Politik

01.08.2014

Betreuungsgeld: Es nervt langsam

Ein Kommentar von Waltraud Taschner

Was eigentlich ist so schwer daran, einfach mal auf die Argumente des politischen Gegners einzugehen, statt kritische Einwürfe bulldozergleich niederzuwalzen? Nichts anderes tut die CSU beim strittigen Thema Betreuungsgeld seit Jahren. Neuester Aufreger: die großangelegte Umfrage des Deutschen Jugendinstituts und der Universität Dortmund. Sie ergab, dass Eltern aus bildungsfernen Schichten und auch Migranten deutlich häufiger als andere Betreuungsgeld beantragen. Das ist deshalb ungünstig für die Kleinen, weil diese Eltern dem Nachwuchs nicht die gleiche (Sprach-)Förderung bieten können wie das Fachpersonal in einer Kita. Bedauerlich ist dabei: Ein beträchtlicher Teil der genannten Eltern sagt, der materielle Anreiz, also die monatlich jetzt 150 Euro, sei der Hauptgrund dafür, die heimische Betreuung einer öffentlichen Kindertagesstätte vorzuziehen.
Auch wenn die Wissenschaftler wegen eines Rechenfehlers zunächst drastischere Zahlen vorgelegt hatten: Die Tatsache, dass der Bildungsstatus der Eltern eng damit verknüpft ist, wie häufig Betreuungsgeld beantragt wird, bleibt ein trauriges Faktum. Das müsste auch die CSU einsehen, die – völlig zu Recht – ständig bessere Sprachkenntnisse gerade von Migranten fordert.
Dass die CSU gern so tut, als spräche man pauschal allen Eltern die Erziehungskompetenz ab, ist unredlich. Niemandem soll doch verboten werden, sein Kind selbst zu betreuen, keiner will die Kita-Pflicht. Schlichtweg lächerlich ist es, die hohe Nachfrage nach dem Betreuungsgeld regelmäßig als Erfolgsmeldung zu bejubeln. Dass finanzielle Wohltaten des Staates gern genommen werden, ist nicht verwunderlich und wird von der CSU im Übrigen auch sonst nicht belobigt.

Er schätze "lernfähige " Politiker, sagt Horst Seehofer - wirklich?


Schon immer ärgerlich sind im Übrigen die grundlegenden Mängel des Betreuungsgelds: dass das berufstätige Chefarztehepaar mit Privatkindermädchen Anspruch auf Betreuungsgeld hat – nicht aber die alleinerziehende Mutter, die ihr Kind in eine öffentliche Kita bringt, um arbeiten zu können. Oder dass der Staat in keinem anderen Bereich Geld dafür zahlt, dass öffentliche Angebote nicht in Anspruch genommen werden – was ist mit denen, die nicht in öffentlich subventionierte Theater gehen, nicht Bus fahren oder keine Autobahn nutzen?
Auch wenn Horst Seehofer seinen von der Opposition ersonnenen Schmähnamen Drehhofer hasst – seine Neigung, auch mal umzudenken betont der Ministerpräsident mit Vorliebe. Er sehe es gern, wenn Politiker „lernfähig“ seien, sagte er kürzlich. Falls das auch in der Causa Betreuungsgeld gilt, wäre es schön, wenn Seehofer seine Mannschaft ermuntert, einfach mal ein paar Fakten zur Kenntnis zu nehmen.

Kommentare (1)

  1. t-w-j am 07.08.2014
    Mich nervt viel mehr die gebetsmühlenartige Wiederholung der angeblich so wichtigen staatlichen Betreuung für Kleinstkinder (gab es früher nur im so bösen Ostblock).
    In der Berichterstattung wird der Eindruck erweckt, die Kinder können sich nur dann gut entwickeln, wenn sie praktisch aus dem Kindsbett in die Kita kommen. Natürlich brauche ich dann keine Familien mehr und beide Eltern können durchgehend zur Arbeit gehen. Soll das wirklich eine bessere Zukunft sein? Funktionieren wird das evtl. bei 1 - 2 Kindern, aber mehr? Schließlich ist dann nicht nur die Kinderbetreuung für einige Stunden ein Thema sondern auch die Führung eines großen Haushalts.
    Zu den "bildungsfernen" Bevölkerungsschichten würde ich gerne mal hören, wer das eigentlich ist. Zählen dazu alle Familien, die sich um ihre Kinder kümmern???-
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