Politik

Direkt geholfen hat Horst Seehofer (rechts) dem Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer nicht, als es um die Wahl zum Parteivize ging. Dass der rebellische Peter Gauweiler die Abstimmung knapp verloren hat, dürfte Seehofer aber nicht allzu traurig stimmen: Ein wenig berechenbarer Frontman reicht schließlich. (Foto: dapd)

14.10.2011

Der scharfe und der schlaue Peter

CSU-Parteitag: Dass die CSU zwei Jahre vor der Landtagswahl inhaltlich und personell gut aufgestellt ist, bezweifeln manche

So richtig schmeichelhaft fällt es nicht aus, das Urteil vieler Delegierter über die Frontleute der CSU: „Wir haben so langweilige Funktionäre“, stöhnt eine Delegierte beim CSU-Parteitag, „da ist es ja auch schon egal, welche Positionen sie vertreten.“ Gut möglich, dass die Kandidatur des CSU-Rebellen Peter Gauweiler als Parteivize die rund 1000 Delegierten in Nürnberg deshalb weit mehr elektrisierte als die diversen Positionspapiere zu Euro, Bildung und PKW-Maut. Gauweiler jedenfalls sei „ein scharfer Typ“, urteilt die CSU-Dame und präzisiert: „Der ist nicht blöd, kann reden, hat Humor und steht für konservative Werte.“
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Gewählt wurde Gauweiler trotzdem nicht. Obwohl das am Freitag noch fast jeder glaubte. „Der geht durch wie nix“, hatte etwa der unterfränkische CSU-Landtagsabgeordnete Robert Kiesel geunkt. Er und andere hatten die Eitel- wie auch die Findigkeit von Peter Ramsauer unterschätzt. Der Bundesverkehrsminister wollte den wohlklingenden Titel „stellvertretender Parteichef“ behalten und in der Kampfabstimmung jedenfalls nicht von einem besiegt werden, der in Berlin auf Gremienarbeit pfeift – und den Kollegen damit klarmacht, wie medioker er sie und ihre Arbeitskreise im Grunde findet. Ramsauers Trumpf: sein Verkehrsetat, aus dem er den anwesenden Kommunalpolitikern Geld für neue Straßen versprach. Das erinnerte ein bisschen an die Methode Stoiber, der, ehe ihn die Fraktion zum Ministerpräsidenten wählte, praktisch jedem Abgeordneten einen Kabinettsposten zusagte. Dass die Zahl der Regierungsämter – ebenso wie die Summe der Straßenbaumittel – begrenzt ist, dämmerte vielen erst danach.
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Und jetzt? Zieht die CSU mit der neuen alten Truppe in den Landtagswahlkampf, der seit der Nominierung Christian Udes zum SPD-Spitzenkandidaten de facto begonnen hat. Aus Seehofers Umfeld verlautet schon mal Unschmeichelhaftes: „Gegen Ude als Spitzenkandidat hätte nur Gauweiler eine Chance gehabt“, sagt ein Ministerialer, der schon viele Wahlkämpfe erlebt hat. Das indes muss nicht stimmen. Der kantige Gauweiler mag CSU-Fundis überzeugen, ob er Unentschiedene oder Wechselwähler anspricht, ist fraglich. Ein erfahrener CSUler sagt: „Was wir brauchen, sind die Stimmen der Jungen, der Wechselwähler und der Frauen.“ Tatsächlich hat die CSU in Wahlen bei diesen Gruppen am schlechtesten abgeschnitten. Auch ein Gauweiler würde da wenig bewirken. Der, sagt die Politologin Ursula Münch, künftige Leiterin der Akademie für Politische Bildung, „kann zwar Wähler begeistern, ist aber, jedenfalls was seine Europapolitik angeht, rückwärtsgewandt“.
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Allerdings: Trotz Ramsauers Buhlen um Stimmen votierte am Samstag fast der halbe Parteitag gegen ihn und für Gauweiler. Der übrigens verspürte am Delegiertenabend, als Peter Ramsauer seine Truppen sammelte, wenig Lust, um die Stimmen der Kollegen zu buhlen, verzichtete auf Bier und Gespräche und fuhr einfach nach Hause. 419 zu 440 lautete das Ergebnis, das den selbst mit knapp 90 Prozent wiedergewählten Parteichef Horst Seehofer nachdenklich werden ließ: Er wolle Gauweiler in die Parteiarbeit künftig „stärker einbinden“, kündigte Seehofer an. Konkret: Der Euro-Rebell soll einen öffentlichkeitswirksamen Posten bekommen. Welcher das sein soll und ob der Einzelgänger Gauweiler das überhaupt will, ist offen: „Welchen Posten der kriegen könnte? Keine Ahnung“, verlautet aus Seehofers engstem Umfeld. Für Gauweilers Gegner wäre ohnehin jeder Parteijob ein Graus, der dem wortgewaltigen Münchner zu mehr medialer Präsenz verhülfe: „Der hüpft dann in den Talk-Shows rum und vertritt seine Privatmeinung“, resümiert ein Landtagsinsider die Befürchtungen der Anti-Gauweiler-Liga.
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Seehofers Parteitagsrede: War mit Stoibers Leitmotiv „Bayern vorn“ gespickt, was heißt, dass die wirtschaftlichen Vorzeigedaten des Freistaats rauf und runter gepriesen wurden. So recht wollte der Funke trotzdem nicht überspringen. Vielleicht lag es daran, dass ein anderes Stoiber-Special fehlte: das Erläutern einer Zukunftsstrategie. Wie es die nächsten zwei Jahre weitergehen soll, womit man im Wahlkampf 2013 gegen Christian Ude punkten will – das blieb nebulös. „Wir bräuchten eine Vision für Bayern“, grämt sich ein CSU-Stratege, „aber wir haben keine.“ * Die Hoffnungen der CSU richten sich jetzt vor allem darauf, dass Ude Fehler macht und sich so selbst demontiert: Es sei falsch gewesen, dass sich Christian Ude so frühzeitig habe auf den Schild heben lassen, machen sich manche CSU-Leute Mut. Und dass Ude den „Spannungsbogen bis 2013 nicht halten“ könne. Andere CSUler raunen über Unheilvolles, das man mit Blick auf Ude noch zutage fördern werde. Gewiss ist: Der Wahlkampf wird, so formuliert es ein CSU-Mann, „spannend wie seit Willy Brandt nicht mehr“.
(Waltraud Taschner)

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