Politik

07.03.2019

Die Hälfte der Macht für Frauen: Braucht es eine Wahlrechtsänderung?

Am Freitg (8. März) ist Weltfrauentag. (Nicht nur) Im Landtag sind Frauen noch immer stark unterrepräsentiert. Die Grüne Eva Lettenbauer fordert deshalb eine Wahlrechtsänderung. Petra Guttenberger (CSU) hält die für den falschen Weg

JA

Eva Lettenbauer, Frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion:

In den vergangenen Jahrzehnten haben Parteien versucht, beispielsweise über Mentoring den Anteil der Frauen im bayerischen Landtag zu erhöhen. Das Ergebnis ist ernüchternd: Der Frauenanteil ist bei den Wahlen im Oktober 2018 zum zweiten Mal in Folge gesunken und liegt bei 26,8 Prozent. Von 91 Direktmandaten gingen 19 an Frauen. Diese Zahlen unterstreichen die Notwendigkeit eines „Hälfte-der-Macht-Gesetzes“, das die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in der bayerischen Landespolitik fördert und institutionell absichert. In Parteien, die es bisher nicht schaffen, annähernd paritätisch besetzte Fraktionen in den Landtag zu setzen, wird dies strukturelle Änderungen erfordern.

Wir orientieren uns in unserem Gesetzesentwurf zur Wahlrechtsänderung an Regelungen, wie sie in Frankreich oder im Bundesland Brandenburg gelten und verfolgen vier zentrale Ansätze: Parteien stellen ihre Wahlkreislisten nach dem Reißverschlussprinzip auf, sodass mindestens die ungeraden Listenplätze an Frauen gehen. Die Zahl der Stimmkreise wird halbiert und in den Stimmkreisen je ein Stimmkreis-Duo aus Frau und Mann direkt in den Landtag gewählt. In der bayerischen Verfassung wird festgelegt, dass die Hälfte der Mitglieder der Staatsregierung weiblich sein muss. Personen, die sich als divers identifizieren, werden explizit genannt und für alle Kandidaturen zugelassen. Durch diese Maßnahmen werden mehr Frauen über die Wahlkreislisten sowie in den Stimmkreisen gewählt und in die Staatsregierung bestellt.

Das Grundgesetz wie auch die bayerische Verfassung, garantieren die Gleichberechtigung von Frauen und Männern und fordern, bestehende Nachteile zu beseitigen. Die Freiheit der Parteien ist daher nicht absolut zu sehen. Das Grundgesetz dient dem Menschen, nicht den Parteien. Die Hälfte dieser Menschen sind Frauen. Sie müssen durch die Parteien repräsentiert werden und die Hälfte der Macht erhalten.

NEIN

Petra Guttenberger (CSU), Vorsitzende des Verfassungsausschusses im Landtag:

Es muss unser Ziel sein, mehr Frauen in die Parlamente zu bekommen. Deshalb müssen sich alle Parteien Gedanken machen, wie politisches Engagement für Frauen attraktiver wird, damit sich mehr Frauen engagieren und Mandate anstreben. Auch in Bayern haben wir noch Luft nach oben. Ministerpräsident Markus Söder hat mit der Kabinettsbildung ein deutliches Zeichen durch Vorbilder gesetzt. Die Staatsregierung ist so weiblich wie nie zuvor.

Der falsche Weg, den Frauenanteil zu erhöhen, ist der Eingriff in das Wahlgesetz und die Einschränkung des aktiven und passiven Wahlrechts. Die Vorschläge der Grünen und der SPD halte ich für verfassungswidrig. Mittels Verboten durch Gesetze und Zwang wird die Freiheit der Wählerinnen und Wähler deutlich eingeschränkt. In einer modernen Gesellschaft ist eine staatliche Bevormundung der mündigen Bürger via Quoten völlig inakzeptabel! Wir leben zum Glück nicht mehr in einer mittelalterlichen Ständegesellschaft. Der Vorteil der repräsentativen Demokratie liegt darin, dass Abgeordnete ihr Mandat frei von Gruppeninteressen und ungebunden wahrnehmen. Dabei haben Abgeordnete egal welcher Couleur idealerweise alles im Blick: die Alten die Jungen, die Männer die Frauen, die Handwerker die Wissenschaftler und umgekehrt – die Liste ließe sich endlos fortführen.

Die Mütter und Väter unserer Verfassung haben zu Recht nicht festgeschrieben, dass die Parlamente nach bestimmten Gesichtspunkten wie Geschlecht, Konfession oder Herkunft besetzt werden müssen. Auch regelt das Grundgesetz klar die Rolle der Parteien und weist Ihnen die Aufgabe zu, in eigener Entscheidung Wahllisten und Bewerber aufzustellen. Gleichberechtigung im Sinne des Grundgesetzes heißt Chancengleichheit, die es ohne Zweifel gibt! Seit 2005 stellt die Union die Bundeskanzlerin. Die Grünen wollen nicht Gleichberechtigung, sondern Ergebnisgleichheit via fixer Quoten. Sie wollen die Menschen, denen sie anscheinend nicht zutrauen, die richtige Wahl zu treffen, bevormunden.

