Politik

Helmut Schleich nimmt regelmäßig die bayerische Politszene aufs Korn – gerne auch als Alter Ego von FJS. (Foto: dpa)

12.08.2016

"Die Bayern sind sehr gute Untertanen"

Als Franz-Josef-Strauß-Double kennt sich Kabarettist Helmut Schleich aus mit der bayerischen Politik – Grund genug, ihn zum Zustand der bayerischen Opposition zu befragen

„Wir brauchen eine Opposition“, behauptete einst Franz Josef Strauß. „Ich wünschte, wir hätten eine richtige.“ Doch: Weshalb brauchen wir in Bayern eigentlich noch eine Opposition – wenn nicht lediglich aus Gründen des Artenschutzes? Wir haben Strauß’ Alter Ego gefragt, den Kabarettisten Helmut Schleich. BSZ: Herr Schleich, mal ganz ehrlich: Können wir uns das mit dieser Opposition in Bayern nicht sparen? Kostet doch nur Geld und produziert am laufenden Band Gesetze für den Papierkorb.
Helmut Schleich: Die Frage ist gemein – aber verständlich. Und ich muss gestehen: Auf Landesebene kann ich momentan wirklich nicht erkennen, wo die Opposition da was bewegt. Aber das würde dann bedeuten, dass die CSU alles alleine macht. Auch die Oppositionsarbeit.

BSZ: Macht sie das nicht eh schon?
Schleich: Das stimmt natürlich. Das war ja in Bayern immer schon so, dass die stärkste Opposition die innerhalb der CSU war. Was wir jetzt bei der dritten Startbahn erleben, ist ja auch eine Auseinandersetzung zwischen Regierung und Opposition, wo die Linie aber genau durch die CSU hindurchläuft. Und das macht eine parlamentarische Opposition auf die Dauer natürlich mürbe. Man merkt das den Oppositionsparteien auch an, allen voran der SPD. Die wissen ja gar nicht mehr, wo sie angreifen sollen. Ihr Fraktionschef Markus Rinderspacher hat vor der letzten Landtagswahl gesagt, im Grunde sei ja alles gut in Bayern, aber ... Und das ist natürlich für eine Opposition kein Ansatz. Denn dieses „Aber“ macht sich selber schon so klein, dass keiner mehr zuhört.

BSZ: Woran liegt es denn, dass die Opposition in Bayern kein Bein auf den Boden bekommt?

Schleich: Daran, dass es uns zu gut geht. Zumindest haben die Menschen diesen Eindruck. Ich habe das Gefühl, es interessiert viele Leute gar nicht mehr, ob es Probleme gibt oder nicht, solange sie in ihrer Konsumblase ungestört leben können. Solange man ihnen das Gefühl geben kann, dass bei uns alles gut läuft, macht das eine politische Auseinandersetzung nicht einfach. Was außerdem zur Macht der CSU beiträgt, ist ihre extrem starke Vernetzung im Land. Es gibt keinen Sparkassenvorstand, keinen Sportvereinsvorstand, keine Freiwillige Feuerwehr, wo die CSU nicht personell auch vertreten wäre. Insofern ist das Bild von der Staatspartei immer noch richtig. Dazu kommt natürlich auch noch das gnadenlose Hase-und-Igel-Spiel der CSU. Die Opposition entwirft Anträge, und zwei Jahre später kommt’s von der CSU.

BSZ: Von Gerhard Polt gibt es den schönen Satz: „Wir brauchen keine Opposition, weil wir sind schon Demokraten.“
Schleich: Und von Oskar Maria Graf gibt’s den wunderbaren Satz: „Dann mach ma halt a Revolution, dass a Ruah is.“ Die Mentalität der Bayern, vor allem der Altbayern, ist nicht unbedingt dazu angetan, besonders oppositionell zu sein. Im Grunde ist der höchste Gemütszustand für den Bayern, dass er sei Ruah hat. Das verträgt sich schlecht mit einer oppositionellen Haltung.

BSZ: Das heißt, dieser viel beschworene bayerische Anarchismus ist einfach nur ...
Schleich:  ... Folklore. Die Bayern geben sich als Rebellen, sind aber in Wirklichkeit sehr gute Untertanen. Letztendlich geht’s darum, dass man seine Ruhe hat, dass man sein Zeug beieinander hat. Im Grunde ist Bayern ja sowieso gar kein Land mehr, sondern ein Wirtschaftsstandort. Die Leute denken: Wenn sie sich regierungskonform verhalten, wenn sie mittragen, was die Mächtigen vorgeben, dann kommen sie zu mehr Wohlstand. Es gab mal eine Zeit in den Achtzigern, da hat’s ein bisschen anders ausgeschaut. In Wackersdorf gab es tatsächlich so etwas wie einen oppositionellen Geist. Das aber auch nur, weil es die CSU damals übertrieben hat. Die Arroganz und die Gewalt, mit der der Staat aufgetreten ist, hat die Leute dann doch gestört.

