Politik

22.06.2012

Die Mühen der Demokratie

Ein Kommentar von Waltraud Taschner

Wie jetzt? Die Bürger in Stadt und Land und Bund sollen viel häufiger als bislang bei politischen Gestaltungsfragen mitreden. Das fordern einflussreiche Christsoziale, unter ihnen Parteichef Seehofer. Die neuen Basisdemokraten der CSU wollen sogar ganz Deutschland über europäische Grundsatzthemen abstimmen lassen, an deren Ergebnis sich die Europapolitik der Bundesregierung orientieren soll. Die gleiche CSU erklärt nun, dass sie das Votum des Münchner Bürgerentscheids zum Flughafenausbau zwar respektiert, die dritte Startbahn aber trotzdem bauen will. Und dabei unter anderem eine erneute Bürgerabstimmung erwägt – diesmal auf Landesebene.
Basisdemokratie: Der CSU von einst war das ein Gräuel, ersonnen von Grünen und linken Fundis. Noch immer glauben ja nicht alle Christsozialen an die Maxime, je mehr direkte Demokratie, umso besser. Eine Debatte über den Schwenk der Schwarzen zur Basisdemokratie hat bislang indes ebensowenig stattgefunden wie bei anderen von Seehofer vollzogenen Kehrtwendungen – so viel zur CSU-internen Basisdemokratie. Tatsächlich gibt es durchaus Argumente gegen den Trend zur Ausweitung von Bürgerbefragungen. So glaubt etwa der SPD-nahe Forsa-Chef Manfred Güllner, die Menschen wünschten sich Politiker, die ihnen die Last komplexer Entscheidungen abnehmen.

Statt die Bürger zur Abstimmung zu bitten, kann man auch mal: mit ihnen reden


Wie auch immer: Über das Ausmaß direkter Demokratie lässt sich streiten. Ebenso wie über die dritte Startbahn. Nicht streiten lässt sich dagegen über ein rechtmäßig zustande gekommenes Bürgervotum. Dieses nun über eine neuerliche Abstimmung auszuhebeln, offenbart ein seltsames Demokratieverständnis. Abgesehen davon, dass noch kein Jurist bislang erklären konnte, wie die zulässige Fragestellung dafür überhaupt lauten soll.
Statt so lange abstimmen zu lassen, bis einem das Ergebnis passt, sei Seehofer und Co empfohlen: die Bürger nicht nur möglichst viel und oft zu fragen, sondern im Vorfeld strittiger Großprojekte auch möglichst viel mit den Bürgern zu reden. Dass die Startbahnbefürworter aus den Reihen der CSU – wie im Übrigen auch der anderen Parteien – in den zurückliegenden Monaten allzu häufig die Mühsal des Bürgergesprächs vor Ort gesucht hätten, ist nicht bekannt.

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