Politik

Familienministerin Kristina Schröder (CDU) ist unter die Schriftsteller gegangen. (Foto: DAPD)

04.05.2012

Aus der Zeit gefallener Murks

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder und ihr Plauderbuch – ein überflüssiger Versuch der Feminismus-Kritik

Eines muss man Bundesfamilienministerin Kristina Schröder und ihrer Co-Autorin Caroline Waldeck lassen: Sie kennen jene Publikationen, die vor allem Journalistinnen im vergangenen Jahrzehnt zum Feminismus veröffentlicht haben: Von Bascha Mika über Thea Dorn bis Eva Hermann reichen die im Literaturverzeichnis angegebenen Namen. Viele stehen für pseudomodernes Geschnatter über die Segnungen respektive Verheerungen der Emanzipation. Indes: Statistisches Material und die wissenschaftliche Sicht sparen sie oft aus. Schlimmer ist, dass in diesen Nabelschauen der Alltag der durchschnittlichen Frau ignoriert, und stattdessen Latte-Macchiato-Mütter und Alphamädchen zu Ikonen der neuen Frauenbewegung zurechtphantasiert werden.
In diese Kategorie haben sich nun auch Schröder und Waldeck mit Danke, emanzipiert sind wir selber! eingereiht. Gut möglich, dass sie demnächst in dem Neuling anderer selbsternannter Alphamädchen zitiert werden. Mit deren Diktion kann das Gespann jedenfalls mithalten: „Und wenn die Stillzeit um ist, wer soll dann den Möhrenpastinakenbrei kochen: Vater, Mutter oder Claus Hipp?“
Mit diesem Satz von Seite 13 ist leider schon die stärkste Pointe des Buchs verraten. Der Rest sind in eine seltsame Mischung aus Aufmüpfigkeit und Resignation gehüllte Allgemeinplätze über die Frau im Allgemeinen: „Verunsicherung und Überforderung prägen das weibliche Lebensgefühl, viele Frauen fühlen sich von allen Seiten einem hohen Perfektionsdruck ausgesetzt.“ Schuldige an diesem Empfinden benennt das Autoren-Duo natürlich auch: „Feministinnen und Strukturkonservative haben (…) eines gemeinsam: Sie erheben ein Rollenbild, das sie für sich selbst als vorzugswürdig erkannt haben, zum Rollenleitbild, das für alle gelten soll, und ziehen damit in den Kulturkampf um das richtige Frauenleben.“ Zwischen diesen beiden Polen gibt es anscheinend die Schröders und Waldecks: „(…)beide bekennende, voll berufstätige ,Rabenmütter’, die ihr Kind lieben und Familie für das Wichtigste im Leben halten; beide aber frei von der Absicht, aus der eigenen, privaten Auffassung von einem guten Leben politische Schlussfolgerungen für das ,richtige’ Leben zu ziehen.“

Frust, den sie im Amt erlebt, von der Seele geschrieben


Diese Selbstschilderung ist auch schon das Rezept der Autorinnen für ein erfülltes Frauendasein in der Postmoderne: Familiäre Entscheidungen sind ausschließlich privat. Frauen sollen das machen, was ihnen behagt: Die Kinder zuhause betreuen – oder nicht. Den Namen des Mannes annehmen – oder nicht. Arbeit plus Haushalt erledigen – oder nicht. Fast kein Wort verlieren die beiden indes darüber, dass systemische Gegebenheiten wie der Mangel an Kinderbetreuungsplätzen und zeitlich flexiblen, gerecht entlohnten Arbeitsplätzen ausschließen, dass Frauen, aber auch Männer autonom über ihr Leben bestimmen können. Arbeitslosigkeit und Altersarmut, von denen der weibliche Teil der Bevölkerung – insbesondere Alleinerziehende, Ältere und Alleinlebende – überdurchschnittlich betroffen ist, kommen allenfalls in Nebensätzen vor. Aber wozu sich damit aufhalten? Der demografische Wandel wird sowieso all das richten. Ergo wird resümiert: „Frauenpower also, wohin man sieht.“
Überhaupt gewinnt man den Eindruck, dass Schröder mit dem Buch einen eigenen Zweck verfolgt: sich den Frust, den sie in ihrem Amt erlebt, von der Seele zu schreiben. Nicht nur zitiert sie über Seiten Zeitungsartikel, in denen sie aus ihrer Sicht als Ministerin, Frau und Mutter verunglimpft wird. Sie veröffentlicht auch anonymisiert den Brief einer Bürgerin, die sie als Rabenmutter tituliert hat. Das ist narzisstisch, unsouverän und vor allem unaufrichtig: An anderer Stelle betont Schröder nämlich, kein Buch über Politik verfasst zu haben. Diese Absicht hindert sie nicht daran, ihr vor der Frauenunion gehaltenes Plädoyer für die Flexiquote wiederzugeben und aus Schriftstücken ihres Ministeriums zu zitieren.
Vor diesem Hintergrund muss man lachen, wenn man den Vorwurf liest, den ausgerechnet Schröder und Waldeck gegen andere Schriftstellerinnen erheben: „Die schlichten Wahrheiten (…) haben offenbar mehr mit dem jeweils eigenen Lebensmodell und Erfahrungshorizont zu tun als mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit, in der Bedürfnisse und Interessen von Frauen sehr unterschiedlich sind und sich je nach Lebenssituation immer wieder verändern.“
Vielleicht gibt es ja doch eine Person, die sich durch diese Publikation befriedigt fühlt: Alice Schwarzer. Die Frauenrechtlerin und ihre Werke – allen voran das programmatische Der kleine Unterschied und seine großen Folgen – werden oft erwähnt, angegriffen, aber auch bestätigt: ein Beleg dafür, dass Schwarzers Thesen nach wie vor bei allen einen Nerv treffen. Das aber, was Schröder und Waldeck fabriziert haben, ist nur eines: aus der Zeit gefallener Murks. Danke, aber den braucht kein Mensch! (Alexandra Kournioti)

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