendig, sich die Verhältnisse vor Ort mal anzuschauen. So wie das der Internationale Währungsfonds, die EU-Vertreter oder die Europäische Zentralbank tun. Ich selbst bin regelmäßig vor Ort.

"Ein Schuldenschnitt für Griechenland wäre das Beste"

BSZ: Wie soll es weitergehen mit Griechenland?
Ferber: Ich halte einen Schuldenschnitt für unerlässlich. Die privaten Gläubiger müssen einen Beitrag dazu leisten, dass das Land wieder auf die Beine kommt. Ich hoffe auf eine schnelle Einigung zwischen dem Land und den Banken. BSZ: In Berlin wurde angeblich darüber nachgedacht, einen Sparkommissar nach Griechenland zu entsenden. Fänden Sie das gut?
Ferber: Nein. Das würden wir Deutsche auch nicht wollen. Unser Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Haushaltspolitik zu den staatlichen Kernkompetenzen zählt. Wenn wir einen Sparkommissar nach Athen schickten, müssten wir auch einen in hochverschuldete deutsche Länder entsenden. BSZ: Gibt’s eine andere Möglichkeit, die griechischen Finanzen extern zu kontrollieren? Offenbar kriegt es das Land alleine nicht hin.
Ferber: Die externe Kontrolle wurde doch bereits verstärkt: Seit Januar 2012 müssen die Mitgliedsstaaten der EU ihre jeweiligen Haushaltspläne der Brüsseler EU-Kommission vorlegen. Wenn Währungskommissar Olli Rehn sie nicht genehmigt, dann dürfen die Staaten sie auch nicht verabschieden.

Das Prinip der deutschen Schuldenbremse wurde europäisiert

BSZ: Was wird die im Rahmen des EU-Fiskalpakts geplante Schuldenbremse bringen?
Ferber: Damit wurde das Prinzip der deutschen Schuldenbremse europäisiert. Alle Mitgliedsstaaten außer Großbritannien und Tschechien haben sich verpflichtet, die Schuldenbremse einzuhalten. So darf das strukturelle Defizit künftig die Grenze von 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht überschreiten. Zudem sollen verpflichtende Schuldenbremsen in nationalem Recht verankert werden. Am 1. März soll das in Brüssel unterzeichnet werden, die Mitgliedsstaaten ratifizieren das dann voraussichtlich noch in diesem Jahr. BSZ: Und wenn sich ein Staat nicht dran hält?
Ferber: Dann hat dieser Staat keinen Anspruch auf Mittel aus einem Rettungsschirm und muss selber mit seinen Finanzproblemen klarkommen. BSZ: Warum hat man eigentlich 2000 nicht genauer hingeschaut, als es darum ging, Griechenland in die Euro-Zone aufzunehmen? Es war doch bekannt, dass das Land getürkte Schuldendaten nach Brüssel meldet.
Ferber: Ja, das war bekannt. Aber Rot-Grün hat es halt für eine gute Idee gehalten. Die CSU-Europagruppe hat damals unter meinem Vorsitz dagegengestimmt. BSZ: Der Linde-Vorstand Wolfgang Reitzle hat kürzlich über einen Austritt Deutschlands aus der Euro-Zone nachgedacht. Was meinen Sie?
Ferber: Das ist das Dümmste, was ich je gehört habe. Wir hätten dann eine Währung, die härter ist, als es die D-Mark je war. Mit der Folge, dass der Export zum Erliegen käme und wir einen massiven Anstieg der Arbeitslosen hätten.
(Interview: Waltraud Taschner)

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