Politik

Dauerstreit Nationalpark. Horst Seehofer mit Daniel Wehner, Vorsitzender des Vereins "Unsere Rhön - gemeinsam stark" im Juli 2017. (Foto: Christiane Gläser/dpa)

16.04.2018

Das Ende von Seehofers Nationalparkträumen

Im Freistaat hat auch eine gut klingende Idee nicht automatisch Erfolg. Wer das kämpferische Wesen der Bajuwaren unterschätzt, hat schon verloren. Vom sich abzeichnenden Ende einer Nationalparksuche

Wenn es nach CSU-Chef Horst Seehofer gegangen wäre, hätte Bayern schon seit dem 31. Juli 2016 einen dritten Nationalpark. Als der damalige Ministerpräsident die überraschende Idee bei der Klausur seines Kabinetts durchsetzen wollte, stieß er aber auf ungewohnten Widerstand. "Eine so weitreichende Entscheidung darf nicht im kleinen Kreis durchgedrückt werden", sagten damals die Kritiker. Am Ende folgte ein Kompromiss, der für viel Ärger im Land sorgte und der am nächsten Mittwoch in der Regierungserklärung von Neu-Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sein Ende finden dürfte.

Final habe er sich noch nicht entschieden, sagt Söder dieser Tage gerne, wenn er auf das Thema angesprochen wird, aus seiner Skepsis macht er aber längst keinen Hehl mehr. Ihn störe der Protest. Auf den ersten Blick mag dies vielleicht überraschen, immerhin ist laut einer Umfrage eine große Mehrheit der Bayern (64 Prozent) für den dritten Nationalpark. Wer sich aber genauer mit dem Fall befasst, merkt schnell: Wegen der lokalen Proteste an allen zur Auswahl stehenden Orten wäre eine friedliche Lösung im Einklang niemals möglich.

Dabei hat es an potenziellen Kandidaten für den dritten Nationalpark im Freistaat, neben dem Bayerischen Wald und dem Alpennationalpark Berchtesgaden, nie gemangelt. Schon früh fielen die Namen Frankenwald, Spessart, Steigerwald und Rhön. Doch die ersten drei Gebiete fielen frühzeitig wieder aus der Planung - immer mit der Begründung, es solle keinen Nationalpark gegen den Willen der Bevölkerung geben. Und der Protest war tatsächlich in allen Regionen beträchtlich.

Keine Begeisterungen in den ins Spiel gebrachten Regionen

Sowohl im Spessart als auch im Steigerwald befürchteten die Gegner vor allem, dass die alten Holzrechte der Bürger im Staatswald in Gefahr sind. Sie wollten den Forst weiterhin wirtschaftlich nutzen und nicht Flora und Fauna sich selbst überlassen. Naturschutz sei nicht allein durch Stilllegung zu erreichen, schrieben Forstbetriebe des Spessarts etwa in einem offenen Brief an die Naturschutzverbände und warnten davor, dass die schützenswerten und uralten Eichenwälder dann durch die schneller wachsenden Buchen verdrängt würden.

Das Argument der sorgfältigen Pflege führten auch die Rhön-Kritiker ins Feld. "Schützen durch Nützen", heißt es beim Verein "Unsere Rhön - gemeinsam stark". Sie sind überzeugt davon, dass der Naturschutz in der Rhön durch den bestehenden Naturpark, das Biosphären-Reservat und weitere Schutzgebiete bereits "umfangreich und bestens gewährleistet" ist.

Der Landtagsabgeordnete Jürgen Baumgärtner (CSU) brachte schließlich noch den Frankenwald ins Spiel. Die Idee stieß zwar auf Wohlwollen bei Seehofer. In der Region brach jedoch keine Begeisterung aus. Viele Lokalpolitiker fühlten sich übergangen, Landwirte und Forstbesitzer fürchteten tiefe Einschnitte in ihre Bewirtschaftungsrechte. Selbst Umweltexperten hielten den Frankenwald für nicht wirklich geeignet.

Überall dasselbe Bild: Gegner sehen ihre Existenz gefährdet

Obwohl der Steigerwald von Anfang an von der Staatsregierung aus bei der Suche faktisch außen vor war, wurde auch hier jahrelang und heftig gestritten. Und das, obwohl Naturschützer diese Region sogar als Ideal-Lösung ansehen. Noch heute macht daraus etwa Ralf Straußberger vom Bund Naturschutz keinen Hehl: "Es sind große Staatswälder, die weitgehend von der Buche dominiert sind. Tolle Reservate mit Keimzeilen, die seit Jahren nicht bewirtschaftet sind." Zum Schutz der Buchenwälder sei gute Forstwirtschaft schlicht zu wenig.

In der Folge gesellten sich plötzlich auch die Donau-Auen zu den Kandidaten. Seehofer selbst betonte, dass es, anders als in Österreich, in Deutschland keinen Auen-Nationalpark gebe. Die Schutzzone sollte im nördlichen Oberbayern und einem kleinen Teil von Schwaben liegen. Da das Gebiet dort nicht die Mindestgröße von 10 000 Hektar für einen Nationalpark aufweist, müssten flussabwärts Abschnitte hinzugefügt werden. So sollen der Donaudurchbruch beim Kloster Weltenburg im Kreis Kelheim und Stücke der Isar als Zufluss integriert werden.

Doch auch hier formierten sich schnell die Gegner, Forstbesitzer sahen ihre Existenz gefährdet. "Ich hoffe, dass das Projekt beerdigt wird", sagte Stefan Wurst von der Holzvermarktungsgesellschaft der Waldbesitzervereinigung Nordschwaben kürzlich. Auch Freizeitsportler befürchten, dass ihr Hobby bedroht sein könnte. Der Kanu-Club Kelheim hat Bedenken, dass das Paddeln und Schwimmen eingeschränkt werden könnte. Die Kelheimer Schifffahrt glaubt, dass die "Weltenburger Enge" nur seltener mit Ausflugsdampfern befahren werden kann.

Während Umweltverbände und Naturschützer das Ende der Idee eines dritten Nationalparks bedauern werden, dürfte sich in der CSU der Verdruss im Rahmen halten. Viele Kritiker auch außerhalb der Fraktion sehen das Vorgehen als unheilbaren Geburtsfehler der doch gut klingenden Idee: Erst die Regionen festzulegen und dann in den Dialog mit den Bürgern zu gehen. Vielerorts war da das Kind schon in den Brunnen gefallen und meist ablehnende Meinungen hatten sich manifestiert.

Für die CSU - und allen voran für Söder - ist daher ein spätes Ende des Dauerstreits der derzeit einzige Ausweg. Denn in einem knappen halben Jahr ist Landtagswahl. Daher wird es Söders Absage aber wohl nicht ohne neue Zusagen geben.
(Christiane Gläser, Kathrin Zeilmann, Ulf Vogler, Marco Hadem, dpa)

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