Politik

Die Deutsche Bahn betreibt das gut 33 000 Kilometer lange Schienennetz in Deutschland und stellt dafür allen Anbietern Gebühren in Rechnung – auch den eigenen Nahverkehrs- und Fernzügen. (Foto: dpa)

19.08.2016

Billigflieger statt ICE

Die neugeregelte Finanzierung des Schienennetzes der Bahn könnte dazu führen, dass weniger Fernzüge fahren

Die Deutsche Bahn fürchtet im Fernverkehr mit ICE und Intercity um ihre Konkurrenzfähigkeit, wenn die Trassenpreise für die Streckennutzung weiter steigen. Es sei dann sogar möglich, dass Verbindungen gestrichen werden müssten, heißt es in einem internen Schreiben des Managements, das vor einiger Zeit öffentlich wurde.

Die Deutsche Bahn betreibt das gut 33 000 Kilometer lange Schienennetz in Deutschland und stellt dafür allen Anbietern Gebühren in Rechnung – auch den eigenen Nahverkehrs- und Fernzügen. Der Regionalverkehr wird von den Bundesländern bestellt, einen Großteil der Kosten übernimmt der Bund. Den Fernverkehr betreibt die Bahn in eigener Verantwortung.

Interne Bedenken bei der Bahn haben den Bundestag allerdings nicht davon abgehalten, jüngst ein Gesetz für mehr Wettbewerb bei der Eisenbahn zu verabschieden. Es sieht unter anderem vor, dass der Personenfernverkehr auf der Schiene bei künftigen Erhöhungen der Trassen- und Bahnhofsgebühren einen größeren Anteil zu tragen hat als der Regionalverkehr. Aus Sicht der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) wird das für den Fernverkehr zu einer Mehrbelastung von 2,3 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030 führen.

„Diese überschüssigen Kosten werden dann auf den von den Eisenbahnverkehrsunternehmen eigenwirtschaftlich betriebenen Fern- und Güterverkehr auf der Schiene umgelegt“, sagt Alois Frank, Sprecher des Landesverbands Bayern der EVG. Und dieser Fern- und Güterverkehr stehe in starker Konkurrenz zur Straße. „Der Fernbus zahlt keine Maut, und für den Lkw wurden die Mautgebühren gesenkt.“ Frank rechnet mit Marktanteilsverlusten bei der Bahn und daraus folgend mit Arbeitsplatzabbau.

Ähnlich sieht es Matthias Gastel, bahnpolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion: „Der gestiegene Verkehrsanteil des Lkw im Gütertransport und die stagnierenden Zahlen im Schienenpersonennahverkehr zeigen die hohe Preissensibilität des Systems Schiene. Daher brauchen wir eine deutliche Senkung der Trassenpreise, die es aber leider mit dem kürzlich verabschiedeten Eisenbahnregulierungsgesetz nicht geben wird.“ Laut Gastel habe dem Bundestag und dem Bundesrat bei diesem Thema „der Mut gefehlt“. Die auch künftig hohen Trassenpreise führten dazu, dass mit keinem nennenswerten Mehrverkehr auf der Schiene zu rechnen sei. Arbeitsplatzabbau drohe bei den Bahnunternehmen vor allem im Güterverkehr: „Hier scheint der Lkw den Wettbewerb zu gewinnen“, so Gastel.

Weniger kritisch sieht naturgemäß die Regierungskoalition das neue Gesetz. Ulrich Lange (CSU) aus dem Wahlkreis Donau-Ries, Bundestagsabgeordneter und Verkehrsauschussmitglied, sagt: „Wir sind für alle Entwicklungen gut aufgestellt.“ Mit dem neuen Eisenbahnregulierungsgesetz sei es gelungen, „der Befürchtung wirksam zu begegnen, das Kundenangebot im Schienenverkehr müsse kostenbedingt verringert werden“. Denn das neue Gesetz verhindere nun, dass die Trassenpreise schneller steigen könnten als die vom Bund für den Schienenpersonennahverkehr zur Verfügung gestellten Mittel.
Auch der Nürnberger Martin Burkert (SPD), Vorsitzender des Verkehrsauschusses im Deutschen Bundestag und Bahnbeauftragter seiner Fraktion, spricht von „vielen sinnvollen Regelungen für den Schienensektor“ im neuen Gesetz. Richtig sei aber, dass dem Fernverkehr auf der Schiene künftig zusätzliche Belastungen drohten. „Bereits 2018 könnte eine Zusatzbelastung von bis zu 25 Millionen Euro entstehen, 2019 könnten es bereits 50 Millionen Euro sein.“

Zurück zur Staatsbahn? Das will die CSU keinesfalls

Burkert sieht nun die Deutsche Bahn unter Zugzwang: „Den Aussagen der Bahn, dass mögliche Mehrbelastungen nicht auf Kosten der Beschäftigten gehen werden, müssen nun auf jeden Fall Taten folgen.“ Burkert fordert außerdem vergleichbare Wettbewerbsverhältnisse in Europa: „Die Tatsache, dass in Deutschland Wettbewerb auf der Schiene reguliert wird, in Frankreich aber noch kein Wettbewerb möglich ist, zeigt, dass auf europäischer Seite noch viele Hausaufgaben gemacht werden müssen.“

Die verkehrspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag widerspricht: „Das Vorhaben des Gesetzes zeigt letztlich, dass der angebliche ,Wettbewerb’ im Bahnbereich nicht so funktioniert wie mit der Bahnreform von 1993/94 erhofft und versprochen“, sagt Sabine Leidig. Jetzt versuche die Bundesregierung, mit einer wieder sehr komplexen Regulierung der Probleme Herr zu werden. Heraus komme aber nur „Flickschusterei“, das eigentliche Problem sei die „grundlegend verfehlte Struktur des Eisenbahnsektors in Deutschland. Man solle sich stattdessen an der Schweiz orientieren, wo die Eisenbahn von der Gewinnorientierung befreit sei und klaren Vorlagen unterliege, welche Leistungen sie in welchem Kostenrahmen zu erbringen habe.

Solchen Forderungen erteilt Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) eine klare Absage: „Eine Staatsbahn wie in alten Zeiten wollen wir nicht.“ Ein Ausgleich von Einnahmeausfällen wäre nichts anderes als eine Subventionierung des Fernverkehrs durch den Bund, die mit ihm nicht zu machen sei. Dobrindt geht davon aus, dass die Einnahmen von DB Netz durch den insgesamt steigenden Bahnverkehr wachsen, das sei rechnerisch nachgewiesen.

Wenn indes die Gewinne der ohnehin schon unter Druck stehenden Fernverkehrssparte der Bahn weiter schwinden und am Ende anstelle einer Angebotsoffensive als Antwort auf Fernbusse und Billigflieger Abstriche am Angebot gemacht werden müssen: Dann wären die Leidtragenden die Fahrgäste. (Jan Dermietzel)

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