Politik

Ein Breitbandanschluss ist vor allem für Firmen unerlässlich – die Hälfte der Unternehmen im Freistaat ist unterversorgt. (Foto: GettyImages/John Lamb)

06.12.2019

Deutscher Datenalbtraum

Mega-Ärgernis Breitbandausbau

Zusammenbrechende Telefongespräche bei Autofahrten oder in abgeschiedenen Regionen; Internetseiten, die sich im Schneckentempo aufbauen; Mails, die Ewigkeiten im Ausgangsordner festhängen – Mobilfunk und Internet in Deutschland sind vielerorts eine Zumutung und der drittgrößten Industrienation der Welt unwürdig. Eine Studie der Bundestags-Grünen aus dem Jahr 2018 ergab, dass Deutschland beim Breitbandausbau hinter Albanien liegt.

Zahlen des bayerischen Finanzministeriums zufolge surfen aktuell 94 Prozent der Haushalte im Freistaat mit „schnellem Netz“. Über eine Milliarde Euro ließ sich der Freistaat seit 2015 den Ausbau kosten. Doch die Jubelmeldung hat einige Schönheitsfehler. So muss sich auf dem Land noch immer jeder Siebte mit einem Anschluss zufriedengeben, der nicht mal 30 Megabit pro Sekunde schafft.

Vor allem für Unternehmen ist das misslich. So wartet etwa das niederbayrische Massivbau-Unternehmen Rembeck seit Jahren auf einen Breitbandanschluss. „Wir müssen hier mit 8 bis 10 Megabit auskommen, bräuchten aber mindestens 30 Megabit“, klagt Firmenchef Franz Rembeck. Da das Unternehmen große Dateien senden müsse, sei das „ein riesiges Problem“. Jetzt sei von der Gemeinde immerhin versprochen, dass es 100 Mbit geben soll – in drei Jahren.

Die Wurzel allen Übels: die Postreform

Die Gründe für die Breitband-Misere liegen Jahre zurück. Das Unheil begann im Jahr 1994 mit der Postreform II, die die drei Postunternehmen Telekom, Postdienst und Postbank in private Aktiengesellschaften umwandelte. Zuvor war die Post für sämtliche öffentlichen Kommunikationsdienstleistungen zuständig. Jeder dauerhaft bewohnte Haushalt in Deutschland hatte und hat Anspruch auf einen Telefonanschluss und auf die Zustellung von Briefen und Paketen. Ebenso wie auf fließend warmes Wasser und Strom. Ob diese Versorgung Gewinn bringt oder nicht, spielte keine Rolle. Das hätte es für Breitband auch gebraucht.

Tatsächlich sind sich hierzulande im Prinzip alle einig, dass der Breitbandausbau zur staatlichen Daseinsaufgabe werden muss. So bilanzierte Mitte November das 7. bayerische Breitband-Forum mit politischen und kommunalen Entscheidungsträgern sowie Wirtschaftsvertretern aus den bayerischen Regionen: „Die Bereitstellung von schnellem Internet ist eine zentrale Aufgabe der Daseinsvorsorge.“ Streit gibt’s darüber, wer das bezahlen soll.

Internet und Mobilfunk als Teil der Daseinsvorsorge: Für diesen Weg haben sich die meisten deutschen Nachbarstaaten in der EU entschieden. Der Staat übernimmt die veranschlagten Kosten, auch wenn für den Ausbau private Firmen zuständig sind.

In Deutschland müssen die Telekommunikationsunternehmen darauf schauen, ob sich das Glasfaserkabel in der Kommune XY auch wirklich rechnet. In Großstädten ist das in der Regel der Fall, auf dem Land dagegen häufig nicht. Angenommen, eine Telekommunikationsfirma plant, Glasfaser in ein Dorf mit 1000 Haushalten zu verlegen.

Telekom sieht sich im Nachteil

Damit sich der Ausbau rechnet, müssten die meisten Haushalte das Angebot mit dem – teureren – Versorgungsumfang von 100Mbit/s buchen.Vielleicht aber genügen 750 Haushalten die preisgünstigeren 50 Mbit/s. Und schon wird es für die Firma unrentabel und sie überlegt, den Ausbau komplett zu lassen.

Für Unternehmen wird das zunehmend zum Problem. Nach einer Befragung der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft aus diesem Jahr ist im Freistaat mehr als die Hälfte der Unternehmen unzufrieden mit der Geschwindigkeit der mobilen Datenverbindungen sowie der Netzabdeckung und -verfügbarkeit.

Besser läuft das zum Beispiel in Albanien. Dort sind die Kunden verpflichtet, das ganze zur Verfügung gestellte Angebot zu buchen. Die Kalkulation der Internet- und Mobilfunkfirmen geht also immer auf. Deutschland könnte sich viel Ärger ersparen, wenn es hier gesetzlich nachjustieren würde. Bei der Trinkwasserversorgung darf man ja auch nicht sagen: „Mir reicht es von Montag bis Freitag, fürs Wochenende brauche und bezahle ich nichts.“

Zudem sieht sich die Telekom beim Breitbandausbau benachteiligt. Denn offiziell sind die vier beteiligten Telekommunikationsfirmen in Deutschland gleichgestellt, faktisch muss die Telekom aber eine gewisse Grundversorgung garantieren – auf Geheiß der Bundesnetzagentur. Hier wäre gleiches Recht für alle hilfreich. Also etwa eine Verpflichtung für alle Anbieter, ein gewisses Kontingent an wenig lukrativen Regionen zu versorgen.

Kaum zu ändern ist indes ein weiterer Aspekt des langsamen Ausbaus: die langen Genehmigungsverfahren. Es verzögert den Breitbandausbau, wenn für eine einzige Region mal eben ein Dutzend Gemeinden befragt werden müssen. Auch Bürgerproteste können den Breitbandausbau verzögern. Einschränken ließe sich das jedoch nur durch Einschnitte ins Klagerecht der Bürger – sprich die Förderung eines Par-ordre-du-mufti-Vorgehens des Staats. Doch wer will das schon.
(Apl, Loh, RS, Till)

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