Asylbewerber mit wenig oder keinerlei Chancen auf ein Bleiberecht sollen in Bayern künftig in zwei neuen, speziellen Aufnahmezentren in Grenznähe untergebracht und schneller abgeschoben werden. Das beschloss das Kabinett heute auf seiner Klausur in St. Quirin am Tegernsee. Konkret sollen dorthin Menschen aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten sowie aus Albanien, dem Kosovo und Montenegro mit nur "geringer Bleibewahrscheinlichkeit" gebracht werden. In den beiden Einrichtungen sollen alle zuständigen Behörden zusammenarbeiten, um die Verfahren schneller abwickeln zu können.
Man wolle nicht in Monaten, sondern in Tagen, maximal in Wochen Klarheit haben, sagte Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU). Sozialministerin Emilia Müller (CSU) nannte als Ziel einen Zeitraum von maximal zwei Wochen. "Ich bin überzeugt, dass eine schnelle Entscheidung im Interesse der Asylsuchenden ist", sagte sie.
Bei offensichtlich unbegründeten Anträgen soll laut Staatskanzlei innerhalb von zwei Wochen auch gerichtlich entschieden werden. Und Abschiebungen sollen "unmittelbar und kontinuierlich" erfolgen.
Wo die beiden Einrichtungen geschaffen werden sollen, wollte Seehofer noch nicht sagen. Das werde "klug und vor allem unter Einbeziehung aller Beteiligten" entschieden, betonte er. Start soll spätestens in drei Monaten sein, wobei in beiden Einrichtungen jeweils eine vierstellige Zahl von Flüchtlingen unterkommen soll. Derzeit sind rund 6000 Asylbewerber aus Balkanstaaten in Bayern untergebracht.
Zeltstädte nicht ausgeschlossen
Auch Zeltstädte schloss Seehofer für die beiden neuen Einrichtungen ausdrücklich nicht aus. "Wir müssen alle Möglichkeiten in Erwägung ziehen", sagte er. An der Unterbringung der übrigen Flüchtlinge in dezentralen Erstaufnahmeeinrichtungen soll sich aber nichts ändern.
Innenminister Joachim Herrmann (CSU) betonte, der Vorstoß sei sowohl mit dem Bundesinnenministerium als auch mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgesprochen. Er sprach von zwei geplanten Standorten in Südbayern, entlang der aktuellen Hauptfluchtrouten. Konkreter wurde auch Herrmann auf Nachfrage nicht. Infrage kommen dürften aber beispielsweise der Raum Rosenheim und der Raum Passau.
Seehofer sagte zur Begründung, man brauche eine klare Unterscheidung zwischen "Flüchtlingen mit Schutzbedarf und Flüchtlingen ohne Bleibeperspektive". Nur so könne man die große Solidarität in der Bevölkerung mit schutzbedürftigen Flüchtlingen aufrechterhalten. Deshalb dürfe man den Missbrauch des Grundrechts auf Asyl auch nicht hinnehmen. "Der findet in nennenswerter Größenordnung statt", sagte er. Herrmann sagte dazu: "Das deutsche Asylrecht wird zurzeit hunderttausendfach von kriminellen Schleuserbanden missbraucht."
Seehofer: Bayern sei an einer Grenze angelagt
Seehofer erklärte, auch Bayern sei an einer Grenze angelangt. "Wir sind an einer Grenze der Leistungsfähigkeit: finanziell, organisatorisch, personell." Deshalb müsse man nun ganz massiv gegensteuern. Das sei die derzeit wichtigste innenpolitische Frage. Auch den Bund sowie die Europäische Union sieht er in der Pflicht. Diese müssen sich "endlich mit der notwendigen Tiefe und dem notwendigen Tempo den anhaltenden Herausforderungen stellen". Die Zahl unerledigter Asylverfahren steuere mittlerweile auf 240.000 zu. Wenn dies so weitergehe, werde es unlösbar. "Da kann sich die öffentliche Hand auch eines Organisationsversagens schuldig machen", mahnte er.
SPD und Grüne kritisieren die neusten Aussagen der CSU zur Flüchtlingspolitik scharf. "Bayern erlebt mit CSU und Pegida seit Wochen und Monaten einen erheblichen Rechtsruck, der Sorge bereiten muss", sagte Markus Rinderspacher, Vorsitzender der Landtags-SPD. Was Seehofer im Bierzelt oder Söder in Interviews von sich geben, heize das gesellschaftliche Klima auf und schade der politischen Kultur. "Diese rechtspopulistische Stimmungsmache wird von Wirrköpfen und Extremisten schnell als Ermutigung zur Gewalt missverstanden: es brennen wieder Flüchtlingsunterkünfte", betonte Rinderspacher.
Grünen-Chefin Bause: "Ich bin fassungslos"
Margarete Bause, Chefin der Landtags-Grünen, erklärte zum asylpolitischen Maßnahmenpaket des CSU-Kabinetts: "Der CSU geht es nicht um eine politische Lösung für den Umgang mit steigenden Flüchtlingszahlen, sondern um eine gezielte Kampagne gegen Flüchtlinge, die im wohlhabenden Bayern Schutz suchen." Statt auf diese Menschen zuzugehen, sich christlich und human ihrer schlimmen Schicksale anzunehmen, sei Seehofer nun auch in der Regierungspolitik vollends auf den rechtspopulistischen Kurs seines Ministers Söder und seines Generalsekretärs Scheuer eingeschwenkt und hetze gegen Fremde. "Ich bin fassungslos, wie leichtfertig Seehofer und seine CSU nach den Brandanschlägen der letzten Tage Zündholz und Lunte zur Hand nehmen und damit einen Flächenbrand in der Asyldebatte legen. Das weckt schreckliche Erinnerungen an die Kampagnen der Neunziger – und an Hoyerswerda!" (dpa/BSZ)
Kommentare (0)
Es sind noch keine Kommentare vorhanden!