Politik

Corona-Impfung, dokumentiert in einem normalen deutschen Impfpass. Ein Mehr an Freiheit bringt das noch nicht. (Foto: dpa/Marijan Murat)

05.03.2021

Endlich frei sein

Was bringt das Projekt "Grüner Impfpass", das die EU auf den Weg gebracht hat?

Es grünt so grün – nicht nur, weil der Frühling vor der Tür steht und Ministerpräsident Markus Söder (CSU) den März gerade als „Chancenmonat“ bezeichnet hat. Sondern weil bereits vor dem in der Ministerpräsidentenkonferenz beschlossenen Stufenplan das Europaprojekt „Grüner Impfpass“ auf den Weg gebracht wurde, das für den Sommer erheblich mehr Freiheiten versprechen könnte.

In drei Monaten will die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen (CDU) den digitalen europäischen Corona-Impfpass präsentieren. Er soll die Personalien der Betreffenden und Informationen darüber enthalten, wann was verimpft wurde. Ablesbar wäre der Impfstatus, so die derzeitige Vorstellung, über einen QR-Code.

Vorreiter ist Israel, das den Grünen Pass bereits im großen Stil einsetzt: Wer einen besitzt, darf ins Fitnessstudio gehen und ins Hotel, ins Theater und ins Konzert. Verglichen mit den freudlosen Debatten, die hierzulande bisweilen geführt werden, klingt dieser Zugang ziemlich erfrischend. Statt verkniffen Rücksicht zu nehmen auf die empfindlichen Seelen all jener, die sich dem Impfen verweigern oder noch nicht geimpft werden konnten, startet man in Israel geradewegs durch. Statt von Neid und Zwang zu reden, wird fröhlich die Wirtschaft angekurbelt.

Man stelle sich vor: Ältere Herrschaften, die über einen Impfnachweis verfügen, könnten sich auch hierzulande zum Kuchenessen im Café treffen oder auf ein Glas Wein im Restaurant. Wer wünschte es ihnen nicht von Herzen? Zumal eine Studie aus Israel inzwischen nahelegt, dass kaum ein Geimpfter das Virus überträgt und es in dieser Pandemie ohnehin zu den wichtigsten Lektionen gehört, mit Restrisiken leben zu müssen. Oder, um es mit Markus Söder zu sagen: „Perfekt war und ist nie etwas in der Corona-Pandemie.“ Er war es auch, der vergangene Woche im Bayerischen Rundfunk eine Debatte über Erleichterungen für Geimpfte forderte und offen über Sonderoptionen nachdachte.

Die Impfgegner fühlen sich verschaukelt – doch sie können sich freitesten

Welche Lockerungen an den Impfpass tatsächlich geknüpft werden sollen, ist allerdings derzeit völlig unklar. Der Grund: Es sind noch zu wenige Menschen geimpft. Und der Pass ist frühestens in einem Vierteljahr einsatzbereit.
Impfgegner fühlen sich dennoch verschaukelt. Hat man nicht regelmäßig gehört, ein Impfzwang werde nicht verhängt? Kommt hier was durch die Hintertür? Auf Twitter schimpft ein User, der Impfpass sei der „Einstieg in ein Social Credit-System. Leute werden daran gewöhnt, bestimmte Vorteile genießen zu dürfen, wenn sie sich konform verhalten.“ Ein anderer fühlt sich an die Hundeverbotsschilder vor Geschäften erinnert („Wir müssen leider draußen bleiben“) „Wenn Freiheit und Grundrechte an Bedingungen geknüpft werden, ist das eine Farce und widerspricht allem, worauf unsere freiheitliche Demokratie aufbaut!“ So die Argumentation eines dritten.

Juristen denken anders: Wenn Geimpfte nicht zur Verbreitung des Virus beitragen, besteht auch kein Grund mehr, die Beschränkungen aufrechtzuerhalten. Freiheit ist nun mal weder Privileg noch Luxus. Man könnte auch einfach sagen: Verhalten hat Konsequenzen. Wer sich nicht impfen lässt, kann halt nicht reisen. Ganz wie in der Erziehung, in der das Zauberwort „logische Konsequenz“ lautet.

Zu hart? Wo doch jeder die Freiheit haben sollte, selbst zu entscheiden, ob er sich impfen lassen will? Gar nicht hart, solange die Möglichkeit besteht, sich freizutesten. Im „Corona-Werkzeugkasten“, von dem neuerdings so schön handwerklich die Rede ist, befinden sich ja nicht nur Impfdosen und, irgendwann, der Grüne Impfpass. Sondern auch jede Menge Tests, die durchaus dazu taugen, den Konflikt zwischen der impfwilligen Mehrheit der Bevölkerung und den Impfgegnern zu entschärfen.

Denn eigentlich bahnen zwar Impfungen, nicht negative Testergebnisse, den Weg aus der Pandemie. Aber für den Einzelnen öffnet das Testen dennoch Grenzen und Türen. Ein Sesam-öffne-dich ins Märchenland der Normalität also. So können Kinder, die bekanntlich nicht gegen Covid geimpft werden, zu Beginn des Italienurlaubs an der Grenze einen negativen PCR-Test vorlegen. Und Theaterbesucher wahlweise einen Impfpass oder ein negatives Testergebnis präsentieren. Wer sich privat treffen will, kann durch Selbsttests nicht nur mehr Sicherheit erlangen, sondern auch so manchen ideologischen Graben überbrücken, der sich zwischen vorsichtigeren und unvorsichtigeren Freunden aufgetan hat.

Dieter Reiter (SPD), der Münchner Oberbürgermeister, hat bereits angekündigt, einen 24-Stunden-Freitestpass zu unterstützen und so Lockerungen zu ermöglichen. Einen ganzen Tag lang könnte man sich dann, unter Beibehaltung der bekannten Hygieneregeln, im Kulturleben tummeln. Um das umzusetzen, muss das Angebot an Schnelltests allerdings noch deutlich wachsen. Die „bequemeren und zukunftsgerichteteren Eigentests“, so Merkel, werde die Regierung „Zug um Zug“ beschaffen.

Wie gut das Testen funktioniert, wird sich in den kommenden Wochen zeigen. Markus Söder hat bereits ein Pilotprojekt ins Spiel gebracht: ein Testzentrum vor dem Münchner Zoo, um den Besuch zu ermöglichen. Ein kluger Schachzug. Kinder, Giraffen und der kleine Elefant Otto: In einer medialen Welt, die nur noch aus nackten Oberarmen und Spritzen zu bestehen scheint, wären solche Bilder die reine Wohltat.
(Monika Goetsch)

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