Kommentare (5)

  1. Sasa am 13.03.2019
    Ich bin für die Frauenquoten! Aber auch dafür, dass es FRAUEN sind und nicht Frauen*. D.h. Ganserer und co. werden des biologischen Geschlechtsquote zugewiesen. Oder es gibt eine Quote für die “dritte Option”.
  2. Barbi am 12.03.2019
    Gemäß Art 3 II Satz 2 ist der Staat verpflichtet: "Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin." Die Gleichheit vor dem Gesetz bewirkt eben leider keine faktische Chancengerechtigkeit. Das BVerfG hat für dieses Phänomen den Begriff der mittelbaren Diskriminierung eingeführt und den Staat verpflichtet wirksame Maßnahmen zu ergreifen für die Teilhabe an allen Aspekten des Lebens von Frauen. In diesem Verfassungsziel geht es um Frauen, die 51 % der Bevölkerung ausmachen. Frauen haben nach 100 Jahren Wahlrecht immer noch nicht 50 % der Mandate in den Parlamenten, das ist ein Ausschluss, der durch nichts zu rechtfertigen ist.
    Leider gibt es selten Moral und Gemeinwohlsinn, wenn es ums Abgeben von persönlich gesicherter Macht und eigene Mandate geht. Derzeit aktive mehrheitlich männliche Politiker müssten Regelungen beschließen, die deren Chance auf einen Wiedereinzug ins Parlament reduzieren, das ist der wahre Hintergrund, warum das bisher nicht funktioniert. Das geht nur über massiven Druck aus der Öffentlichkeit.
    Bisher kann ich als Frau ja gar keine Frau wählen, weil kaum welche als Direktkandidat aufgestellt werden. DAS ist undemokratisch. Und deswegen möchte ich das ein Mann und eine Frau zur Wahl stehen.
    Die Exklusion der Frauen - vor allem bei den konservativen Parteien - hat viel mit traditionellen Machterhaltskämpfen, persönlicher Vorteilsnahme und verkrusteten, alten Strukturen als mit liberaler und sachlicher Leistungsorientierung am Gemeinwohl zu tun.
    100 Jahre aktives Wahlrecht haben kaum Veränderungen im passiven Wahlrecht gebracht, die Gleichstellung der Frau bewegt sich in der Geschwindigkeit einer Schnecke. Deswegen ist es gerechtfertigt, angemessen und aus Art. 3 II nötig, das Wahlrecht zu ändern.
  3. Inge am 11.03.2019
    Eine Quote ist der einzig klare Weg zu zeigen, dass eine gleichberechtigte Beteiligung von Frauen an den politischen Entscheidungsprozessen in den Gremien wirklich angestrebt wird und für wichtig gehalten wird. Alles andere sind nette Reden, die wir seit Jahrzehnten kennen. Im Ergebnis ist der Anteil der Frauen z.B. im Bundestag sogar zurückgegangen. Mit anderen Worten: Alle anderen Vorschläge hatten ihre Chancen. Sie haben die Vorgabe nach Art. 3 Absatz II des GG nicht erfüllt.
    Eine Quote bedeutet auch, sich tatsächlich und sichtbar darum zu bemühen Frauen zu gewinnen und zu beteilige, sie zeigt auch, dass den Männern klar ist, dass Entscheidungen ohne entsprechende Unterstützung von Frauen an entscheidenden Stellen eben nicht die Legitimation haben, die sie mit den Frauen haben.
  4. Elena am 08.03.2019
    Ich halte eine gesetzlich verordnete Quote - egal für wen - für verfassungsrechtlich sehr bedenklich. Es stellt sich auch die Frage, wenn man dieses Fass aufmacht, was kommt als nächstes? Man könnte ja auch argumentieren, dass Stadt- bzw. Landbewohner repräsentativ vertreten werden müssten, Katholiken, Prostestanten und Atheisten sowie Angehörige anderer Religionen, soweit sie die 5 %-Hürde überschreiten ebenfalls, dann könnte man noch eine Quote für den höchsten erreichten Schulabschluss einführen, eine für das Bruttoeinkommen etc.
    Freie Wahlen sollten frei bleiben (aktiv und passiv). Parteien sind Interessensvertreter, die Weltanschauungen vertreten, und sie sollen entsprechend ihrer Weltanschauung und der ihrer Wähler ihre Listen erstellen. Worauf sie dabei achten, sollte diese Weltanschauung widerspiegeln.
  5. Miiich am 08.03.2019
    Nichts ist undemokratischer als ein Quote.
    Frauen stellen gut 50% der Bevölkerung. Was hält sie denn auf in die Parteien einzutreten, und sich als Kanddat(in)en aufstellen zu lassen? Gäbe es das Ungleichgweicht auch noch , wenn der Frauenanteil an den Parteibasen mit den Männern annähernd gleich hoch wäre? Wohl nein, außer die Fraeuen würden sich -aus welchen Gründen auch immer- untereinander nicht wählen.
    Für mich jedenfalls gilt: Mehrheit entscheidet - auch über die Auswahl von Kandidaten und nicht nur an der Wahlurne!
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