"In der SPD sind erfolgreiche Leute hochverdächtig"

BSZ: So etwas erreicht man in Bayern sonst nur, wenn es um Biergartenöffnungszeiten geht.
Schleich: Genau, wenn er halt wieder in seiner Ruhe gestört wird, der Bayer. Und wo kann er die besser genießen als im Biergarten?

BSZ: Es heißt immer, dass Demokratie den Wechsel braucht ...

Schleich: Wenn das das Argument sein soll, die Opposition zu wählen, dann ist es ein zu schwaches Argument. Der Satz stimmt insofern, als lange Amtszeiten zu Verkrustungen führen. Das ist natürlich für eine Demokratie nicht unbedingt förderlich.

BSZ: Gibt es einen sich selbst verstärkenden Teufelskreis der Opposition? Bei der SPD hat man schon von einer Leidensspirale gesprochen.
Schleich: Ja, klar. Wie soll denn auch eine Partei wie die SPD nach über 50 Jahren Opposition noch Personal rekrutieren? Woher soll sie Leute bekommen, die sich in dieser Partei wirklich einbringen wollen und Gestaltungsmöglichkeiten sehen? Und von denen, die da sind, hat man den Eindruck, die wollen eigentlich weg. Das macht die Oppositionsfraktionen natürlich in ihrer Arbeit auch nicht glaubwürdiger. Dazu kommt: Gerade in der SPD ist jemand, der erfolgreich ist, sofort hochverdächtig.

BSZ: Das heißt, das Personal der Opposition kann Sie nicht überzeugen?
Schleich: Nein – auch wenn es natürlich Ausnahmen gibt. Gerade die SPD hatte in den letzten Jahren nicht immer ein glückliches Händchen bei der Auswahl ihrer Führungsfiguren. Das sind ja Leute, wo man gerade auf dem Land sagt: Was sind denn das für Kasperl? Da gibt es zu wenig gestandene Typen.

BSZ: Dabei gibt sich Oppositionsführer Rinderspacher solche Mühe ...
Schleich: Ein gebürtiger Kaiserslauterer, und darauf ist er auch noch stolz. Das ist der klassische Zuagroaste, der sich erst zu integrieren und zu assimilieren versucht, aber irgendwie dann doch immer alles besser wissen will. Und wenn er sich als Bayer präsentieren will, dann wird’s wirklich peinlich. Das mag ungerecht sein, aber das ist halt nicht das Personal, wo die Bayern sagen: Vor dem haben wir Respekt. Beim Florian Pronold geht das schon eher. Der ist gescheit, der kann reden, und er kommt aus Deggendorf. Eigentlich hat er alles, was ein bayerischer Politiker braucht. Der kann sogar Bierzelt. Der kann das Bierzelt richtig anheizen – und sagt dabei auch noch kluge Sachen. Und doch bleibt er das ewige Bubi. Es ist mir rätselhaft, warum. Der ist ja sogar Staatssekretär in der Bundesregierung, aber in Bayern wird er nicht im Ansatz ernstgenommen.

BSZ: Beide haben sogar was Gescheites gelernt und eine Banklehre gemacht.
Schleich: Da gibt es eine schöne Geschichte von meinem Kollegen Django Asül. Der hat ja mit dem Pronold zusammen die Banklehre gemacht. Und da hat er dann beim Maibockanstich gesagt: So ist das, der eine macht Karriere, der andere geht zur SPD. Das trifft den Zustand der bayerischen SPD recht gut. Wenn du erfolgreich sein willst, ist das einfach der falsche Ort dafür.

BSZ: Was gibt die bayerische Opposition aus kabarettistischer Sicht her?

Schleich: Das ist immer die schwierige Frage bei Anlässen wie Starkbierreden, wo es dann heißt, es soll aber schon jeder drankommen. Natürlich ist die Opposition in Bayern für uns Kabarettisten nicht besonders ergiebig. Aber das Kabarett reibt sich ja auch an den Mächtigen und nicht an den Ohnmächtigen.

BSZ: Dann geben Sie uns für die Opposition doch wenigstens noch einen Tipp Ihres Alter Egos Franz Josef Strauß mit auf den Weg.

Schleich: Mein Lieblingszitat vom Strauß ist: „Es gibt eine normative Kraft des Faktischen, aber es gibt keine Fakten ersetzende Kraft des Phraseologischen.“ Auf Deutsch: Es braucht Substanz, Quatschen allein reicht nicht. Und wenn die Opposition Substanz hat, dann soll sie sie gefälligst auch ins Schaufenster stellen. (Interview: Dominik Baur)

Kommentare (1)

  1. A Landshuta am 15.08.2016
    Erklärt mehr als mancher (alt)kluge Kommentar von Redakteuren...!!!
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