Politik

„Die Beamten können sich nicht beklagen“: Georg Schmid verteidigt die Sparbeschlüsse für den öffentlichen Dienst. (Foto: dpa)

26.11.2010

"Dreistufiger Verwaltungsaufbau könnte wegfallen"

CSU-Fraktionschef Georg Schmid über seine Rolle als Ex-Verwaltungsrat der Landesbank, seine persönliche Erfolgsbilanz und die Sparpläne der CSU

BSZ: Herr Schmid, haben Sie schon angefangen zu sparen? Wenn es nach der Opposition und Ihrem Koalitionspartner FDP geht, müssen die früheren Landesbank-Verwaltungsräte – also auch Sie – für die Milliardenverluste der Bank persönlich haften.
Schmid: (zögert) So weit wird es nicht kommen. Die Gutachten der Kanzlei Hengeler Mueller sind eindeutig: Sie kommen zu dem Ergebnis, dass weder im Fall der ABS-Papiere noch im Fall der Verluste bei der Hypo Group Alpe Adria Schadenersatzansprüche gegen frühere Verwaltungsräte bestehen. In keinem von beiden Fällen wird dem Verwaltungsrat grob fahrlässiges Verhalten vorgeworfen. BSZ: Sie wissen, dass es zum Thema ABS-Papiere ein zweites Gutachten gibt, das der Landtag in Auftrag gegeben hat: Darin kommt die Kanzlei Flick Gocke Schaumburg zu dem Ergebnis, dass die Verwaltungsräte sehr wohl grob fahrlässig gehandelt haben. Die Landesbank könnte den Gutachterstreit, um Klarheit zu schaffen, gerichtlich klären lassen.
Schmid: Ich bleibe dabei: Es liegt keine grobe Fahrlässigkeit vor, zu Recht verneint ein so prominenter Gutachter wie Hengeler Mueller das. BSZ: Haben Sie sich für alle Fälle schon einen Anwalt zugelegt?
Schmid:  Nein. Noch nicht. Ich warte erst mal ab, wie es weitergeht. BSZ: Sie meinen, ob die Verjährungsfrist für Schadenersatzansprüche verlängert wird?
Schmid: Ich warte weitere Entscheidungen ab. BSZ: Wenn Sie nichts zu befürchten haben, könnten Sie ja einfach auf die Einrede der Verjährung verzichten.
Schmid: Diese Frage klären wir gerade ab. BSZSie sind der einzige prominente CSU-Politiker aus dem ehemaligen Landesbank-Verwaltungsrat, der nach wie vor eine führende Position innehat. Sind Sie optimistisch, dass das so bleibt?
Schmid: Ja. Ich habe das Vertrauen der CSU-Landtagsfraktion.
BSZ: Fühlen Sie sich eigentlich wohl als Fraktionschef? Immer wieder klagen CSU-Abgeordnete, dass Sie Ministerpräsident Seehofer nicht ausreichend Paroli bieten und der Sie am Nasenring durch die Gegend führt.
Schmid: Das Amt des Fraktionsvorsitzenden ist eine sehr schöne Aufgabe. Anders als die Ressortchefs in den Ministerien habe ich täglich mit der ganzen Bandbreite der Politik zu tun. Und mit von Ihnen angesprochenen Klagen ist noch nie ein Abgeordneter zu mir gekommen. BSZ: Zu den Journalisten aber schon! Sie würden also den Staatskanzleichef Schneider auf keinen Fall beerben wollen, falls er Präsident der Landesmedienzentrale würde?
Schmid: Ich bin für fünf Jahre gewählt und ich pflege meine Aufgaben auch auszufüllen. BSZ: Und wo sind die Akzente, die unter Ihrer Führung gesetzt wurden in den zurückliegenden zwei Jahren?
Schmid: Das Spektakulärste ist sicher das von mir initiierte Zukunftskonzept der CSU-Fraktion.

"So viel Dialog gab es noch nie"

