Politik

27.11.2015

Baustelle Bachelor

Streit um den Bologna-Prozess: Die CSU ist mit der Hochschulreform zufrieden, die Wirtschaft weniger, die Opposition gar nicht

Im Jahr 2010 sollte er stehen: der europäische Hochschulraum. Kernziel war eine uneingeschränkte Mobilität der Studierenden und Wissenschaftler. Was Transparenz und Vergleichbarkeit der Abschlüsse voraussetzt. Vor 16 Jahren begann man mit der Unterzeichnung der Bologna-Erklärung deshalb in Deutschland mit der Einführung gestufter Abschlüsse: Bachelor und Master.

Die Unis und Fachhochschulen im Freistaat haben ihr System seither weitgehend umgestellt. Und tatsächlich entschließen sich heute mehr Studierende zu einem Auslandssemester als noch vor 15 Jahren. An der LMU München sind beispielsweise aktuell 1008 Studierende im Ausland (erfasst werden nur Teilnehmer von Austauschprogrammen wie Erasmus), 2000/2001 waren es gerade einmal 305. Allerdings: Auch die Zahl der Gesamtstudierenden stieg in diesem Zeitraum – von 42 000 auf 51 000. Vom politischen Traum, dass einmal die Hälfte der Studierenden Auslandserfahrung sammeln soll, ist man jedenfalls noch weit entfernt. Oliver Jörg (CSU), Vize-Chef des Bildungsausschusses im Landtag, zieht dennoch eine positive Bilanz. SPD-Hochschulpolitikerin Isabell Zacharias dagegen hält die Umsetzung der Reform für „größtenteils gescheitert“. Wie ihre Landtagskollegen Michael Piazolo (Freie Wähler) und Verena Osgyan (Grüne) benennt sie gleich mehrere Baustellen: Die Kompatibilität von Abschlüssen sei unzureichend, auch die Verkürzung der Studiendauer hemme die Mobilität, dazu komme eine hohe Abbrecherquote. Hauptprobleme in den Augen der Opposition: eine Unterfinanzierung der Hochschulen. Und ein viel zu starres System, was zeitliche Vorgaben und Studiendauer betrifft – ebenfalls mit ein Grund, warum Studierende den Schritt ins Ausland oft nicht wagen. Ausschusschef Piazolo kritisiert zudem, dass über alle Fachrichtungen einheitliche Abschlüsse „gestülpt“ worden seien. Mit spürbaren Folgen: „In manchen Fachrichtungen wollen 80 bis 90 Prozent der Bachelor-Absolventen den Master machen“, erklärt er. Ein Problem, denn Masterstudienplätze sind rar.

Nicht einmal die Hälfte der Betriebe ist mit den Bachelors zufrieden

Ein Ziel der Reform war es schließlich auch, jüngere Berufsanfänger zu produzieren. Doch wie gut der Bachelor sie tatsächlich auf den Arbeitsmarkt vorbereitet, daran scheiden sich die Geister. Unqualifiziert und unreif, so die viel gehörte Schelte, die auch bei den Studierenden ankommt. Laut einer Umfrage des deutschen Industrie- und Handelskammertages ist nicht einmal die Hälfte der Betriebe mit den Schnell-Studenten zufrieden. Eine „Diskreditierung“, die Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, nicht nachvollziehen kann. Er betont: „Bachelor-Absolventen haben keine Probleme auf dem Arbeitsmarkt.“ Auch die Lohnhöhe befinde sich auf einem hohen Level – maximal zehn Prozent unter dem von Masterabsolventen. Piazolo hat jetzt eine Interpellation mit über 150 Fragen im Landtag eingereicht – „mit dem Ziel, eine breite Debatte über die Hochschulpolitik anstoßen“. Und Osgyan wünscht sich statt der „Kleinteiligkeit der bisherigen Reform wieder eine großangelegte Vision“. Zumindest einer Debatte über das neue System scheint sich Kultusminister Ludwig Spaenle nicht verschließen zu wollen. Er betont: „Die Erfahrungen, die dabei gemacht werden, müssen im Interesse von Lehrenden und Studierenden immer neu bewertet werden.“ (Angelika Kahl)

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