Politik

Seit Abschaffung der Isolationspflicht müssen Corona-Infizierte nicht mehr zu Hause bleiben. (Foto: dpa/Hase)

25.11.2022

Eine Krankheit wie andere auch

In Bayern müssen sich Corona-Positive nicht mehr isolieren – wie funktioniert das?

Schniefende Menschen beim Brotkauf, infizierte Kinder in Schulen und ein positiver Corona-Test, mit dem man zur Arbeit geht: Das könnte die neue Realität in Bayern sein. Denn wer sich mit Corona infiziert hat, muss seit Mittwoch vergangener Woche nicht mehr zu Hause bleiben. An die Stelle der Isolationspflicht treten für Menschen, die positiv getestet wurden, sogenannte verpflichtende Schutzmaßnahmen. Verlangt wird von Infizierten nur noch, mindestens fünf Tage lang Maske zu tragen. Kranke Kinder sollten sich zwar eigentlich zu Hause auskurieren, können aber mit Maske am Unterricht teilnehmen. Auch wer arbeiten will, darf das, sofern Maske getragen oder Abstand gehalten werden kann.

Man macht sich also ein bisschen lockerer. Vieles bleibt allerdings auch, wie es ist. Will man etwa ein Krankenhaus oder eine Einrichtung für ältere, behinderte oder pflegebedürftige Patienten betreten, muss man einen negativen Test vorlegen und FFP2-Maske tragen. Maskenpflicht herrscht weiterhin auch in Arztpraxen.

All das ist gut so. „Durch die Schutzmaßnahmen stellen wir den Schutz der vulnerablen Gruppen sicher“, so der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU). Dennoch: Der Vorstoß von Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Schleswig-Holstein missfällt nicht nur Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), die Kritik fällt auch vonseiten der Patientenschützenden heftig aus. Wie Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz auf Anfrage erklärt, ist es eine „unlösbare Aufgabe“, zu bestimmen, wer wie sehr gefährdet ist. „Infizierte nicht konsequent zu isolieren, bedroht Leib und Leben der Hochrisikogruppe.“

Für die große Mehrheit der Gesellschaft dagegen ist das Ende der Isolationspflicht ein weiterer, längst überfälliger Schritt in Richtung Normalität.

Niemand muss eine Infektion im Job melden

Vieles spricht für einen neuen Umgang mit der Pandemie: Es gibt antivirale Medikamente, die gegen schwere Verläufe wirken, man kann sich impfen lassen, viele Menschen haben bereits Infektionen durchgestanden. Zudem ist die derzeit kursierende Virusvariante weitaus weniger gefährlich als ihre Vorgängerinnen.

Die Nachbarländer haben auf die veränderte Gefahrenlage längst reagiert. In der Schweiz müssen sich Infizierte seit dem 1. April nicht mehr isolieren. Masken werden nirgendwo verlangt, auch nicht in Krankenhäusern und Arztpraxen. Nur wenige Kantone halten an der Maskenpflicht in den Krankenhäusern und Pflegeheimen fest. Die Österreicher haben das, was sie die „Pflicht zur Absonderung“ nannten, zum 1. August aufgehoben und durch eine zehntägige „Verkehrsbeschränkung“ ersetzt. Infizierte müssen FFP2-Maske tragen, sie dürfen weder Kitas noch Schulen, Altenheime, vulnerable Personen oder Gesundheitseinrichtungen besuchen. Bisher scheint die Rechnung aufzugehen, keines der beiden Länder meldet exorbitant gestiegene Zahlen von Infizierten oder gar einen Zusammenbruch der klinischen Infrastruktur. Allerdings dürfte die Dunkelziffer an Corona-Infizierten hier wie dort hoch sein. Und: Die kalte Jahreszeit hat gerade erst begonnen.

Fraglich bleibt, ob sich die verpflichtenden Schutzmaßnahmen für Infizierte überhaupt umsetzen lassen. Schließlich ist niemand verpflichtet, seine Infektion dem Gesundheitsamt zu melden – es sei denn, er oder sie führt selbst Corona-Tests durch. Auch eine Verpflichtung, seinen Arbeitgeber über eine Corona-Infektion zu informieren, besteht laut Bundesarbeitsministerium nicht. Wie ein Sprecher des bayerischen Gesundheitsministeriums erklärt, ist es vor allem aus datenschutzrechtlicher Sicht problematisch, wenn Arbeitgeber Auskunft verlangen.

Das gilt auch für Schulen: Zwar werden die Eltern gebeten, die Schule über eine positive Testung eines Kindes zu informieren. Empfohlen wird außerdem, sich freiwillig in Selbstisolation zu begeben. Aber insgesamt setzt man auch hier auf Eigenverantwortung. Sollten dennoch Verstöße gemeldet werden, sind die Kreisverwaltungsbehörden gehalten, diesen nachzugehen, so der Sprecher des Gesundheitsministeriums weiter. Eine flächendeckende und lückenlose Kontrolle der Maskenpflicht positiv Getesteter sei jedoch nicht praktikabel.

Die Politik übt sich also in Zuversicht. Zu erwarten sei, „dass sich die allermeisten Betroffenen solidarisch und vernünftig verhalten, denn sie wissen, dass sie mit der Maske ihre Mitmenschen schützen können“. Zweifel sind an dieser Stelle allerdings durchaus angebracht. Wer signalisiert seiner Umwelt schon gern via Maske, dass er oder sie infiziert ist? Wo doch das Ende der Isolationspflicht den Eindruck stärkt, dass Corona eine Krankheit ist wie jede andere auch? Ohnehin war der Umgang mit Krankheit und Ansteckungsgefahr schon immer Einstellungssache. Die einen bleiben mit einer Erkältung im Bett, die anderen schleppen sich mit Fieber zur Arbeit.

Eine Studie des Deutschen Gewerkschaftsbunds DGB hat für 2017 ergeben, dass zwei Drittel aller Beschäftigten krank zur Arbeit gehen. „Präsentismus“, wie das Arbeiten trotz Krankheit auch genannt wird, ist in Deutschland weitverbreitet – besonders wenn die Arbeitsbelastung hoch und der Job unsicher ist. Gegen die gesundheitlichen Gefahren, denen sich kränkelnde Beschäftigte dabei aussetzen, hilft auch die Maske nicht.  (Monika Goetsch)

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