Politik

02.06.2022

Aussetzen der Hartz-IV-Sanktionen – ist das eine sinnvolle Idee?

Sanktionen für Langzeitarbeitslose sind schwer umstritten. Die Koalition in Berlin hat sie nun praktisch gestrichen - ein erster Schritt hin zum geplanten Bürgergeld. Aus den Reihen der Opposition kommt scharfe Kritik. Zwei bayerische Bundestagsabgeordnete in unserem Pro und Contra - wer überzeugt Sie mehr?

JA

Tina Winklmann (Grüne), Mitglied des Sozialausschusses im Bundestag

Jedes Haus, jede Bahnschiene und auch jede Reform braucht nach einer gewissen Zeit eine Bestandsaufnahme; so auch die Grundsicherung für Arbeitssuchende, umgangssprachlich als „Hartz IV“ bezeichnet. Besonders seit 2019, als das Bundesverfassungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Sanktionen entschied, ist die Rechtslage unklar und es bedarf dringend einer Neuregelung. Mit der Aussetzung der Sanktionen wird nun eine kurzfristige, aber trotzdem rechtssichere Lösung geschaffen und die bestehende Übergangslösung beseitigt. Das Sanktionsmoratorium ist dabei der erste Schritt zum neuen Bürgergeld, welches die Ampel-Koalition derzeit erarbeitet. Dabei werden auch die Sanktionen auf neue Füße gestellt, denn die Einführung des Bürgergelds heißt nicht, dass es keine Sanktionen mehr geben wird.

Ich bin ehrlich: Wir als Grüne sehen die Sanktionen kritisch. Zum einen sind wir der Meinung, dass die Grundsicherung ein absolutes Existenzminimum darstellt und deshalb nicht gekürzt werden kann. Andererseits ist es uns wichtig, dass zwischen Arbeitssuchenden und dem Jobcenter Augenhöhe herrscht. Aus diesem Vertrauensverhältnis entsteht eine Basis für die Vermittlung in Arbeit, die die Menschen nachhaltig aus der Arbeitslosigkeit herausführen kann. Wir müssen wegkommen vom Vorurteil des „inaktiven Arbeitslosen“, der in der „sozialen Hängematte“ liegt – das ist realitätsfern. Die Motivation bei den meisten Arbeitssuchenden ist hoch. Schaffen wir die Regelungen, dass die Motivation nicht geschröpft wird, und begegnen wir ihnen nicht mit erhobenem Zeigefinger. Die kommende Regelung ist ein Kompromiss. In der Zeit des Moratoriums werden die bisherigen Sanktionen überprüft und auch die Erfahrung aus dieser Zeit mit einfließen, sodass wir am Ende ein rechtssicheres Bürgergeld haben.


NEIN

Silke Launert (CSU), Mitglied des Familienausschusses im Bundestag

Der Weg, den die Ampel beschreitet, führt in eine eindeutige Richtung: weg von dem Prinzip des Förderns und Forderns und hin zu einem bedingungslosen Grundeinkommen! Offensichtlich haben die Regierungsparteien vergessen, dass gerade das Prinzip des Förderns und Forderns die Langzeitarbeitslosigkeit massiv reduziert hat.

Fakt ist, dass sich 98,5 Prozent der Hartz-IV-Empfänger an die Regeln halten. Am Ende bedeutet die Aussetzung der Sanktionsmöglichkeiten nun aber nichts anderes, als dass eben derjenige, der fleißig ist beziehungsweise sich an die Regeln hält und mitwirkt, der Dumme ist! Zu keiner anderen Bewertung führt im Übrigen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Denn dieses hat die Abschaffung der Sanktionen ausdrücklich nicht gefordert, sondern nur bestimmte Vorgaben gemacht. Eine klare Haltung hat auch die Bundesagentur für Arbeit eingenommen, indem sie sich eindeutig für die Beibehaltung der Sanktionsmöglichkeiten ausgesprochen hat. Es leuchtet auch nicht im Geringsten ein, weshalb es falsch sein soll, für die Leistung, welche der Staat im Falle der Arbeitslosigkeit erbringt, eine Mitwirkung zu erwarten und diese dann auch einfordern zu dürfen.

Natürlich soll die Solidargemeinschaft denjenigen unterstützen, der seine Arbeitsstelle verliert. Genauso richtig und erforderlich ist es aber, im Gegenzug zu fordern, dass der oder die Betroffene alles unternimmt, um wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Für die allermeisten Sozialhilfebezieher ist dies eine Selbstverständlichkeit. Aber es gibt eben auch die anderen. Diese Realität zu ignorieren, ist naiv und lebensfremd! Gerade in Zeiten, in welchen ein immenser Arbeitskräftebedarf besteht, sind solche Regelungen zudem völlig kontraproduktiv. Hinzu kommt: Der Übergang zum Bürgergeld kostet den Steuerzahler allein in diesem Jahr knapp 450 Millionen Euro! Verantwortungsvolles Haushalten sieht definitiv anders aus!

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