Politik

Mariss Jansons und das BR-Symphonieorchester im Gasteig. (Foto: BR/dpa)

10.02.2015

Der Konzertsaal-Streit

Die BSZ erklärt: Das bayerische Kabinett hat die Weichen in der Münchner Konzertsaal-Debatte gestellt. Was bleibt sind viele offene Fragen

Am Ende geht es ganz schnell, die lauten Proteste bleiben ohne Folgen: Heute hat das bayerische Kabinett die Pläne für einen Komplettumbau der Philharmonie im Kulturzentrum Gasteig in München gebilligt. Damit ist der Traum der Musikwelt von einem neuen, dritten Konzertsaal in der Landeshauptstadt ausgeträumt - vorerst zumindest. Fragen und Antworten zu einem Thema, das die Politik und die Kulturszene in München seit vielen Jahren umtreibt:

Warum fordern Musiker und Befürworter seit Jahren einen neuen Saal?
Zum einen wird die - als Mehrzwecksaal geplante - Philharmonie im Gasteig seit der Eröffnung 1985 wegen ihrer angeblich unbefriedigenden Akustik heftig kritisiert. Zum anderen wird argumentiert, dass das weltbekannte BR-Symphonieorchester, das seit Jahren zwischen der Philharmonie und dem Herkulessaal in der Residenz hin und her pendelt, endlich eine eigene Heimat brauche. Und nur mit einem dritten Saal - größenmäßig zwischen Herkulessaal und Philharmonie angesiedelt - gebe es auch dauerhaft adäquate Räume für die freie Musikszene und private Konzertveranstalter.

Das Kabinett hat entschieden. Ist die Sache damit endgültig klar?
Erst einmal ja. Die Philharmonie soll entkernt werden, in der alten Hülle soll ein neuer Saal mit Akustik "auf Weltniveau" entstehen, wie Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) es formulierte. Darauf hatte er sich vor kurzem mit Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) verständigt. Es bleibt aber offenbar noch ein Notausgang: Bei einem Scheitern der Pläne an Details oder extremen Kosten könne doch eine "alternative Option" infrage kommen, zitierten "Süddeutsche Zeitung" und "Münchner Merkur" aus einer Kabinettsvorlage: ein Neubau in der Nähe des Odeonsplatzes. Staatskanzleichef Marcel Huber betonte aber, in der letzten Fassung des Papiers sei dies nicht enthalten gewesen.

Warum soll es zunächst keinen neuen, dritten Konzertsaal geben?

Seehofer und Reiter argumentieren, in den vergangenen Jahren seien zahlreiche Standorte geprüft worden - und wieder verworfen worden. Der Marstall? Offenbar zu klein für ein großes Orchester. Der alte Kongresssaal im Deutsche Museum? Dagegen hätten sich die Verantwortlichen des Museums gewehrt. Ein Neubau im Westen des sogenannten Finanzgartens in der Nähe des Odeonsplatzes? Eine hochrangig besetzte Arbeitsgruppe plädierte für dieses Areal. Doch dagegen legten Bürger und Naturschützer scharfen Protest ein.

Wie reagiert die Kulturszene auf die Absage an einen dritten Saal?
Mit lauter und scharfer Kritik. Die Weltklasse-Geigerin Anne-Sophie Mutter sprach von einer "katastrophalen Fehlentscheidung" und warf Seehofer ganz direkt Wortbruch vor - weil er lange einen neuen, dritten Saal versprochen habe. Der Bayerische Rundfunk und sein BR-Symphonieorchester reagierten "mit Entsetzen". Der Deutsche Musikrat nannte Seehofers und Reiters Pläne "die schlechteste aller denkbaren Lösungen". Befürchtet wird ein Gerangel zwischen BR-Orchester und Münchner Philharmonikern um die Belegungsrechte im Gasteig - und dass andere Künstler das Nachsehen haben. Befürchtet werden auch massive Einschränkungen während einer langen Umbauphase.

Wie rechtfertigen sich Seehofer und Reiter? Und was sagt die Politik?
Seehofer argumentiert, er habe nach jahrelange erfolgloser Debatte nun endlich eine Lösung präsentieren wollen. Die CSU hat er auf seiner Seite, Grüne und Freie Wähler dafür frontal gegen sich. Die SPD ist gespalten: Landtagsfraktionschef Markus Rinderspacher übt harsche Kritik, seine Kollegin Isabell Zacharias steht zu den Plänen.

Ist die Akustik im Gasteig wirklich so schlimm, wie stets behauptet wird? Und kann der geplante Komplettumbau da wirklich helfen?
Was die Frage der Akustik angeht, scheiden sich die Geister. Der legendäre US-Dirigent Leonard Bernstein wollte den Bau angeblich wegen dessen akustischer Mängel gleich abfackeln. Andere sagen, Probleme gebe es nur auf einigen Plätzen und bei Solistenkonzerten. Der renommierte Akustikexperte Karlheinz Müller dagegen nannte die Akustik in einem dpa-Interview "tolerant" - und die Kritik übertrieben. Über die aktuellen Pläne sagte er: "Akustisch würde man nicht viel gewinnen, wenn in die bestehende Außenhaut der Philharmonie nur ein neuer, kleinerer Saal implantiert würde."

Wie viel kostet der Komplettumbau der Philharmonie im Gasteig?
Da ist dem Vernehmen nach von mehreren 100 Millionen Euro die Rede. Kritiker argumentieren, das Ganze könnte noch teurer werden, und dann könne man gleich einen dritten Saal bauen. Seehofer entgegnete daraufhin kürzlich, wohl auch mit dem Debakel beim Bau der Hamburger Elbphilharmonie im Hinterkopf: Niemand wisse, wie teuer ein komplett neuer Saal würde. Außerdem stellt sich noch die Frage, ob der Saal auch ausgelastet wäre und wer für den Unterhalt aufkäme. (Christoph Trost, dpa)

Kommentare (2)

  1. Zitrone am 12.02.2015
    Kommt die Ausgabe ganz Bayern zu Gute oder wieder nur der Schickeria? Wieviel bezahlbare Wohnungen könnten dafür gebaut werden? Wenn alle Steuersünder so wie Hoeneß ihre Steuern vollständig bezahlen würden würde der normale Steuerzahler nicht belastet.
  2. Roland am 11.02.2015
    Legt man reelle Zahlen auf den
    Tisch ist man (unter Berücksichtigung
    der Preissteigerungen) bei 750
    Millionen!
    Der Dumme ist halt der Steuerzahler,
    weil man ihn erklärt, dass 300 Millionen
    genügen.
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