Politik

07.01.2021

Braucht es eine Studie zu strukturellem Rassismus bei der Polizei?

Die Grünen fordern eine Rassismus-Studie innerhalb der Polizei. Die Gewerkschaft der Polizei Bayern lehnt sie ab. Ein Pro und Contra mit Katharina Schulze und Peter Pytlik:

JA

Katharina Schulze, Vorsitzende der Fraktion der Grünen im Landtag

Wissenschaftliche Erkenntnisse helfen, die Debatte über Rassismus in der Polizei zu versachlichen und endlich eine faktenbasierte Diskussion über Maßnahmen zu ermöglichen, von der alle Seiten profitieren. In einem Rechtsstaat sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, nüchtern und sachlich über Herausforderungen und strukturelle Mängel zu sprechen und gemeinsam Maßnahmen zur Verbesserung zu diskutieren.

Die große Mehrheit der Beschäftigten in Polizei und Verfassungsschutz vertritt demokratische Werte, steht hinter unserer Verfassung und sorgt tagtäglich für unsere Freiheit und Sicherheit. Laut einer Studie von report München genießt die Polizei ein hohes Ansehen in der Bevölkerung. Gleichzeitig sehen 31 Prozent ein großes bis sehr großes Problem mit Rassismus bei der Polizei. Diese Zahl bedrückt nicht nur uns Grüne, sondern auch viele Polizist*innen. Immer wieder gibt es Berichte über rechtsextreme Netzwerke oder Chat-Gruppen in Sicherheits- und Landespolizeibehörden. Der aktuelle Lagebericht des Bundesamts für Verfassungsschutz „Rechtsextremisten in den Sicherheitsbehörden“ zeigt 31 Verdachtsfälle aus Bayern. Das ist ein Schlag ins Gesicht für alle Mitarbeitenden, die jeden Tag die freiheitlich-demokratische Grundordnung beschützen, beschädigt staatliche Institutionen und erschüttert das Vertrauen der Bürger*innen in ihre Sicherheitsbehörden.

Wir brauchen eine von unabhängigen Forscher*innen konzipierte und durchgeführte Dunkelfeldstudie zu strukturellem Rassismus und Racial Profiling in der bayerischen Polizei. Diese muss sowohl die Perspektiven der Polizei als auch die Perspektive der Betroffenen einbeziehen. Auf dieser Grundlage sollen Vorschläge für (präventive) Gegenmaßnahmen erarbeitet werden.

Die CSU leistet der Polizei einen Bärendienst, wenn sie eine Erhebung zu diesem Thema verhindern will. So wird die Polizei zum Opfer erklärt, statt ihr die Möglichkeit zu geben, selbstbewusst in einen Evaluationsprozess einzutreten.

NEIN

Peter Pytlik, Vorsitzender der Polizeigewerkschaft Bayern GdP

Die Position der Gewerkschaft der Polizei Bayern (GdP) zu einer Polizeistudie ist ganz klar: Eine Studie, die alleine die Polizei betrifft, lehnen wir ab! Wir als bayerische Polizeigewerkschaft fordern eine gesamtgesellschaftliche Studie in allen Bereichen, die auch die Polizei mit einschließt. Was wir aber nicht brauchen, ist eine tendenziöse Studie, die schon im Titel ein Problem unterstellt, wie es Bündnis 90/Die Grünen fordert.

Wir als GdP haben ein Positionspapier auf Bundesebene erstellt, das den Regierungsparteien bereits vorliegt. In der Studie geht es um viele wichtige Fragen wie zum Beispiel „Wie ist die Arbeitsbelastung?“, „Wie sind die Arbeitsbedingungen?“, „Wie erleben die Kolleginnen und Kollegen ihren täglichen Dienst?“, „Welchen Einfluss hat der Alltagsrassismus?“, „Fühlen sich unsere Kolleginnen und Kollegen alleine gelassen in der täglichen Arbeit der Kriminalitätsbekämpfung?“, oder auch „Wie wirkt sich das Agieren rechts- und linkspopulistischer Organisationen und Parteien, die ja auch in den Parlamenten sitzen, auf die Kolleginnen und Kollegen aus?“, um nur einige Punkte zu erwähnen.

Für uns als GdP ist wichtig und maßgeblich, dass eine intensive Auseinandersetzung mit der Belastung des Polizeiberufs im Zentrum einer solchen Untersuchung steht. Die GdP ist nach wie vor zutiefst davon überzeugt, dass es keinen latenten, strukturellen oder institutionellen Rassismus in der Polizei gibt, und vertritt dies auch weiter in der Öffentlichkeit mit ihrer klaren Position.

Wenn es aber um rechte Hetze und mangelnde Distanz zu rassistischen und menschenverachtenden Äußerungen geht, darf selbstverständlich gerade die Polizei kein Spiegelbild von Strömungen innerhalb der Gesellschaft sein. Deshalb fordern wir auch ganz klar und deutlich, dass die in der Öffentlichkeit bekannt gewordenen Fälle mit aller Konsequenz aufgearbeitet und verfolgt werden müssen. Jeder Fall ist einer zu viel!

