Politik

Bei vielen Sozialwohnungen fällt die Mietpreisbindung weg – oft werden sie dann verkauft. (Foto: dpa)

10.08.2012

Das Ende des sozialen Wohnungsbaus?

In Bayern gibt es immer weniger geförderte Wohnungen. Das Debakel um die GBW-Wohnungen verschärft die Situation

Rund 70.000 Mieter in Bayern werden sich ihre Wohnung in zwei Jahren nicht mehr leisten können. Denn für so viele Sozialwohnungen fällt dann die Mietpreis- und Belegungsbindung weg. Die Eigentümer können die Mieten an den Marktpreis anpassen – also stark erhöhen. Viele Menschen, die bisher in den Sozialwohnungen gelebt haben, werden dann oft nicht nur ihre Wohnung verlassen müssen, sondern auch ihre Heimatstadt. Vor allem in München, Nürnberg und Augsburg trifft die Betroffenen der Wegfall der Mietpreisbindung hart. Denn dort ist bezahlbarer Wohnraum selbst für Normalverdiener schwer zu finden.
Nur wenige von den betroffenen Mietern werden 2014 in eine andere Sozialwohnung ziehen können. Denn davon gibt es immer weniger. Jährlich kommen bei Weitem nicht so viele hinzu wie wegfallen: Zwischen 2002 und 2010 sank der Bestand nach Angaben des Bundesbauministeriums im Freistaat von etwa 270.000 auf 160.000 Wohnungen. Deutschlandweit ging die Zahl der Sozialwohnungen im selben Zeitraum um ein Drittel auf 1,7 Millionen zurück. Und eine Trendwende ist nicht in Sicht.
Der Bund stellt den Ländern bis 2013 zwar jährlich 518 Millionen Euro für die soziale Wohnraumförderung zur Verfügung. In Bayern sind in diesem Jahr 205 Millionen Euro Haushaltsmittel zur Förderung von Wohnraum veranschlagt, rund 5000 Wohnungen und Heimplätze werden subventioniert. Über die Summe für den Zeitraum 2014 bis 2019 wird gerade verhandelt. Doch die Aussichten sind nicht gut: Seit Jahren verteilt die Bundesregierung weniger Mittel. Denn wurden Sozialmietwohnungen bis Anfang der siebziger Jahre in sehr großem Umfang  gefördert, um die Wohnungsnot nach dem Krieg zu bekämpfen, fällt dieses Motiv weg. Die Mietpreis- und Belegungsbindungen laufen mit der Tilgung der Förderdarlehen planmäßig aus.
Aber auch der hohe Bodenpreis ist ein Problem, das gilt besonders für den Freistaat. Selbst Immobiliengesellschaften, die sozialen Wohnungsbau fördern wollen, können es sich oft nicht leisten. Die derzeitige Förderung vom Land reicht in Städten wie München nicht aus, um Bau- und Grundstückskosten so weit zu senken, dass Mieten zu dem im sozialen Wohnungsbau vorgeschriebenen Preis möglich sind. „Wir brauchen deshalb ein ergänzendes Förderprogramm“, fordert Christine Kamm, wohnungspolitische Sprecherin der Grünen im Landtag. „Oder noch besser: eine klare Regelung, dass in jedem neu ausgewiesenen Baugebiet zwischen 20 und 30 Prozent für Sozialwohnungen vorgehalten werden müssen – unabhängig von der Förderung.“
Das Innenministerium will trotz allem an der Förderung von Sozialwohnungen festhalten. Ein Sprecher erklärt: „Aus unserer Sicht gibt es keine vernünftige Alternative.“ Kamm aber hat noch eine andere Idee. Sie schlägt vor, die Vergabe von öffentlichen Sanierungsmitteln an die Verpflichtung zu knüpfen, Sozialwohnungen zu bauen. Und weil teure Mieten nicht nur für  sozial Schwächere ein Problem sind, befürwortet sie auch bei allen öffentlich geförderten Baumaßnahmen feste Höchstmieten für bestimmte Einkommensgruppen.
Bayern hat aber auch noch mit einem ganz speziellen Problem zu kämpfen: Das größte bayerische Wohnungsbauunternehmen mit den meisten Sozialwohnungen, die GBW-Gruppe, steht vor dem Verkauf – und die Zukunft der geförderten Wohnungen ist ungewiss. Nach dem Debakel um die bayerische Landesbank, die 90 Prozent an der GBW-Gruppe hält, hatte die Europäische Kommission für ihre finanzielle Hilfe in Milliardenhöhe die Veräußerung der GBW-Gruppe und ein offenes Bieterverfahren vorgeschrieben. Der Staat hat also kein Vorkaufsrecht. Fallen die GBW-Wohnungen nun an Privatinvestoren, werden die Sozialwohnungen mit großer Wahrscheinlichkeit schnell abgeschafft. Um das zu verhindern, haben sich einige Kommunen mit GBW-Wohnungen zu einem Bieterkonsortium zusammengeschlossen. Doch fraglich ist, ob dieses gegen private Investoren eine Chance hätte.
Die GBW-Gruppe ist längst ein Politikum : Münchens OB Christian Ude (SPD) hat wiederholt die Staatsregierung aufgefordert, die GBW-Gruppe zu kaufen. Der Freistaat sei ja an der Landesbank-Misere schuld. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) erklärt jedoch vehement, Bayern werde die Gruppe nicht übernehmen.
Die Opposition im Landtag ist sich einig: „Zur Sicherung des sozialen Wohnungsmarktes sind die Wohnungen der GBW dringend erforderlich“, sagt etwa Peter Bauer, sozialpolitischer Sprecher der Freien Wähler. Wie Grünen-Politikerin Kamm befürchtet er: Wenn die Sozialwohnungen nicht in kommunale Hand oder in den Besitz des Freistaates kommen, ist der Erhalt des sozialen Standards für die Mieter auf Dauer nicht gesichert.
(Veronica Frenzel)

Kommentare (1)

  1. bayer am 16.08.2012
    Provokante Frage! Ist es so schlimm, wenn das Ende des sozialen Wohnungsbaues naht? Antwort: Es kommt darauf an! Der soziale Wohungsbau hat sich seit Anbeginn als Mangelverwaltung dargestellt. Zu hohen Produktionskosten wurden von staatlichen oder staatsnahen Einrichtungen gebaut und sicherten deren Forbestand. Die Wohnungsvergabe ist ein ineffizienter bürokratishcer Vorgang, der noch dazu seit Anbeginn der Einflussnahme von (Kommunal)Politikern ausgesetzt ist. Wer die besten Beziehungen hat, bekommt eine Wohnung. Zweifellos ist Wohnen ein kostbares Gut, das nicht grenzenlos einem entfesselten Kapitalismus überlassen werden darf. Andernfalls muss es aber auch im Haushaltsbudget eine entsprechende Wertigkeit zu anderen Gütern wie Auto und Reisen finden. Sind Mieter bereit, sich so zu verhalten und auch mit der Mietsache pfleglich umzugehen, haben Vermieter die Aussicht auf eine stabile Rendite, so werden Investitionen in den Wohnungsbau getätigt werden. Daran mangelte es in den vergangenen Jahren. Das Instrument der Werkswohnung wurde auch aus diesen Gründen aufgegeben. Kommunen könnten den Bau von Genossenschaftswohnungen fördern, was sie aber häufig unterlassen.
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