Politik

07.09.2012

Der sogenannte Freistaat

Ein Kommentar von Tobias Lill

Die Hoffnung vieler Bayern auf innenpolitische Reformen war groß, als die FDP 2009 den Sprung in die Landesregierung schaffte. Doch knapp drei Jahre später fällt die Bilanz ernüchternd aus: Von der Asylpolitik bis zum Staatstrojaner ist der Freistaat noch immer weit mehr von einer „Law and Order“-Politik als vom Vertrauen in die Selbstbestimmung des Menschen geprägt. Staatliche Sittenwächter beschneiden den Lebensalltag vieler Bürger noch immer stärker als nötig. Beispiel stille Tage. Wurde das Tanzverbot noch vor einigen Jahren in den Städten weitgehend ignoriert, setzen die Behörden das Gesetz auf Anweisung der Bezirksregierungen mittlerweile strikt durch.
Zwar konnte die FDP jüngst eine marginale Verkürzung der partyfreien Zeit durchsetzen, doch in anderen Bereichen beißt die Partei beim Koalitionspartner auf Granit. Insbesondere der Wunsch, die Ladenöffnungszeiten auszuweiten, ist weiten Teilen der CSU ein Graus. Dabei ist das bayerische Ladenschlussgesetz weltfremd. Nirgendwo in Deutschland – abgesehen einmal vom kleinen Saarland – sind die Regelungen so restriktiv wie im südlichsten Bundesland. Selbst im erzkatholischen Italien dürfen die Geschäfte seit Kurzem rund um die Uhr geöffnet bleiben.

Bier für Autofahrer, gar nix für Fußgänger


Die derzeitige Regelung ist ungerecht. Es kann nicht sein, dass Menschen, die besonders lange arbeiten, nur mehr in sündhaft teuren Bahnhof-Shops einkaufen können. Natürlich darf eine solche Reform nicht zu Lasten der Beschäftigten im Einzelhandel umgesetzt werden. Die Ladenbetreiber müssten ihren Mitarbeitern die Abendschichten mit Lohnzuschlägen schmackhaft machen. Die Staatsregierung muss die Voraussetzungen dafür schaffen. Doch danach sieht es derzeit nicht aus. Im Gegenteil: Jetzt dürfen Touristen am Ausflugsziel Königssee sonntags nicht mal mehr ein Souvenir kaufen.
Besonders absurd ist das seit Juni geltende weitgehende abendliche Verkaufsverbot von Lebensmitteln und Getränken an Tankstellen: Ein angetrunkener Autofahrer darf eine Pulle Schnaps kaufen, ein Fußgänger bekommt dagegen nicht einmal eine Cola. Hier sollte Schwarz-Gelb zügig auf die Linie der FDP einschwenken. Denn so haben sich viele ihrer Wähler ein freiheitlicheres Bayern gewiss nicht vorgestellt.

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