Politik

21.05.2010

Bayern auf Diät

Ab 2011 muss Bayern wohl neue Schulden aufnehmen und daneben eisern sparen – vermutlich vor allem beim Personal

Der Zeitpunkt käme für Bayerns Regierung denkbar ungünstig: Ausgerechnet ab 2011 sollen im bisherigen Haushaltsmusterland Bayern wieder Kredite aufgenommen werden. In der Zeit werden im Freistaat die Weichen gestellt für die Landtagswahl 2013. Und da würden Seehofer & Co gerne mit guten Nachrichten aufwarten, die Abkehr vom ausgeglichenen Haushalt wäre nicht gerade eine Empfehlung für die Christsozialen. Denn auf ihre finanzpolitische Kompetenz war die CSU stets besonders stolz; 2006 legte Bayern als erstes Land einen Etat ohne Neuverschuldung vor. Peinlich für Bayern wäre die neuerliche Verschuldung auch deshalb, weil 2011 auf Bundesebene erstmals die Regelungen der so genannten Schuldenbremse greifen. Während also die Bundesregierung den Weg der Nullverschuldung beschritte, würde es ausgerechnet in Bayern andersherum laufen. Kein Wunder also, dass Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer genervt auf das Thema Neuverschuldung reagiert. Nachdem der CSU-Fraktionschef Georg Schmid jetzt vor Journalisten über die Möglichkeit neuer Schulden spekuliert hatte, vergatterte Seehofer die Abgeordneten zum „Maul halten“. Nichtsdestotrotz raunen CSU-Leute bereits seit Monaten, dass der ausgeglichene Haushalt ab 2011 passé sei. „Dass Bayern in die Neuverschuldung gehen muss, ist unstrittig“, sagt ein führender CSU-Abgeordneter. Aus dem Finanzministerium verlautet: „Es wird ohne neue Schulden nicht gehen.“ Der Koalitionspartner FDP ist an Seehofers Schweigegebot ohnehin nicht gebunden. Der FDP-Finanzexperte Karsten Klein erklärt: „Ich glaube nicht, dass wir ohne Neuverschuldung auskommen.“ Auf 8 Milliarden Euro beziffern Haushälter das strukturelle, also nicht von der Konjunktur abhängige Defizit der Haushaltsjahre 2011 bis 2013. Grundlage für die Aufstellung des Doppelhaushalts 2011/12 bildet die Steuerschätzung vom November 2010. Wegen leicht ansteigender Steuereinnahmen rechnen Finanzpolitiker hier zwar nicht mit bösen Überraschungen – aber eben auch nicht damit, dass es ohne Kredite gehen wird. Zusätzlich muss eisern gespart werden. Auf Geheiß von Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU) überlegen die Ministerien derzeit, wo sie den Rotstift ansetzen könnten. Die Spielräume sind begrenzt. Zum einen hat Edmund Stoiber bereits ab 2003 schmerzhafte Kürzungen in allen Bereichen vorgenommen. Zum anderen hat Horst Seehofer vor Kurzem klargestellt, dass die Bereiche Forschung, Bildung und Investitionen von Sparbeschlüssen ausgenommen sind – für Schulen sind sogar zusätzliche Anstrengungen vorgesehen: Im Koalitionsvertrag ist von 1000 neuen Lehrerplanstellen pro Jahr die Rede. 1000 Lehrer kosten laut Kultusministerium rund 50 Millionen Euro pro Jahr. Zum Entsetzen der Bildungspolitiker spekulierte vergangene Woche ausgerechnet Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) darüber, ob die Stellenmehrungen auch wirklich kommen. Die Aufregung war gewaltig, Spaenle sprach von Missverständnis. Zurück blieb allerdings der Eindruck, dass gemachte Zusagen der Koalition aus Kostengründen revidiert werden könnten. Schon räumen CSU-Leute, natürlich anonym, ein, dass man „erst mal schauen müsse, wie viele Lehrer wir tatsächlich brauchen“. Skepsis herrscht auch bezüglich der Rücknahme der 42-Stunden-Woche: Dass Beamte künftig zwei Stunden weniger arbeiten müssen, hatte Seehofer im Jahr 2009, kurz vor der Europawahl, versprochen. Gelten soll die Rücknahme ab 2012. Kosten: mindestens 200 Millionen Euro pro Jahr. In der Ministerialverwaltung argwöhnt man, das Projekt werde erst verschoben und nach der Landtagswahl 2013 gecancelt – aus Kostengründen. In jedem Fall teuer bleibt die Altlast Landesbank (LB): Für weitere mögliche Risiken der Bank bürgt der Freistaat mit 4,8 Milliarden Euro im regulären Haushalt. Im Moment geht man davon aus, dass 810 Millionen Euro davon 2011 fällig werden könnten. Hinzu kommen Zinszahlungen in Höhe von 350 Millionen Euro für die 10-Milliarden-Euro-Finanzspritze des Freistaats an die LB. Wo Seehofer tatsächlich sparen will, hat er bisher im Dunkeln gelassen. Einige CSU-Leute jedoch wurden bereits konkreter. In den Bereichen Landwirtschaft, Umwelt und innere Verwaltung „kann man viel Geld sparen“, meint ein Haushaltspolitiker. „Da kann man an einigen Stellen 30 Prozent Personal wegnehmen, ohne dass es einer merkt.“ Auch Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) sieht Sparpotenzial im Umweltbereich. So müsse man sich überlegen, ob es auch künftig finanzierbar sei, „Umgehungsstraßen nur deshalb zu verlegen, damit ein paar Fröschen das Leben erleichtert wird“. CSU-Fraktionsvize Karl Freller wiederum will mit Personalabbau im öffentlichen Dienst sparen – allerdings müsse zuvor eine „sorgfältige Aufgabenkritik“ erfolgen. Das sieht auch FDP-Fraktionschef Thomas Hacker so. Selbst Grünen-Haushälter Thomas Mütze hält Einsparungen im öffentlichen Dienst für möglich – „vorausgesetzt, es trifft auch mal die Häuptlinge in den Amtsstuben, und nicht immer nur die Indianer“, betont Mütze. Tatsächlich ist der Personalbereich der größte Brocken im Haushalt: Rund 41 Prozent beträgt die Personalkostenquote in Bayern – es ist die höchste aller Länder. Erste konkrete Sparvorschläge will die schwarz-gelbe Landesregierung am 26. Juni im Rahmen des Koalitionsausschusses besprechen. Ein konkreter Haushaltsentwurf soll nach der Steuerschätzung im November vorliegen. Zu spät, rügt SPD-Haushaltssprecher Volker Halbleib. Er verweist darauf, dass laut Haushaltsordnung in der ersten Landtagssitzung nach der Sommerpause ein Etatentwurf vorliegen soll. Das wäre heuer der 14. Oktober. Doch weder CSU noch FDP sind erpicht darauf, früher als nötig eine unpopuläre Kürzungsdebatte zu eröffnen. „Bei uns ist jetzt Harmonie angesagt“, erklärt ein CSU-Mann. Dazu passt die bei der jüngsten Fraktionssitzung verkündete Wohltat: Die Zuschüsse des Freistaats für den Bau von Feuerwehrhäusern steigen ab sofort an. So wird der Bau eines so genannten Feuerwehr-Vollturms jetzt mit 45 000 Euro bezuschusst, ein Halbturm mit 30 000 Euro. Bisher gab es dafür in beiden Fällen: nichts. (Waltraud Taschner)

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