Politik

Trotz des Gesundheitstrends lieben die meisten Kantinenesser in Bayern Currywurst. (Foto: dpa)

16.01.2015

Bio? Ja bitte, aber billig soll's sein

Die Bayern werden immer dicker – wie die Kantinen der Behörden im Freistaat gegensteuern wollen

Im Januar geht es in der Kantine des Landwirtschaftsministeriums etwas anders zu als im Rest des Jahres. Das Salatbüfett erfreut sich größerer Beliebtheit, genauso die leichte und vegetarische Kost. „Man merkt in dieser Zeit noch die guten Vorsätze, die sich die Gäste vorgenommen haben“, sagt Sandra Benke, Prokuristin des Betreibers VC Vollwertkost. Einen Monat später jedoch ist dann schon alles beim Alten. Steht Currywurst auf dem Speiseplan, sind die Schlangen davor so lang wie eh und je.
Dabei gäbe es genug Grund, sich über die Ernährung Gedanken zu machen. Die Bayern werden immer dicker. 2013 waren laut Statistischem Bundesamt 50,8 Prozent der über 18-Jährigen übergewichtig, 2003 waren es noch 48,5 Prozent. Kein Wunder also, dass Gesundheitsministerin Melanie Huml regelmäßig die Wichtigkeit von gesundem Essen betont. Und gerade die Ernährung am Arbeitsplatz hat eine besondere Bedeutung. Immerhin isst jeder Fünfte täglich in einer der bundesweit 14 000 Kantinen, Mensen und Betriebsrestaurants.

In vielen Kantinen wird gar nicht mehr gekocht

Doch wie ist es um die Auswahl in den Kantinen bayerischer Behörden  bestellt? Gibt es überhaupt mehr als Pizza und Pasta? Im Bayerischen Landtag kann man täglich zwischen drei frisch gekochten Menüs entscheiden, eines davon ist vegetarisch. „Wir legen sehr viel Wert auf frische, vollwertige Küche“, sagt Pächterin Eva-Maria Mühlegg. Was die Zutaten angeht, versucht sie möglichst regionale Produkte einzusetzen. Auch Bio kommt regelmäßig auf den Tisch, aber nicht zwingend. Zurzeit ist Diätwoche. Die komme sehr gut an, sagt Mühlegg. Aber durchgehend nur leichte Kost anzubieten, könne sie sich nicht vorstellen. „Viele Mitarbeiter mögen’s deftig, und das sollen sie auch bekommen.“
„Die Nachfrage nach ausgewogener Kost ist gut, aber nicht überwältigend“, sagt auch Benke von der Kantine des Landwirtschaftsministeriums. Die bietet täglich ein nährstoffoptimiertes sogenanntes Job&Fit-Gericht an. Job&Fit ist eine Initiative der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), um das Essen in Betriebsküchen vollwertiger und gesünder zu gestalten. Bei allen Gerichten sind die Nährwerte angegeben, der Gast weiß also auch, wie viele Kalorien er zu sich nimmt. „Von unseren täglich 600 bis 700 Gästen entscheidet sich etwa ein Drittel für Job&Fit oder das vegetarische Gericht“, erlärt Benke. Der Rest bleibt beim Bewährten. Und das sind nach einer aktuellen Studie die Klassiker Schnitzel, Currywurst mit Pommes und Spaghetti Bolognese. „Natürlich haben wir auch diese Klassiker auf dem Speiseplan“, sagt Benke. „Wir müssen unseren Gästen ja auch das anbieten, was sie haben wollen.“
Im Landwirtschaftsministerium kommt mindestens zwei Mal in der Woche Bio auf den Tisch, auch das Fleisch hat zum Teil Bioqualität. „Wir würden gerne den Bio-Anteil erhöhen“, sagt Benke, „aber das ist eine Frage der Kosten. Die Leute würden zwar gerne mehr Bio essen, aber das darf dann bitte nicht teurer sein.“ Mindestens ein Drittel, müsste sie für Bio auf die Essenspreise draufschlagen.
Zwischen drei und fünf Euro kostet das Essen in Kantinen im Schnitt – mehr würden die Kunden nicht zahlen, heißt es von Betreibern unisono. Viele Kantinen sind öffentlich zugänglich und verdienen auch an Tagesgästen. So auch die Kantine im Landwirtschaftsministerium. „Sind wir zu teuer“, betont Benke, „wandern die Tagesgäste zu einer günstigeren Kantine ab. Qualität hin oder her.“
Um eines müssen sich Mühlegger und Benke immerhin keine Sorgen machen: Ihre Kantinen haben einen guten Ruf. Das trifft auf viele andere  nicht zu – vor allem, weil viele nur noch mit sogenannten Convenience-Produkten arbeiten. Aufwärmen, Fertigsoße drüber, fertig. „Die Herausforderung“, sagt Holger Pfefferle von der DGE, „besteht darin, dass auch kleine und mittelständische Unternehmen eine zeitgemäße Verpflegung realisieren können. Aber auch in großen Unternehmen gelingt es nur, wenn Essen und Trinken Teil der Firmenphilosophie ist.“ Seit 2008 gibt es die Job&Fit-Initiative, entsprechend zertifiziert sind bundesweit jedoch nur 200 Kantinen, 30 davon in Bayern.