BSZ: Schon wieder ein Zukunftskonzept! Helfen Sie uns, das wievielte ist es?
Schmid: Hören Sie mal (lächelt)! Wir von der CSU-Fraktion waren die ersten, die ein solches Konzept in Angriff genommen und dabei in ganz neuer Weise die Menschen in Bayern angesprochen haben. Einen solchen Dialogprozess mit den Bürgern hat es in Bayern noch nicht gegeben. Wir haben mit zahlreichen großen Kongressen und kleineren Gesprächen insgesamt 5000 Menschen erreicht im Freistaat. Mit einer weit höheren Zahl von Menschen waren wir online im Kontakt. Deren Vorschläge und Wünsche haben wir dann ausgewertet. Nachdem die CSU-Fraktion diesen Dialogprozess gestartet hat, ist dann Herr Rinderspacher (SPD-Fraktionschef, d.Red.) plötzlich auch mit dem Fahrrad rausgefahren, um mit den Leuten zu reden. BSZ: Was wird Ihr Konzept den Bayern denn konkret bringen?
Schmid: Lassen Sie mich zwei Dinge herausgreifen: Im Bereich Hochschule wollen wir dafür sorgen, dass berufsbegleitendes Lernen einfacher wird: etwa dadurch, dass mehr Menschen ohne Hochschulabschluss neben ihrem Beruf eine universitäre Weiterbildung absolvieren können. Alle Hochschulen sollen irgendwann Weiterbildung anbieten, auch fernab der Ballungsräume. Ein zweites Beispiel: Wir wollen dafür sorgen, dass Kindertagesstätten qualitativ ausgebaut werden. Sozialverbände und kommunale Behörden sollen sich stärker mit den Kindertageseinrichtungen vernetzen und regelmäßig qualifiziertes Personal vor Ort schicken. Kindertageseinrichtungen sollen auf diese Weise zu Familienzentren werden. BSZ: Im Moment würden sich viele Eltern schon darüber freuen, wenn sie überhaupt einen Krippenplatz hätten.
Schmid: Es ist ja klar, dass wir den Ausbau der Betreuungseinrichtungen auch quantitativ weiter vorantreiben. Aber sie sollen nicht nur mehr, sie sollen auch besser werden. BSZ: Im Moment laufen die Verhandlungen für den Doppelhaushalt 2011/12. Welche Akzente wird die CSU-Fraktion setzen?
Schmid: Zunächst lassen Sie mich sagen, dass die Haushaltsdebatte im Moment in einer Form abläuft, wie ich es in den zurückliegenden 20 Jahren nicht erlebt habe. So viel Offenheit, so viele Gespräche, so viel Detailabstimmung zwischen Staatsregierung und Fraktion – das ist neu. Im Idealfall wird es so sein, dass die CSU keine eigenen Anträge einreichen muss, weil wir vorher alles im Konsens lösen.

"Die Beamten können sich nicht beklagen"

BSZ: Aha. Für die CSU-Fraktion ist es also kein Problem, dass die Beamten den Löwenanteil am Sparpaket schultern?
Schmid:  Die Beamten können sich in Bayern wirklich nicht beklagen: Wir haben die Gehälter entsprechend der Tarifabschlüsse erhöht, wir haben die Altersteilzeit erhalten und die Rücknahme der 42-Stunden-Woche beschlossen. Wir zahlen noch ein Weihnachtsgeld, das es in anderen Ländern so nicht mehr gibt. Man muss aber sehen, dass der öffentliche Dienst den Freistaat jedes Jahr 17 Milliarden Euro kostet. Bei einem Haushaltsvolumen von 42 Milliarden. Da ist es doch klar, dass auch die Beamten einen Beitrag zum Sparpaket leisten müssen. BSZ: Warum haben Sie überhaupt eine Dienstrechtsreform beschlossen, wenn deren zentrales Element, die Leistungsbezüge, jetzt dem Rotstift zum Opfer fallen?
Schmid:  Das wird doch nur um ein Jahr verschoben! Ich halte das für schmerzlich, aber vertretbar. Wir werden uns mittelfristig noch weitere Sparvorschläge überlegen müssen. BSZ: Welche?
Schmid: Man könnte ja mal darüber nachdenken, ob es sinnvoll ist, sich für alle Ewigkeit einen dreistufigen Verwaltungsaufbau mit Ministerium, Regierung, Landratsamt zu leisten. Oder ob da nicht eine Ebene wegfallen könnte. BSZ: Die Regierungen?
Schmid:  Darüber werden wir in Ruhe reden. BSZ:  Haben Sie keine Angst, die Bürger mit Ihrem Sparpaket nachhaltig zu vergrätzen? Für Stoiber war die 2003 eingeläutete Sparrunde der Anfang vom Ende.
Schmid: Ich stehe voll zum Ziel des ausgeglichenen Haushalts, weil es immer – auch bei geliehenem Geld – um das Geld des Steuerzahlers geht. Auch die Bevölkerung sieht das mit großer Mehrheit so. Wir werden mit Augenmaß sparen. Wenn wir es jetzt, in Zeiten stark steigender Steuereinnahmen nicht schaffen, ohne neue Schulden auszukommen: wann denn dann?
(Interview: Waltraud Taschner, Tobias Lill)

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