Politik

„Staatsterrorismus“ - so beschreibt die NPD den drohenden Verbotsantrag. (Foto: Getty)

07.12.2012

Die geplante neuerliche Klage gegen die NPD ist ein Risiko, das man eingehen sollte

Die den Staat mit Füßen treten

Mit einem unverfänglichen Spruch, der nach freiheitsliebender Bürgerrechts-Partei klingen soll, empfängt die rechtsextreme NPD Besucher auf ihrer Web-Seite: „Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.“ Es folgt ein Hinweis, wie weit sie mit ihrer neonazistischen Indoktrination bereits vorangekommen ist: „Die neue Schulhof-CD ist da“ – mit auf den Schulhöfen kostenlos verteilter neonazistischer Musik. Damit sollen Schüler vor allem in den östlichen Bundesländern für die Jungen Nationaldemokraten gewonnen werden. Was aber ist es, das die NPD sagt und das die Bürger nicht hören wollen?
Auch anlässlich der Innenministerkonferenz in Warnemünde, auf der am vergangenen Mittwoch alle 16 Bundesländer dafür stimmten, den Ministerpräsidenten einen Verbotsantrag gegen die NPD zu präsentieren, legte die NPD ungebremst los. Die Bundesrepublik sei ein „totalitärer Staat“, wetterte Parteichef Holger Apfel und witterte im Verbotsantrag gar „Staatsterrorismus“. Udo Pastörs, Fraktionschef der NPD im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern und seit Jahren bester Stichwortgeber für ein Verbotsverfahren, assistierte, um den „lebensgesetzlichen“ Nationalismus der NPD zu unterdrücken, müsse man schon Konzentrationslager errichten.

„Biologische Bombe“


Pastörs war es auch, der in einer Aschermittwochsrede in Saarbrücken den Blick frei gab auf das mit dem Grundgesetz kaum zu vereinbarende Gedankengut der NPD: Er bezeichnete Juden als „Krummnasen“ und sagte zur Einwanderung von Ausländern: „Die Tamilen haben die biologische Bombe mitgebracht – so wie die Türken mit der Samenkanone nach Deutschland eingereist sind“. Dem müsse man sich „mit Herz, mit Verstand und wenn nötig auch mit der Hand“ entgegenstellen.“
„Mit der Hand“: Das kann durchaus als Bekenntnis zur Gewaltbereitschaft gewertet werden. Rund 1000 Seiten umfasst die Sammlung von NPD-Zitaten, die sich die Innenminister von ihren Verfassungsschutzämtern zur Vorbereitung eines Grundsatzbeschlusses zusammenstellen ließen – alles angeblich aus öffentlichen Quellen gesammelt und nicht von V-Leuten des Staates provoziert.
Das ist essenziell, denn 2003 scheiterte ein Verbotsantrag daran, dass die Karlsruher Richter nicht unterscheiden konnten, welche Belege für die Verfassungswidrigkeit der NPD von Spitzenfunktionären und Anhängern oder von V-Leuten in der Führungsebene stammten. Außerdem, fanden die Richter, gehe es nach dem Grundsatz des fairen Prozesses nicht an, dass sich der Staat von V-Leuten über die Prozesstrategie der NPD unterrichten lasse.
Dass die Länderinnenminister zu einem einstimmigen, anschließend von den Ministerpräsidenten bestätigten Beschluss kamen, ist auch auf ein Gutachten des Juristen Franz Wilhelm Dollinger zurückzuführen. Dollinger, beim Verbotsverfahren 2003 damit befasster Mitarbeiter des Bundesverfassungsgerichts, kommt nach Begutachtung des 1000-Seiten-Dossiers der Innenminister zum Ergebnis, dass die Chancen für ein Verbot größer seien als die Aussicht auf ein Scheitern vor Gericht. Die Ziele der NPD widersprächen der deutschen Grundordnung, ihr Menschenbild weiche eklatant vom „Achtungsanspruch der Menschenwürde“ ab. Fraglich sei aber, ob der Nachweis einer breiten „aggressiv kämpferischen Haltung“ der NPD gelinge.
Niedersachsen, das Saarland und Hessen hatten bis zuletzt Bedenken, Bayern marschierte vorneweg, auch um die NPD aus der Parteienfinanzierung auszuschließen, mit deren Millionen sie den Staat verächtlich macht oder bekämpft. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), der sich dafür verbürgte, dass das Belastungsmaterial „V-Leute-frei“ sei, und Innenminister Joachim Herrmann (CSU) können auf eine alte Strauß-Doktrin zurückgreifen: Rechts von der CSU dürfe sich keine demokratisch legitimierte Partei entfalten, hatte die CSU-Ikone einst verordnet. Es sollte in den 80er Jahren, da die Rechts-Außen-Parteien attraktiver und die CSU-Klientel anfälliger für deren Gedankengut war, die Abwanderung von Wählern zu rechtsradikalen Parteien gestoppt, Abtrünnige sollten in den Schoß der CSU zurückgeholt werden. Besonders arg hatten die Republikaner der CSU zugesetzt. Sie sind inzwischen von der Bildfläche verschwunden.

Auch die CSU ist nicht geschlossen für ein Verbot


Geschlossen präsentiert sich die CSU beim NPD-Verbot freilich nicht. Mit Hans-Peter Friedrich stellt sie den für das Ressort Sicherheit und Verfassung zuständigen Bundesinnenminister. Der wird nicht müde, auf die Risiken eines neuen Verbotsverfahrens hinzuweisen. Das tun auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). Alle drei befürchten, dass der schwächelnden NPD, die bei der letzten Bundestagswahl nur auf 1,5 Prozent der Stimmen kam und derzeit noch in den Landtagen von Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern sitzt, eine Märtyrerrolle zufiele. Ein Scheitern des Verfahrens, fürchtet man, würde den Rechtsextremen ein demokratisches Gütesiegel und soviel Werbung bescheren, wie sie selbst kaum entfalten könnten.
Zumindest Friedrich muss sich bald entscheiden, ob er auch die Bundesregierung für das Verbotsverfahren erwärmt. Käme es dazu ohne die Zustimmung des zuständigen Innenministers, wäre ein Verbleib im Amt kaum vorstellbar. (Michael Stiller)

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