Kommentare (6)

  1. Brigitte Blumschein am 11.01.2021
    Zum Schutz aller anständigen Polizisten und zum Schutz der Demokratie brauchen wir eine solche Studie. Polizisten müssen hinter der demokratischen Grundordnung stehen. Wer die Demokratie nicht respektiert, hat im Staatsdienst nichts verloren. Wer sie respektiert, hat von der Studie nichts zu befürchten.
  2. Demokratischer Widerstand am 11.01.2021
    Generell hat sexuelle Diskriminierung, Rassismus, völkischer Faschismus, Nationalismus, Links- und Rechtsradikalismus, religiöser Radikalismus im öffentlichen Dienst - u. a. auch bei der Polizei - keinen Platz. Die Beamten, Angestellten, Arbeiter haben einen Diensteid bzw. ein Gelöbnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung geleistet. Wer sich nicht daran hält muss unnachgiebig zur Rechenschaft gezogen werden - ohne Ausnahme/n - ggf. mit Entlassung!. Wenn man für eine Studie für die Polizei votiert, dann bitte auch für den öD gesamt - warum nur Teilbereiche beleuchten. Ach ja, warum überprüfen wir dann nicht die Privatwirtschaft auf Rassismus, etc., liegt da nicht das größte Problem unserer Gesellschaft. Man muss aufpassen, dass die von mir genannten Begriffe nicht zu häufig gebraucht werden, dann nutzen sich diese ab! Gesunder Menschenverstand wäre doch heute wichtiger als die ständige Hypothese und Theorie von Sachverhalten, die sich so nicht verhalten! Vielleicht liegt es an den Anachronisten, die gerne die Polizei in das "rechte Eck" schieben möchten! Auch das wäre fatal - wenn sich herausstellt, dass es nicht stimmt. Übrigens im öD - auch bei de Polizei - gibt es viele Beamte/Beschäftigte mit Migrationshintergrund, anderer Hautfarbe, anderer Religionszugehörigkeit (also kein Katholik), anderer sexueller Präferenzen (gemeint sind die verfassungsrechtlich/gesetzlich zugelassenen sexuellen Präferenzen), gendergerechte Personenbezeichnungen - was ich sehr gute befinde, da wir in einer freiheitlich-demokratischen Rechtsordnung leben, die u. a. auch für Polizisten gilt!
  3. Nein am 11.01.2021
    Nein, es braucht ja auch keine Untersuchung über strukturelle Dummheit in der Politik.
  4. Frederic am 10.01.2021
    Kleine Korrektur: Der letzte Satzanfang sollte natürlich lauten: "Vor welchem Ergebnis..."
  5. Frederic am 10.01.2021
    Herr Pytlik ist als Vorsitzender der GdP Bayern genauso wie Herr Seehofer und viele Andere "nach wie vor zutiefst davon überzeugt, dass es keinen latenten, strukturellen oder institutionellen Rassismus in der Polizei gibt". Woher will er das denn wissen? Und warum ist er dann gegen eine Studie, die seine Überzeugung belegen (oder auch widerlegen) könnte?
    Möglicherweise nachweisbarer Rassismus in der Polizei ist noch problematischer als in der Zivilbevölkerung, wegen der notwendigen Neutralität und der Repräsentation staatlicher Macht durch die Polizei. Deshalb ist eine entsprechende Studie auch noch wichtiger als in der Gesamtbevölkerung. Die Fragen, die Herr Pytlik oben gestellt hat, könnte man doch zusammen mit Fragen nach rassistischen Einstellungen und nach Erfahrungen als Opfer von Rassismus stellen. Es gibt immer mehr Polizist*innen mit Migrationshintergrund oder diversem Erscheinungsbild, die selber im Dienst oder privat Opfer von Rassismus werden.
    Interessant ist dieser Widerspruch:
    1. "... es [gibt] keinen latenten, strukturellen oder institutionellen Rassismus in der Polizei ..."
    2. "Deshalb fordern wir auch ganz klar und deutlich, dass die in der Öffentlichkeit bekannt gewordenen Fälle mit aller Konsequenz aufgearbeitet und verfolgt werden müssen."
    Etwas aufarbeiten und verfolgen, das es angeblich nicht gibt, von dem man aber auch nicht wissen will, ob es das gibt? Es gibt inzwischen deutschlandweit hunderte bis tausende "Einzelfälle", die nicht systematisch ans Tageslicht kommen, sondern u.a. weil einzelne mutige Kolleg*innen Vorfälle melden und sich dem Risiko aussetzen, als "Nestbeschmutzer*innen" oder "Kameradenschweine" beschimpft zu werden.
    Wo welchen Ergebnis einer Studie haben Sie Angst, Herr Pytlik, Herr Seehofer und alle Anderen, die so denken wie Sie?
  6. HeGe am 08.01.2021
    Wer Menschen im eigenen Freundes- und Bekanntenkreis hat, die selbst einen unmittelbaren Migrationshintergrund haben oder hier in Deutschland geboren sind, aber ihre Vorfahren kamen aus Weltgegenden, wo die Menschen deutlich erkennbar anders ausschauen als wir hellhäutige Mitteleuropa-Menschen, hört Erlebnis-Schilderung von Begegnungen mit Polizisten und (etwas seltener) auch mit Polizistinnen, die unsereins nie machen wird. Diesen feststellbaren Unterschied im dienstlichen Verhalten von so einigen Menschen in Polizeiuniformen ihren Mitmenschen gegenüber sollten wir Ehrlichkeits-halber als STRUKTURELLEN RASSISMUS - der quer durch unsere Gesamtgesellschaft geht - bezeichnen und dann müssen wir uns mit diesem Alltags-Problem auch dementsprechend ehrlich beschäftigen. Solch eine Studie könnte dann möglicherweise immerhin belegen, dass es bei der Polizei zumindest keinen INSTITUTIONELLEN RASSISMUS gibt und das wäre doch auch schon mal eine gute Nachricht.
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