Politik

Seehofer nach der Klausursitzung des CSU-Vorstands: Miteinander Reden ist seine neue Devise. (Foto: dpa)

30.06.2014

Ein neuer Seehofer?

CSU-Vorstandsklausur: Die CSU-Spitze lässt ihren Parteichef spüren, dass die Tage seines uneingeschränkten Alleinkommandos vorbei sind. Und der verspricht einen anderen Führungsstil

Wenige Tage vor seinem 65. Geburtstag hat CSU-Chef Horst Seehofer sich neu erfunden: Einer positiv überraschten CSU-Spitze verspricht der Chef bei einer Vorstandsklausur am Samstag ab sofort einen pfleglichen Umgang. Wo der alte Seehofer wichtige Entscheidungen alleine traf und gnadenlos über Vorstandskollegen lästerte, da sagt der neue Seehofer umfassende Gesprächsbereitschaft zu.
"Reden verbindet, und reden stärkt", sagt Seehofer am Samstagabend nach dem neuneinhalbstündigen Treffen der Parteispitze. "Es hat sich etwas verändert, und es wird sich etwas verändern. Wenn Sie so wollen, hat sich auch bei mir etwas verändert."
Der Anlass der Veränderungsbereitschaft: Bei der Europawahl fuhr die CSU am 25. Mai 40,5 Prozent ein - ihr schlechtestes Ergebnis bei einer überregionale Wahl seit 1954. Das Resultat war öffentliche Kritik am Parteivorsitzenden: Der frühere CSU-Chef Erwin Huber bescheinigte Seehofer einen Führungsstil nach dem Prinzip Befehl und Gehorsam wie im 19. Jahrhundert, weitere Angriffe folgten. Niemand aus der Parteispitze sprang Seehofer bei. Diese drei Faktoren -Wahlschlappe, öffentliche Kritik und fehlende Unterstützung - hätten Seehofer tief getroffen, heißt es in der CSU-Spitze.

Seehofer reagierte sichtbar verunsichert


Seehofer reagierte für jedermann sichtbar stark verunsichert. In den Tagen vor der Klausur überlegte er Dinge, die viele CSU-Spitzenpolitiker als skurril oder überflüssig empfanden und Seehofer schwächer wirken ließen, als er es tatsächlich ist. So wollte Seehofer die Wahlprogramme nachträglich zum zweiten Mal beschließen und den Fahrplan für die Regelung seiner Nachfolge bestätigen lassen. Weder sind die Wahlprogramme CSU-intern groß umstritten, noch der Fahrplan. Doch explizite Abstimmungen darüber stießen bei vielen in der CSU-Spitze auf Ablehnung: "Dafür sehe ich keinen Anlass", sagte CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt stellvertretend für viele.
So wird in der Klausur deutlich, dass Seehofer auch nicht mehr unumschränkt schalten und walten kann: Er verzichtet auf eine formelle Abstimmung jeder Art, stattdessen klatschen die übrigen Vorstandsmitglieder nach seiner Rede lange und ausführlich Beifall. Damit gilt die Zustimmung als erteilt.
Seehofer hat auf der anderen Seite aber die Rückendeckung des Vorstands weiterzumachen. Er sagt nach Teilnehmerangaben sehr klar und deutlich, dass er bis 2018 amtieren will. "Einen Erosionsprozess werde ich nicht zulassen", wird er zitiert. Falls doch jemand Interesse haben sollte, aktiv an seiner Erosion mitzuwirken, stellt Seehofer einen Sonderparteitag mit Chefwahl in Aussicht. Erwartungsgemäß meldet sich kein Interessent.

Die Rede Seehofers wurde positiv aufgenommen


Seehofers Rede sei im Vorstand positiv aufgenommen worden, sagen Teilnehmer, auch von seinen Kritikern. Sogar Versöhnung mit dem alten Rivalen Erwin Huber und dem früheren Europagruppenchef Markus Ferber ist in Sicht.
Anders als Seehofer tritt Brüsselkritiker Peter Gauweiler nach Schilderung mehrerer Parteifreunde aggressiv auf und bekräftigt seine Kritik an Eurorettung, Europäischer Zentralbank und EZB-Chef Mario Draghi. Der frühere CSU-Chef Edmund Stoiber fährt für einen Moment aus der Haut: "Das ist absoluter Unsinn!" Andere Proeuropäer beschuldigen Gauweiler, er sei rückwärtsgewandt, werde seiner Aufgabe nicht gerecht und vertrete nicht die CSU-Positionen. Gauweiler soll aber im Amt bleiben. "Es soll kein Märtyrer aus ihm gemacht werden", sagt ein Vorstandsmitglied.
Seehofer räumt keine Fehler ein, aber ein "Kommunikationsproblem" im Europawahlkampf. Künftig will er außenpolitisch aktiver werden und das "Ja, Aber" der CSU zu Europa "durch Dialog sauber ausbalancieren". Damit ist klar, dass Gauweiler im Falle künftiger wilder Attacken auf die Brüsseler EU-Kommission ("Kaiser ohne Kleider") nur sich selbst vertritt und nicht die CSU als Ganzes.
Seehofer ahnt schon, wie das öffentliche Echo auf die Klausur ausfallen könnte: "Sie werden schreiben, wollen, müssen, der Seehofer ist eingeknickt." Eine Frage bleibt allerdings: "Meint er das ehrlich, oder ist es nur Taktik?", wundert sich ein CSU-Mann.

SPD: "Seehofer ist angezählt"

Für Natascha Kohnen, Generalsekretärin der Bayern-SPD, steht fest: "Horst Seehofer ist angezählt." Seine platte Geschlossenheitsparole wirkten nur, weil der nächste Wahltag weit weg ist. "Deshalb trauen sich Ilse Aigner oder Markus Söder noch nicht aus der Deckung. Als Parteichef und Ministerpräsident auf Abruf muss er ab jetzt auf der Hut sein. Fest steht: Seehofers zäher Abschied von seiner Alleinherrschaft hat begonnen." (Carsten Hoefer, dpa/ BSZ)

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