Politik

Klassenziel noch nicht erreicht: Kultusminister Ludwig Spaenle sucht gemeinsam mit Eltern und Lehrern Lösungsansätze in der Bildungspolitik. (Foto: DAPD)

28.10.2011

"Einfach Geld reinkippen reicht nicht"

Kultusminister Ludwig Spaenle über fleißige Lehrer, verwaiste Mittelschulen und seinen Widerstand gegen das Zentralabitur

Unterrichtsausfall an Gymnasien, Schulsterben auf dem Land, Imageprobleme der Mittelschulen und vollgestopfte Lehrpläne: Ludwig Spaenle (CSU), bayerischer Staatsminister für Unterricht und Kultus, hat noch eine Menge Probleme zu lösen. Dazu fordert er mehr Mittel für die bayerischen Schulen, betont aber auch: „Wir brauchen einen ganzheitlichen Lösungsansatz.“
BSZ: Herr Spaenle, die Grippewellen rollen durchs Land und der ohnehin eklatante Unterrichtsausfall an Gymnasien von fast vier Prozent könnte noch dramatischer werden. Was wollen Sie tun?
Spaenle: Da die Sicherung des Unterrichts ein zentrales Thema ist, habe ich mich mit Lehrern und Eltern an einen runden Tisch gesetzt, um nach einem ganzheitlichen Lösungsansatz zu suchen. Der reicht von der Erhebung des Unterrichtsausfalls bis hin zum Einsatz von neuen Instrumenten, den Unterricht sicherzustellen. Denn das Prinzip, von oben einfach Geld reinzukippen, reicht nicht. Man muss sich dem Problem von allen Seiten nähern. BSZ: Welche Lösungsansätze gibt es?
Spaenle: Die Spreizung von Ausfällen an Schulen reicht von unter zwei Prozent bis hin zu knapp zehn Prozent, deshalb haben wir beispielsweise gerade einen Workshop mit Schulen aus ganz Bayern durchgeführt, um die besten schulorganisatorischen Maßnahmen zur Verbesserung herauszufiltern. Außerdem habe ich im Nachtragshaushalt eine Erhöhung der Mittel für alle in Frage kommenden Instrumente wie Aushilfsverträge, bezahlte Mehrarbeit oder die mobile Reserve beantragt. BSZ: Viele Lehrer arbeiten schon jetzt mehr, als der Lehrauftrag vorsieht und befürchten eine Überbelastung.
Spaenle: Niemand hat behauptet, dass sich die Lehrerschaft zu wenig einbringt. Bezahlte Mehrarbeit ist und bleibt ein Instrument zur Abwendung von Unterrichtsausfall. Und ich danke der gymnasialen Lehrerschaft ausdrücklich – gerade auch für das letzte Jahr mit dem doppelten Abiturjahrgang. BSZ: Für die städtischen Gymnasien in München ist pro Klasse eine Stunde mehr Unterricht eingeplant, als der Pflichtunterricht vorsieht.Und im Ergebnis verzeichnen sie halb so viele Unterrichtsausfälle wie die staatlichen Gymnasien. Ließe sich das Modell nicht auf ganz Bayern anwenden?
Spaenle: Ich sehe genau darin eine Bestätigung meiner Strategie. Denn rechnen Sie unsere Maßnahmen pro Klasse und Schule hoch, sind Sie schnell bei einer ganzen Lehrkraft. Und im Prinzip geht unsere mobile Reserve genau in diese Richtung: Wir stellen mit ihr zusätzliche Kontingente zur Verfügung.


„Von einem Zentralabitur halte ich gar nichts“


BSZ: Der Lehrerverband BLLV sieht 500 Mittelschulen in Bayern von der Schließung bedroht. Warum ist Ihr Konzept, die Hauptschulen mit der Umbenennung aufzuwerten, nicht aufgegangen?
Spaenle: Diese Prognose ist längst überholt. Da werden beispielsweise Regelungen zugrunde gelegt, die gar nicht mehr gelten. Wenn eine bestimmte Klassenstärke unterschritten wird oder eine Klasse dauerhaft fehlt, bedeutet das für Mittelschulverbünde nicht mehr automatisch die Schließung einer Schule. BSZ: Unter einem Image-Problem leidet die Schulart aber weiterhin...
Spaenle: Die Schulstandorte sind vor allem durch die sinkende Gesamtschülerzahl gefährdet. Wir werden auch nicht alle Standorte erhalten können. Aber wir wollen so viele so lange wie möglich erhalten. Und die Strategie geht auf, denn die Schließung wurde massiv abgebremst – von knapp 50 im Jahr 2008 auf etwa zehn im laufenden Jahr. Und auch wenn man das Image einer Schulart nicht von einem Schuljahr aufs andere ändern kann, glaube ich, dass die Öffentlichkeit wahrnimmt, was die Mittelschule als Alleinstellungsmerkmal leistet, nämlich die Vorbereitung auf die klassische duale Berufsausbildung. Warum sollten wir das wegen einer Einheitsschule, die der größte Versager der jüngeren Bildungsgeschichte ist, aufgeben?

BSZ: Wie zufrieden sind Sie mit dem Wechsel vom G9 zum G8?
Spaenle: Das achtjährige Gymnasium, das stärker auf die Allgemeinbildung und Methodenkompetenz setzt, hat sich bewährt. Die große Notenspreizung – wir haben sehr viele Schüler, die besser abgeschnitten haben als der G9-Jahrgang, aber auch eine erhöhte Zahl von Durchfallern – bedarf allerdings einer tieferen Analyse. An einigen Punkten müssen dann möglicherweise inhaltliche Veränderungen vorgenommen werden. Aus meiner Sicht brauchen die Gymnasien jetzt aber Ruhe und Planungssicherheit – ohne weitere größere Umbauten. BSZ: Halten Sie diejenigen, die klagen, dass der Druck durch den vollgestopften Bildungsplan zu hoch sei, einfach für zu faul?
Spaenle: Nein, natürlich nicht. Seit Beginn des Schuljahrs läuft eine grundlegende Analyse der 9. und 10. Jahrgangsstufe. Ober- und Unterstufe wurden ja bereits sehr intensiv betrachtet. Wir werden genau schauen, ob das Verhältnis zwischen Fächer-, Stundenzahl und Anforderungen stimmt. BSZ: Ein größerer Einschnitt steht den Gymnasien aber bevor, sollten sich die Befürworter eines Zentralabiturs durchsetzen.
Spaenle: Der Vorschlag, die Schulabschlüsse in Deutschland verlässlicher und vergleichbarer zu machen, stammt von uns. Von einem Zentralabitur aber halte ich gar nichts. Wir wollen, dass gemeinsame Aufgabenteile entwickelt werden, die bundesweit ein Bestandteil der Abiturprüfungen werden – aber eben nur als ein Teil der Prüfung – und wir können das bis 2014 anbieten. BSZ: Unsere Kinder verbringen immer mehr Zeit vor dem Computer. Wäre da nicht ein Fach Medienkunde an bayerischen Schulen sinnvoll?
Spaenle: Vor dem Phänomen, wichtige gesellschaftliche Fragestellungen immer gleich mit einem eigenen Unterrichtsfach begleiten zu wollen, kann ich nur warnen – auch mit Blick auf die bereits bestehenden Belastungen für die Schüler. Medienkompetenz ist ein zentrales Thema, aber man muss dieses als fächerübergreifende Querschnittsaufgabe sehen. Für ein eigenes Fach sehe ich einfach keinen Platz im Stundenplan.
(Interview: Angelika Kahl)

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