Politik

"Machen Sie's gut": Andrea Nahles, bisherige Vorsitzende der SPD, nach ihrem Rücktritt vom Parteivorsitz. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

03.06.2019

Bayern streitet über Fortsetzung der Berliner Groko

Nach dem Rücktritt von SPD-Fraktions- und Parteichefin Andrea Nahles ist vollkommen offen, wie und mit welchem Personal es mit der großen Koalition weitergeht. Bevor die Nachricht aus Berlin eintrifft, hat die Bayern-SPD schon einmal Pflöcke eingeschlagen

Nach der Pleite der Sozialdemokraten bei der Europawahl hat die Bayern-SPD die Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung sowie ein neues Klimaschutzgesetz zu Bedingungen für den Fortbestand der großen Koalition im Bund gemacht. Die Forderungen veröffentlichte der SPD-Landesvorstand allerdings bereits am Freitagabend, also nur rund 36 Stunden bevor am Sonntag der Rücktritt von SPD-Fraktions- und Parteichefin Andrea Nahles das politische Berlin erschütterte.

In dem auf der Facebook-Seite der SPD-Landesvorsitzenden Natascha Kohnen veröffentlichten Beschluss des Landesvorstandes heißt es: "Nur mit derartigen Beschlüssen erscheint es überhaupt noch möglich, im September über eine Fortführung der großen Koalition zu diskutieren." In dem Papier wird auch ein Vorziehen des Bundesparteitags auf September verlangt. Am Sonntag bekräftigte Kohnen, dass auch nach der veränderten Lage durch den Nahles-Rücktritt die Bayern-SPD an der Forderung nach einem vorgezogenen Parteitag festhalte. Dies sei nur "folgerichtig", sagte sie auf Twitter. Außerdem sagte sie, der Rückzug von Nahles verdiene Respekt.

CSU-Generalsekretär Markus Blume wies die Forderungen der Bayern-SPD klar zurück. "Was der SPD-Landesverband Bayern formuliert, kann kein Maßstab für erfolgreiches Regieren sein. Die bayerischen Genossen sind chronisch links und anhaltend erfolglos", sagte Blume. Die von Teilen der SPD geführten Enteignungsfantasien und Steuererhöhungsdebatten seien dagegen schuld am schlechten Ansehen der Bundesregierung, sagte Blume, ebenfalls vor Bekanntwerden des Nahles-Rücktritts.

Söder: Nahles trägt nicht die Hauptverantwortung für das Wahlergebnis

Der CSU-Vorsitzende Markus Söder appelierte an die Verantwortung der Sozialdemokraten. "Wir erwarten, dass die SPD dazu beiträgt, dass Deutschland eine stabile Regierung behält", sagte er am Sonntag. In diesen Zeiten brauche es Stabilität. Gleichzeitig äußerte der bayerische Ministerpräsident sein Bedauern: Nahles' Engagement verdiene Respekt. Und: "Sie trägt nicht die Hauptverantwortung für das Wahlergebnis der SPD." Die Partei müsse jetzt rasch ihre Personalentscheidungen treffen.

Am Montag forderte Söder dann die SPD auf, sich zu einer möglichen Fortsetzung der großen Koalition zu positionieren. "Die SPD muss am Ende auch klar machen, nicht nur, wie sie ihr Personal erneuert, sondern wie der grundlegende Kurs ist: "Ja", oder möglicherweise "Ja, aber" oder gar "Nein" zu einer großen Koalition auf Dauer, ist das klare Signal, das gesetzt werden muss", sagte Söder er. Die Deutschen würden sich auf absehbare Zeit Antworten darauf erwarten.

Der CSU-Chef betonte überdies, dass es für die SPD von der Union keinen Rabatt gebe. "Es wird jetzt keiner in der Union auf die Idee kommen, aufgrund der Situation der SPD jeden Tag nur entgegen zu kommen", machte Söder bei einem Treffen der Unionsfraktionschefs von Bund und Ländern in Weimar klar. Zugleich bekräftigte der bayerische Ministerpräsident, dass die Union ein Interesse an einer Fortsetzung der großen Koalition habe.

Bei der Europawahl am vergangenen Sonntag war die SPD bundesweit nach starken Verlusten bei 15,8 Prozent auf Rang drei gelandet, hinter Union und den Grünen. In Bayern erlebten die Genossen mit sogar nur 9,3 Prozent ebenfalls ein Debakel. Zugleich verlor die SPD in Bremen erstmals seit Jahrzehnten die Mehrheit an die CDU.

In dem Beschluss des Vorstandes der Bayern-SPD heißt es, bis zur Sommerpause müssten zentrale Gesetzesvorhaben der großen Koalition für sozialen und ökologischen Fortschritt umgesetzt werden. Dies seien die Grundrente in der von der SPD erarbeiteten Ausgestaltung und ein Klimaschutzgesetz. Die Union lehnt eine Grundrente ohne eine Prüfung der jeweiligen Bedürftigkeit der Empfänger bislang ab und verweist auf entsprechende Vereinbarungen im aktuellen Koalitionsvertrag sowie auf fehlende Gelder zur Finanzierung.

"Das Ergebnis der Europawahl offenbart, dass die große Koalition keine Mehrheit mehr hat", schreibt die Bayern-SPD. In dem Ergebnis komme eine große Ablehnung der aktuellen Regierungspolitik zum Ausdruck. Diese Regierungskonstellation liefere für zentrale Fragen der Zeit keine Antworten und handle nicht entschlossen. "Dafür trägt auch die SPD die Verantwortung."

Zusätzlich befeuert wird die Krise durch eine am Wochenende veröffentlichte Umfrage, die der SPD bundesweit nach ihrer historischen Wahlniederlage vom vergangenen Sonntag nicht nur einen weiteren Absturz um 5 Punkte auf 12 Prozent attestiert - ein historisches Tief. Zugleich landen im Forsa-Trendbarometer von RTL und n-tv die Grünen eine Woche nach ihrem Erfolg bei der Europawahl erstmals vor der Union. Sie gewinnen 9 Prozentpunkte hinzu und erreichen 27 Prozent.
(dpa)

"Machen Sie's gut"
Andrea Nahles ist am heutigen Montag offiziell als Vorsitzende der SPD zurückgetreten. Danach verließ sie die Vorstandssitzung im Berliner Willy-Brandt-Haus mit den Worten "Machen Sie's gut". Der Parteivorstand setzte seine Beratungen ohne Nahles fort.
Unter anderem soll diskutiert werden, ob der für Dezember geplante Parteitag mit Neuwahl des Vorstands und einer Halbzeitbilanz der großen Koalition vorgezogen wird. Bis zu diesem Parteitag soll die SPD kommissarisch von einem Trio geführt werden. Die engere Parteiführung schlug dafür die Ministerpräsidentinnen von Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz, Manuela Schwesig und Malu Dreyer, sowie den hessischen SPD-Chef Thorsten Schäfer-Gümbel vor, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Parteikreisen erfuhr.
(dpa)

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