Politik

Markus Söder am Tag nach der Wahl: "Das Duell heißt ab jetzt nicht mehr Schwarz gegen Rot, sondern eindeutig Schwarz gegen Grün." (Foto: Sina Schuldt/dpa)

27.05.2019

Demut des hauchdünnen Siegers

40,7 Prozent bei einer Wahl wären vor einigen Jahren in der CSU noch ein Grund für eine Krise gewesen. Doch die Zeiten ändern sich und fordern das neue und sanfte Selbstverständnis immer wieder heraus

Am Morgen nach der Europawahl sprudeln die Erkenntnisse aus Markus Söder geradezu heraus: Seine CSU habe nach drei Wahlen endlich die Trendumkehr erreicht, Manfred Weber müsse nun EU-Kommissionspräsident werden, die Europäische Volkspartei habe im Parlament den Führungsanspruch und die große Koalition im Bund leide primär unter dem "hin und her" der SPD. Doch der CSU-Chef sagt an diesem Montag noch vor Beginn der CSU-Vorstandssitzung noch mehr in die Kameras. Und diese Analysen lassen nicht nur für die CSU tief blicken, an ihnen muss sich Söder auch in Zukunft messen lassen.

Keine Frage, gemessen an den vergangenen Jahren kann die CSU die 40,7 Prozent als Erfolg verbuchen. Auch wenn sie damit nur hauchdünn über dem bislang schlechtesten Europawahlergebnis ihrer Geschichte landet, ist erstmals eine Trendumkehr zu spüren. 787 369 Stimmen konnten die Christsozialen im Freistaat dazugewinnen. Die Zahl gewinnt umso mehr an politischem Gewicht, wenn man sie mit dem Ergebnis der CDU vergleicht. Denn anders als die CSU muss die große Schwesterpartei mit minus 7,4 Prozent herbe Verluste verkraften.

Während solche Zahlen bei der CSU und bei Söder noch vor wenigen Jahren direkte Muskelspiele in Richtung Berlin nach sich gezogen hätten, schiebt der Parteichef nun direkt solchen Reflexen in seiner Partei einen Riegel vor. "Wir müssen die CDU jetzt unterstützen", sagt Söder im CSU-Vorstand nach Teilnehmerangaben. Er bittet alle in der Partei, jetzt auf Grundsatzdebatten oder gar neue Streitereien zu verzichten. "Unser Rückenwind soll nicht dazu führen, dass wir wieder in einen Belehrungsmodus verfallen", betont er auch vor der Presse.

Statt mit dem Finger auf AKK zu zeigen: viel Selbstkritik

Für seine CDU-Kollegin Annegret Kramp-Karrenbauer bezieht er demonstrativ und ohne danach gefragt worden zu sein Stellung: "Ich schätze sie sehr, und wir arbeiten sehr gut zusammen. Man sollte ihr jetzt die Zeit geben, ihre Arbeit fortzusetzen". In der CSU stößt er damit dem Vernehmen nach erst einmal auf keine Gegenwehr. Äußerten am Wahlabend einige Vorstände noch klare, vor neuem Selbstbewusstsein nur so strotzende Forderungen nach mehr CSU im Bund, bemüht sich die Partei am Montag um Demut. "Wir sind sehr interessiert, stabiler Pfeiler in der Regierung zu sein", sagt Söder.

Statt mit dem Finger auf die CDU oder AKK zu zeigen, gibt es in München tatsächlich auch viel Selbstkritik. Gründe dafür muss die CSU auch nicht lange suchen: Sowohl in den Großstädten als auch bei den Jungwählern verliert die Partei wie schon bei den Wahlen zum Bundestag und zum Landtag in der Wählergunst - und meist an die Grünen. "Das Duell heißt ab jetzt nicht mehr Schwarz gegen Rot sondern eindeutig Schwarz gegen Grün", sagt Söder. Dass 31 Prozent der Jungwähler ihr Kreuz bei den Grünen gemacht hätten, aber nur 15 bei der CSU "darf uns in keinem Fall kalt lassen". Die CSU müsse nun durchstarten und dürfe sich nicht zurücklehnen. Es sei zentrale Aufgabe, da besser zu werden, jünger, cooler und auch digitaler.

Söder: Kernproblem der GroKo ist die SPD

Und noch eine Botschaft will Söder unbedingt loswerden. Kernproblem der großen Koalition sei nicht die CDU, sondern die SPD. Die Partei müsse nun endlich klären, wie sie zur Koalition mit der Union stehe und was sie wolle. Es könne nicht darum gehen, die große Koalition mit einem ewigen "hin und her" nur über die Zeit zu retten. "Die Bürger wollen auch, dass nicht einfach so weiter gemacht werden kann", ist sich Söder sicher. Zudem sei der von Teilen der SPD angestrebte "Linksruck" wie durch die Enteignungsdebatte oder Steuererhöhungen klar abgestraft worden. "Die Wähler akzeptieren das nicht. Die Wähler setzen auf eine neue Bürgerlichkeit."

An die Adresse von CDU und SPD im Bund appelliert Söder aber dennoch mit einem klaren Wunsch: Das Ansehen der Bundesregierung müsse sich nun endlich steigern, dann werde sich auch das der beteiligten Parteien steigern. Dies könne nur durch verlässliche und lösungsorientierte Politik gelingen. Als Beleg liefert Söder die Wahlergebnisse der Regierungsparteien in Bayern. Wie die CSU konnten auch die Freien Wählern 142 138 neue Stimmen verzeichnen. Damit wären in Berlin derzeit tatsächlich SPD und CDU mehr als nur zufrieden.

Wenn Söder schon am Nachmittag oder Abend in Berlin mit AKK und der angeschlagenen SPD-Chefin Andrea Nahles zusammentreffen wollte, sollte erst einmal etwas anderes im Vordergrund stehen. Da wollte Söder nach eigenen Worten erst einmal ein "klares Bekenntnis" für die Wahl von Weber zum EU-Kommissionspräsidenten einfordern, damit die CSU dieses Wahlversprechen schnell umsetzen könne. Und danach? Auch dann hat Söder keine Zeit, sich zurückzulehnen. Vielmehr müsse schon jetzt der neue Rückenwind für die Kommunalwahl genutzt werden. Im März 2020 wird auch in Bayern wieder abgerechnet.
(Marco Hadem, Christoph Trost und Katharina Redanz, dpa)

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