Politik

Haben sich geeinigt (von links): Horst Seehofer, Angela Merkel und Martin Schulz. (Foto: dpa)

12.01.2018

Durchbruch im Morgengrauen

Die drei Parteichefs Merkel, Schulz und Seehofer wollen eine erneute große Koalition. Doch das ist erst der erste Schritt. Scheitern im weiteren Verlauf nicht ausgeschlossen

Die Spitzen von CDU, CSU und SPD streben eine Neuauflage der großen Koalition an. Nach mehr als 24-stündigen Sondierungen einigten sich die drei Vorsitzenden, Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und vor allem Martin Schulz (SPD), darauf, ihren Parteien die Aufnahme von offiziellen Koalitionsverhandlungen zu empfehlen, wie am Freitagmorgen in Berlin aus Teilnehmerkreisen zu erfahren war. Allerdings muss die SPD-Sondierungsgruppe dem Ergebnis der Spitzen noch zustimmen. Tut sie das, müsste auch ein SPD-Parteitag in der kommenden Woche noch Ja sagen.  "Ich glaube, dass wir hervorragende Ergebnisse erzielt haben", sagte SPD-Chef Schulz.

Wie aus einem vorläufigen Sondierungspapier hervorgeht, das die Unionsseite einstimmig annahm, haben sich die Spitzen der drei Parteien auf eine Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung geeinigt. Demnach sollen die Beiträge wieder zu gleichen Teilen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern bezahlt werden. Zur Zeit werden 14,6 Prozent je zur Hälfte gezahlt, den Rest, der im Schnitt bei einem Prozentpunkt liegt, bezahlen die Arbeitnehmer alleine.

Keine Steuererhöhungen

Die von der SPD geforderten Anhebung des Spitzensteuersatzes soll nicht kommen. Nach Unions-Angaben soll es keine Steuererhöhungen geben. Das Rentenniveau soll bis 2025 bei 48 Prozent gehalten werden, das ist ein Wunsch der SPD gewesen.

Dem Vernehmen nach wurde viele Stunden um die Finanzierung verschiedener kostspieliger Projekte in der Steuer-, Sozial- und Gesundheitspolitik gerungen. Obwohl die Wünsche der drei Parteien insgesamt an die 100 Milliarden Euro teuer geworden wären, solle jetzt der finanzielle Spielraum von bis zu 45 Milliarden Euro eingehalten werden, hieß es. Die Union pochte dem Vernehmen nach angesichts der sprudelnden Steuereinnahmen auf die "schwarze Null" - also den Verzicht auf neue Schulden im Bundeshaushalt.

Der Solidaritätszuschlag soll dem Vernehmen nach in dieser Legislaturperiode um 10 Milliarden Euro abgebaut werden. Das solle kleine und mittlere Einkommen betreffen. Das Kindergeld soll in zwei Schritten um 25 Euro erhöht werden. Die Zuwanderung von Flüchtlingen solle in einer Spanne von 180 000 bis 220 000 begrenzt werden.

Sehr enge Begrenzung des Familiennachzugs

Auch der Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus soll sehr eng begrenzt werden. Er soll zunächst weiter ausgesetzt bleiben, bis eine Neuregelung gefunden ist, und dann auf 1000 Menschen pro Monat begrenzt werden, wie aus Verhandlungskreisen zu erfahren war.

Kanzlerin Merkel sagte, es handele sich "um ein Papier des Gebens und des Nehmens, wie es sein muss, das dann für unsere Gesellschaft einen breiten Bogen aufspannt".  Merkel sprach von intensiven, ernsthaften und tiefgehenden Sondierungen. Die Ergebnisse seien nicht oberflächlich, sie drückten vielmehr aus, "dass wir ernsthaft daran arbeiten, heute und in dieser Legislaturperiode die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass wir auch in 10 und 15 Jahren gut in Deutschland leben können". Es gehe um umfassende soziale Sicherheit und Zukunftsinvestitionen in das Land und besonders die Familien und Kinder.

Wegen der rasanten Änderungen durch die Digitalisierung müsse die Politik an vielen Stellen schneller werden und auch deutlicher mit den Bürgern sprechen, sagte Merkel. Man wolle Planungen beschleunigen und schneller in neue Wohnungen, Energiewende und den Netzausbau investieren können. Beide Seiten seien überzeugt, dass ein neuer Aufbruch für Europa nötig sei. Dafür hätten besonders die Parteichefs vertrauensvoll zusammengearbeitet. "Deshalb ist mir auch nicht bange, dasa wir da auch gemeinsame Lösungswege gerade mit Frankreich finden werden."

Seehofer zeigt sich hochzufrieden. Einen Parteitag brauche es nicht

CSU-Chef Horst Seehofer äußerte sich "hochzufrieden" über das Ergebnis der Sondierungen. Damit hätten Union und SPD auch "die richtige Antwort" auf das Ergebnis der Bundestagswahl gegeben, sagte er mit Blick auf die starken Einbußen aller drei Parteien. Grundlage der Sondierungsarbeit sei gewesen, dass ein "Weiter so" nicht gehe und den Bürgern ein Signal zu geben sei: "Wir haben verstanden". Die Sondierer der CSU hätten das Ergebnis einstimmig gebilligt. Am Montag soll der CSU-Vorstand über die Aufnahme formeller Koalitionsverhandlungen entscheiden. Ein Parteitag werde nicht gebraucht, sagte Seehofer.
(Jörg Blank, Christiane Jacke, Marco Hadem und Ruppert Mayr, dpa)

Kommentare (1)

  1. Miiich am 13.01.2018
    "Seehofer zeigt sich hochzufrieden. Einen Parteitag brauche es nicht" :Ja eine (vielleicht auch noch offene!) Diskussion des Ergebnisses auf einem Parteitag ist für die Parteispitze kontraproduktiv, denn sie werden eine Einigung und einen Koalitionsvertrag hinbekommen, aber was für eine und zu welchem Preis !
    Welcher Koalitionsvertrag kommt wohl heraus, wenn schon das veröffentlichte Sondierungsergebnis mit rabulistischen Ankündigungen mehr als "überreife" Kompromisse kaschieren, und als vermeintlichen Meilenstein für die Zukunft dieses Landes darstellen soll?

    Die Neue Züricher fasst dies in ihrem Kommentar "Entlastungen für die Bürger sucht man mit der Lupe", finde ich, recht treffend zusammen. Insbesondere hinsichtlich der Einschätzung zum Zustand des Föderalismus in der Bundesrepublik.
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