Schnitzel bleibt beliebt

Aber es hat sich im Bereich der Betriebsverpflegung auch einiges getan. Bei vielen Kantinen ist ein vegetarisches Gericht heute Standard. Und Studien bestätigen, dass gerade bei der jüngeren Generation der Trend zur etwas leichteren Kost geht. Was jedoch nicht heißt, dass sie der Currywurst nichts mehr abgewinnen könnten. „Currywurst, Schnitzel und Pasta sind bei uns die beliebtesten Gerichte“, sagt Doreen Steudte, stellvertretende Geschäftsführerin des Studentenwerks Niederbayern und Oberpfalz. 10 000 Gerichte täglich fallen in ihren Zuständigkeitsbereich, 5000 davon allein in der Mensa der Universität Regensburg. „Wir bemerken, dass sich unsere Studenten bewusster ernähren“, sagt Steudte, „zum Beispiel ist der Fleischkonsum insgesamt zurückgegangen.“ Auch die Nachfrage nach Bio-Produkten und nachhaltigen Erzeugnissen aus der Region sei gewachsen. „Wir versuchen, dieser Nachfrage gerecht zu werden, finden aber nicht immer Lieferanten in der Region, die uns mit den entsprechenden Mengen beliefern können.“ Und natürlich ist da auch wieder die Kostenfrage. „Priorität ist, dass sich jeder unserer Studenten das Essen leisten kann“, sagt Staudte.
Die Kostenfrage ist auch eine Frage, die sich Alfons Schneider, seit 2007 Pächter der Kantine im Münchner Rathaus, stellt. Nur, dass er sie anders beantwortet. Bei Schneider können Gerichte auch über zehn Euro kosten. „Gesund und Köstlich“ hat Schneider seine Kantine genannt. „Gesund“ steht dabei bewusst an erster Stelle. „Ich verstehe das als meinen Beitrag zu einer ausgewogenen Ernährung“, sagt Schneider. „Und dazu gehören frische regionale Produkte, Fleisch von Tieren aus Freilandhaltung und Bio-Säfte.“ Selbst der Kaffee ist fair gehandelt. Ein Jahr, sagt Schneider, habe er gebraucht, um seine Gäste an den Gedanken zu gewöhnen, dass bestimmte Qualität ihren Preis haben muss. „Aber seitdem läuft’s“, sagt er. Durchschnittlich 650 Essen verkauft er täglich. Dass sein Konzept ohne Weiteres auf andere Kantinen übertragbar ist, glaubt er allerdings nicht. „Es kommt sehr auf die Klientel an“, sagt er. „Aber so lange es so viele Menschen gibt, die vor allem billig essen wollen, tut sich jeder schwer, der mehr Qualität anbieten will.“ (Beatrice Oßberger)

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