Erst kauften sie die Pläne der Magnetschwebebahn Transrapid und bauten den Zug im eigenen Land, dann stiegen sie beim Augsburger Roboterhersteller Kuka in Augsburg ein, um sich dessen Know-how zu sichern. Und jetzt wollen sie sich auch noch an Stromübertragungsnetzbetreibern beteiligen. Chinesische Investoren – vor allem Staatsfonds – suchen sich in Deutschland gezielt Unternehmen für Anteilskäufe heraus, von denen sie ökonomisch wie technologisch profitieren können. So auch die 50Hertz Transmission GmbH aus Berlin. Diese betreibt im Osten Deutschlands einschließlich der Bundeshauptstadt und der Hansestadt Hamburg ein Höchstspannungsstromnetz. Grundsätzlich gelten deutsche Stromnetze als attraktive Investments, da die Renditen durch die Bundesnetzagentur staatlich reguliert sind und deshalb als sichere Einkommensquelle gelten. Bei 50Hertz versucht der chinesische Stromnetzbetreiber State Grid Corporation of China (SGCC) aus Peking derzeit erneut, sich einen 20-Prozent-Anteil zu sichern. Bereits Ende März hatte SGCC bei 50Hertz einsteigen wollen. Doch daraus wurde nichts. Der belgische Stromnetzbetreiber Elia, der schon jetzt 60 Prozent an der 50Hertz-Muttergesellschaft Eurogrid International SCRL kontrolliert, hatte via Vorkaufsrecht weitere 20 Prozent erworben.
Gesetzeslücken schließen
Was im Frühjahr misslang, könnte jetzt aber dank einer weiteren zum Verkauf stehenden 20-Prozent-Tranche von 50Hertz für SGCC erfolgreich verlaufen. Der Grund für das Interesse der Chinesen: Auch China möchte die erneuerbaren Energien ausbauen und muss hierfür seine Stromnetze umrüsten und erweitern. Da ist deutsches Know-how willkommen. Gerade von 50Hertz könnten die Chinesen viel lernen. Denn rund die Hälfte des verbrauchten Stroms im Netzgebiet von 50Hertz stammt bereits aus erneuerbaren Quellen – etwa Windenergie. China strebt bis 2025 die technologische Führerschaft – auch bei Energietechnik – auf dem Weltmarkt an. Dann rüsten nicht mehr europäische Hersteller Kraftwerke und Netze in Deutschland und Europa aus, sondern chinesische. Ein Milliardengeschäft für deutsche Unternehmen wäre perdu. So bereits geschehen bei der Fertigung von Solarmodulen. Unternehmen aus dem Reich der Mitte konnten aufgrund der Massen an Modulen, die sie fertigen, die Preise auf dem Weltmarkt derart drücken, dass viele europäische Hersteller aufgeben mussten. Bayerns Wirtschaftsminister Franz Pschierer (CSU) will den Siegeszug aus Fernost deshalb stoppen. „Wir müssen uns schützen dürfen vor einem strategisch motivierten Aufkauf von Schlüsseltechnologien oder kritischen Infrastrukturen wie etwa der Energieinfrastruktur durch staatlich gelenkte Konzerne, die mit nicht marktkonformen Mitteln agieren“, sagt Pschierer der Staatszeitung.
25-Prozent-Hürde
Derzeit liegt die Grenze für ausländische Beteiligungen an kritischer Infrastruktur bei 25 Prozent. Will zum Beispiel ein chinesisches Unternehmen mehr als 25 Prozent eines bayerischen erwerben, muss das Bundeswirtschaftsministerium zustimmen. „Wir wollen, dass dieser Prozentsatz für Betreiber kritischer Infrastrukturen auf Null gesenkt wird“, so Pschierer. Denn dann könnten ausländische Beteiligungen – unabhängig von der Höhe – immer geprüft werden. Ein weiterer Kritikpunkt: Investoren aus Drittstaaten könnten nicht die notwendigen Mittel aufbringen, um die Infrastruktur zu erhalten beziehungsweise zu erweitern. Im Zuge der Energiewende wäre das kontraproduktiv. Allein die Lechwerke AG (LEW) aus Augsburg hat in den vergangenen zehn Jahren rund 700 Millionen Euro in das Stromverteilnetz ihrer Versorgungsregion Bayerisch-Schwaben investiert. In den nächsten Jahren sollen es noch einmal 260 Millionen Euro sein. Auch die N-ERGIE AG aus Nürnberg sorgt über ihre Tochter, die Main-Donau Netzgesellschaft, mit umfangreichen und beständigen Investitionen für beste Versorgungsqualität in ihrem Netzgebiet. 2017 investierte die N-ERGIE 117 Millionen Euro in den Unterhalt, Ersatz und Ausbau der Strom- und Erdgasnetze.
Bayerische Netze unter holländischer Kontrolle
Detlef Fischer, Geschäftsführer des Verbandes der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW), mag in ausländischen Investoren dennoch kein Problem sehen: „Im Strombereich sind die bayerischen Übertragungsnetze seit vielen Jahren weitgehend unter holländischer Kontrolle. Bei der Stromerzeugung aus Wasserkraft reden die Österreicher und bei der aus Gaskraftwerken wohl bald auch die Finnen ein gewichtiges Wort mit. Die Russen betreiben in Bayern Erdgastankstellen, Nordamerikaner hochleistungsfähige Ladepunkte für Elektroautos. Je stärker die Nationen untereinander wirtschaftlich vernetzt sind, desto geringer ist die Gefahr kriegerischer Auseinandersetzungen.“ Laut Fischer gibt es derzeit keine nennenswerten Beteiligungen chinesischer Investoren an bayerischen Energieunternehmen. Ein Blick auf die Aktionärsstruktur des Energieriesen E.ON aus Essen, zu dem auch Bayerns größter Energieversorger, das Bayernwerk, gehört, zeigt, dass lediglich fünf Prozent Beteiligungen die Bezeichnung „restliche Welt“ tragen. Dahinter könnte also auch ein chinesischer Investor stecken. Wie leicht es ist, sich mit ein paar Tricks am deutschen Markt einzukaufen, zeigte im Februar der überraschende Einstieg des chinesischen Automobilproduzenten Geely bei Daimler. Für rund 7,2 Milliarden Euro erwarb Geely mittels Finanztricks so viele Aktien, dass es nun einen Anteil von knapp zehn Prozent an Daimler besitzt. Deutschland braucht bessere Gesetze, um derlei zu verhindern. Zu den Gesetzeslücken, die geschlossen werden müssen, zählt, dass befreundete Banken eingesetzt werden können, um Unternehmensanteile zu erwerben. Für sie gelten weniger strenge Meldepflichten. Außerdem können sich Kreditinstitute am Anleihemarkt unbegrenzt eindecken. Das CDU-geführte Bundeswirtschaftsministerium sollte sich zügig an die Arbeit machen, um weitere böse Überraschungen für deutsche Unternehmen zu verhindern. (Ralph Schweinfurth )
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