Politik

09.07.2010

Der Nächste bitte

Nach dem Rücktritt von Linken-Landeschef Wendl wird offenbar, wie dünn die Personaldecke der Partei ist

Gregor Gysis Zorn auf den bayerischen Teil seiner Partei dürfte wieder mal beträchtlich sein. Nachdem Bayerns Linke nämlich erfolgreich ihren Vorsitzenden Michael Wendl aus dem Amt gemobbt hat, steht sie erneut als Chaos-Truppe da, die in erster Linie damit beschäftigt ist, sich selbst zu zerfleischen. Welche Ziele die Linke, die bei der Bundestagswahl auf 6,5 Prozent im Freistaat kam, für Bayern hat, wofür sie konkret eintreten will, blieb bisher nebulös. „Wo sind eigentlich eure Gemeinsamkeiten?“, fuhr Gysi, Fraktionschef im Bundestag, beim Parteitag im April die bayerischen Genossen an. Seine Forderung: Es müsse endlich Schluss sein mit den Richtungskämpfen.
Doch von Geschlossenheit sind Bayerns Linke weiter entfernt denn je. Nach Wendls Rücktritt keilt man nun gegen die Ko-Landessprecherin Eva Mendl; einige fordern bereits ihren Rücktritt. Anlass ist eine Formalie in einem parteiinternen Einladungsschreiben. Mendl gilt ebenso wie Wendl als Vertraute des aus Bayern stammenden Bundesvorsitzenden Klaus Ernst. In Wendls Fall war es ein Interview, das letztlich seinen Rückzug verursachte: Der Bayerischen Staatszeitung hatte er nach seiner Wahl im April gesagt, er plädiere für regional gestaffelte Mindestlöhne und dafür, dass kommunale Kliniken von privaten lernen sollten. Für weite Teile der Linken war das Provokation pur.
Bei einer Sitzung des Landesvorstands am letzten Samstag stimmten 16 der 17 Anwesenden – also alle außer Wendl – quasi dafür, dass Wendl seine in dem Interview geäußerten Positionen nicht mehr öffentlich vertreten dürfe. Stattdessen gälten die Leitlinien des Bundeswahlprogramms 2009. Dass die Linke gerade erst dabei ist, ein offizielles Programm zu erarbeiten, das 2011 beschlossen werden soll – egal. Wendl jedenfalls fand es „unmöglich, dass man mir den Widerruf meiner eigenen Aussagen zumutet“.
Bayerns Linke steht nun vor dem Problem, erneut nach einem geeigneten Kandidaten für den Landesvorsitz zu suchen – in einem sehr überschaubaren Auswahlpool. Der von der Antikapitalistischen Linken (AKL) ins Spiel gebrachte Erkan Dinar gilt als eher chancenlos. „Ich werde nicht aus
der Partei austreten“

Wenn es nach Ko-Sprecherin Mendl geht, wird noch im Juli ein kommissarischer Landessprecher aus dem Kreis des Landesvorstands gewählt. Dieser könnte dann beim Parteitag im Dezember für die Wendl-Nachfolge kandidieren. Wer das sein wird, ist offen. Völlig ungeklärt ist auch, wie die Partei ihre unterentwickelte Streitkultur verbessern könnte.
Der Münchner Linken-Stadtrat Orhan Akman fordert: „In unserer Partei muss jeder seine Meinung sagen dürfen – auch der Vorsitzende.“ Beim „richtigen Umgang mit abweichenden Meinungen“ habe die Linke noch großen Lernbedarf, bemerkt der 35-jährige Verdi-Sekretär, der selbst keineswegs alle Positionen Wendls teilt.
Wendl jedenfalls will seinen Standpunkt auch künftig öffentlich vertreten – und zwar als Mitglied der Linken. „Ich werde nicht aus der Partei austreten“, sagt der 59-Jährige, der Kreissprecher in München ist.
Eventuelle Hoffnungen der SPD, der langjährige Sozialdemokrat Wendl könnte in den Schoß der Partei zurückkehren, dürften sich damit erledigen. Anders als offenbar die Linke hatte die SPD Wendl übrigens nie als notorischen Unruhestifter wahrgenommen. „Der Michael war immer Realist und ein Leitbild der linken Intellektuellen“, sagt ein hochrangiger bayerischer SPD-Mann. Zudem sei der profilierte Gewerkschafter Wendl „die gefährlichere Variante“ der dunkelroten Konkurrenz gewesen: „Er hätte die Linke geerdet.“ Die SPD und andere können beruhigt sein: Politikfähig, so scheint es, wird die Linke so schnell auch in Bayern nicht.
(Waltraud Taschner, Tobias Lill)

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