Politik

Immobilien müssen ab 2023 neu bewertet werden – das kann die Erbschaftsteuer extrem verteuern. (Foto: dpa/Jan Haas)

25.11.2022

Endlich tut sich was

Erbschaftsteuer: Verbände und Politik haben lange geschwiegen

Bereits seit Wochen ist bekannt, dass Menschen, die Immobilien erben oder geschenkt bekommen, ab 2023 vom Fiskus kräftiger als bisher zur Kasse gebeten werden sollen. Diejenigen, die von Berufs wegen mit Erbschaft- und Schenkungssteuern zu tun haben, stöhnen über die Mehrarbeit: Steuerkanzleien werden überrannt mit Anfragen, was zu tun ist. Notariate haben sehr oft keinen Termin mehr frei, weil viele Leute ihre Häuser und Grundstücke noch heuer an die Kinder übertragen wollen, damit die nicht später horrende Summen an Erbschaftsteuer zahlen müssen. Nur die Politik blieb auffallend still. Keine Stimme regte sich zum Protest. Eine Münchner Steuerberaterin sagt: „Wir haben uns gewundert, warum sich lange niemand über diese Neuerung aufgeregt hat.“

Tatsächlich wachten CSU und Co erst vor einer Woche auf, nachdem die Süddeutsche Zeitung in Beispielrechnungen die ganze Dramatik der geplanten Neuerung offengelegt hatte. Es geht darum, dass wegen eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2006 der Wert von Immobilien im Erbschafts- und Schenkungsfall aktualisiert und neu berechnet werden muss. Weil Barvermögen nach dem tatsächlichen Wert besteuert wird, Immobilien aber nach veralteten Werten, entsteht eine Ungleichheit bei der Erbschaftsteuer. Das soll beseitigt werden.

An sich nachvollziehbar. Das Ganze ist im Jahressteuergesetz 2023 geregelt, das Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) vorgelegt hat. Was darin allerdings nicht enthalten ist: eine Erhöhung der Freibeträge im Fall von vererbten oder verschenkten Immobilien. Der Freibetrag liegt derzeit pro Kind bei 400 000 Euro, im Fall von Eheleuten bei 500 000 Euro. Die Erbschaftsteuer könnte wegen der Neubewertung vor allem in Ballungsräumen drastisch steigen: von vier- auf satte fünfstellige Beträge.

Warum hat die FDP geschwiegen

Es stellt sich die Frage, warum vor allem die FDP – die immer schon gegen die Erbschaftsteuer war – hier geschwiegen hatte. Finanzminister Lindner hatte es ganz offensichtlich nicht für nötig erachtet, eine Anpassung der Freibeträge ins Spiel zu bringen. Vielmehr hatte er die ganze Neuerung heimlich, still und leise ins Jahressteuergesetz gepackt, jede Debatte darüber unterblieb. Anfragen der Staatszeitung an führende FDP-Bundes- und Landespolitiker, was man davon halte, wurden auffallend einsilbig oder überhaupt nicht beantwortet. Tenor: interessiert uns nicht.
Erstaunlich ist auch, warum betroffene Verbände geschwiegen hatten: der Bundesverband der Steuerberater etwa oder der Verband Haus und Grund.

Inzwischen ist man aufgewacht. Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU) wandte sich an Bundesfinanzminister Lindner und forderte, die Freibeträge zu erhöhen. Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder zeigte sich „entsetzt“. Anfang der Woche lenkte die FDP ein. Christian Dürr, Fraktionschef der Liberalen im Bundestag, kündigte an, sich für eine Anhebung der Freibeträge starkzumachen. Darauf könnte es jetzt in der Tat hinauslaufen. Nach anfänglicher Skepsis erklärte Florian von Brunn, Chef der SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag, dass man über einen Kompromiss reden könne. Im Gegenzug müssten aber diejenigen höher besteuert werden, „die immense Vermögen erben“.

Der Union wäre es am liebsten, wenn das ganze System der Erbschaftsteuer auf neue Füße gestellt würde. Dazu soll eine Arbeitsgruppe aus CSU und CDU ein Konzept entwickeln. Die CSU hatte sich in der Vergangenheit für eine regional gestaffelte Erbschaftsteuer eingesetzt, deren Höhe die Länder selbst festlegen sollen. Das wäre sinnvoll, weil die Einnahmen aus der Erbschaftsteuer den Ländern zustehen.

Erschaftsteuer abschaffen

Bayerns Wirtschaftsminister und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger geht noch weiter, er fordert die Abschaffung der Erbschaftsteuer – so wie in Schweden, Norwegen und Österreich. „Schon jetzt gehen viele Häuser aus langjährigem Familienbesitz in bestimmten Regionen wegen der hohen Erbschaftsteuer vielfach an ausländische Investoren“, klagt Aiwanger. Die Folge sei, dass die Mieten noch stärker steigen – was gerade jetzt, in Zeiten hoher Inflation, fatal ist.

Das Aufkommen an Erbschaft- und Schenkungssteuer insgesamt betrug in Bayern im Jahr 2021 rund 2,5 Milliarden Euro. Wie hoch dabei der Anteil der Erbschaft- und Schenkungssteuer aus Immobilienvermögen ist, lässt sich laut Finanzministerium nicht sagen.

Der Eigentümerverband Haus und Grund erhebt nun die Forderung, erstens die Freibeträge anzupassen. Und zweitens die Pflicht abzuschaffen, zehn Jahre in der ererbten Immobilie wohnen zu bleiben, damit sie steuerfrei ist. Das entspreche vielfach „nicht mehr der Lebensrealität“, so eine Sprecherin.

Noch sind viele Änderungen möglich. Das Jahressteuergesetz befindet sich in der parlamentarischen Beratung und muss vom Bundestag wie auch von der Länderkammer Bundesrat beschlossen werden.
(R. Schweinfurth, W. Taschner)

 

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