Münchens OB und Bayerns Ministerpräsident, jeweils mit Gattin, beim Bierkrug-Schwenken – muss das sein? (Foto: dpa)
"Ein g’standener Politiker muss doch saufen können!" Diesen Spruch musste sich CSU-Mann Bernhard Seidenath schon öfter anhören. Denn der Vize-Chef des Gesundheitsausschusses im Landtag stößt regelmäßig auf blankes Unverständnis, wenn er ein Bier ablehnt. „Am Ende haben mich die Leute aber trotzdem gewählt“, sagt Seidenath und lacht. Tatsächlich aber dürfte es für viele Wähler eine überraschende Erfahrung gewesen sein, auf einen Abstinenzler im bayerischen Bierzelt-Wahlkampf zu treffen.
Noch überraschender allerdings ist, dass jetzt ausgerechnet die CSU dem Saufen den Kampf ansagen will. Die Partei, deren Politiker Cannabis als gefährliche Droge verteufeln, aber meist allzu gerne eine Maß Bier in die Kamera halten. Doch tatsächlich: Seidenath arbeitet gerade mit dem CSU-AK Gesundheit an einem Antrag, der die Staatsregierung auffordert, sich dafür einzusetzen, dass „Alkoholmissbrauch gesellschaftlich stärker missbilligt wird“. Er betont: „Alkoholabhängigkeit ist eine Volkskrankheit.“ Ebenfalls enthalten im Antrag, der in den nächsten Wochen in den Landtag eingebracht werden soll: Eine stärkere Verankerung des Themas Alkoholsucht in der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Hausärzten.
Mindestens 270 000 Menschen im Freistaat sind alkoholabhängig
Die Zahlen sind in der Tat erschreckend: Mindestens 74 000 Menschen sterben in Deutschland jährlich an den Folgen von Alkoholmissbrauch. Allein in Bayern gelten rund 270 000 Menschen als alkoholabhängig. Je geringer das Alter, umso höher die Rate der Betroffenen – an der Spitze liegen die 18- bis 24-Jährigen. Und erstaunlich: Laut Robert-Koch-Institut ist der Alkoholmissbrauch umso verbreiteter, je höher der soziale Status ist. Tatsächlich gibt es Firmen, die von einem Alkoholproblem berichten – gerade auf der Führungsetage.
„Noch immer gilt man als toller Hecht, wenn man viel trinken kann“, kritisiert Seidenath. Doch er betont auch: Die Dosis macht das Gift. Alkohol wie Cannabis per se verteufeln, das will auch er nicht. „Bayern ist ein Bierland, ein Weinland“, sagt er. Das gehöre einfach zum Freistaat dazu.
Genau diese Einstellung regt die Landtags-Opposition auf. „Warum sollte Bier deshalb weniger harmlos als Cannabis sein, nur weil es zum Kulturkreis gezählt wird“, ärgert sich der Grüne Ulli Leiner. Kathrin Sonnenholzner (SPD), Chefin des Gesundheitsausschusses, und der Mediziner Karl Vetter (FW) sehen das ähnlich. Letzterer sorgte kürzlich im Gesundheitsausschuss für große Erregung bei CSU-Politikern mit der Aussage, dass biertrinkende Politiker auf Volksfesten „kein Vorbild“ für junge Menschen seien. „Ich bin selbst kein Kind von Traurigkeit“, sagt Vetter. Seit zwei Jahren aber trinke er ausschließlich privat. „Muss ich denn als Ministerpräsident oder Oberbürgermeister zur besten Sendezeit auf der Wiesn den Maßkrug schwenken?“, fragt er. Sonnenholzner und Leiner möchten die Beantwortung der Frage jedem selbst überlassen. Aber sich volllaufen lassen oder das Trinkgelage auf Facebook posten – das gehe gar nicht.
Pauschal vor Bier und Wein warnen, wollen weder CSU noch Ministerin
Leiner fordert mehr Prävention an den Schulen. Die Aufklärung über Sucht sollte an ein bestimmtes Fach, etwa den Sozialkundeunterricht, angebunden werden. Im Kultusministerium sieht man indes keinen Handlungsbedarf. Das Thema Suchtprävention sei in den Lehrplänen bereits breit verankert, sagt eine Sprecherin. Über alle Jahrgangsstufen hinweg werde in den verschiedensten Fächern über Drogen gesprochen. Mit den jüngern Schülern vor allem über die legalen – Alkohol und Nikotin.
Auch das Gesundheitsministerium sieht sich gut aufgestellt – mit Präventionsprojekten wie „Hart am Limit – HaLT in Bayern“ zum Beispiel. Tatsächlich ging die Zahl der jugendlichen Koma-Trinker jüngst zurück. Eine Million Euro gibt der Freistaat insgesamt für Präventionsmaßnahmen gegen Alkoholmissbrauch aus. „Ein Skandal aber ist es, dass das Thema im Präventionsplan nicht vorkommt“, schimpft SPD-Frau Sonnenholzner. Den hatte Ministerin Melanie Huml vergangene Woche vorgestellt. Immerhin: Auch im CSU-Antrag will man hier eine Korrektur. Als Querschnittsthema komme das Thema Alkohol in allen Handlungsfeldern durchaus vor, kontert das Ministerium. Und für die CSU-Forderung, das Thema stärker in der Ärzteausbildung zu verankern, sei die Staatsregierung schlicht nicht zuständig. Das gehöre zum Kerngeschäft der Bayerischen Landesärztekammer.
Ziel der Missbrauchsprävention in Bayern sei es, verantwortlichen Umgang mit Alkohol zu fördern. Pauschal vor Bier und Weinkonsum zu warnen – das wolle man gar nicht, betont das Ministerium. Kein Wunder: Mehr als die Hälfte aller 1352 Brauereien Deutschlands haben ihren Sitz im Freistaat. (Angelika Kahl)
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