Politik

Eine Gruppe weiblicher Führungskräfte - in der Wirtschaft auch im 21. Jahrhundert ein seltenes Bild. (Foto: dapd)

07.09.2012

Frauen sollen außen vor bleiben

Frauen in Aufsichtsräten sind in Bayern besonders selten leider scheiterte diese Woche ein Quotenvorstoß der EU

Man mag sie einfach nicht mehr hören, die Erklärungen scheinbar gramgebeugter Männer: darüber, warum in diesem oder jenem speziellen Fall leider wieder keine Frau den Abteilungsleiter-, Chefredakteurs-, Minister- oder Vorstandsposten gekriegt hat. Was man auch nicht mehr mag: Statistiken lesen, die sagen, dass Frauen die besseren Abschlüsse machen, die besseren Chefs sind, weniger ego- und mehr sachorientiert. All das hat man/frau inzwischen tausendfach gehört.
Insofern war es überfällig, dass EU-Justizkommissarin Viviane Reding das Geheul der Bosse einfach ignoriert und eine 40-Prozent-Frauenquote für Aufsichtsräte europäischer Konzerne geplant hatte. Gelten sollte sie für börsennotierte Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern und mehr als 50 Millionen Euro Jahresumsatz, und zwar ab dem Jahr 2020.
Bereits zwei Tage nach Redings Vorstoß war klar: Daraus wird erst mal nichts: Die Gegner mobilisierten flugs eine Sperrminorität. Zehn EU-Staaten, darunter Großbritannien, Niederlande und Dänemark votierten gegen Redings Gesetzesentwurf – damit ist er praktisch gescheitert, „obwohl er im EU-Parlament wohl eine Mehrheit bekommen hätte“, wie Markus Ferber, Vorsitzender der CSU-Europagruppe glaubt. Traurig ist Ferber über das Ergebnis allerdings nicht – er zählt zu den Gegnern der Frauenquote für Aufsichtsräte. Weil diese die jeweiligen Eigentümerstrukturen abbilden „und man den Eigentümern nicht vorschreiben soll, wen sie entsenden“. Um eine EU-Richtlinie durchzusetzen, ist eine qualifizierte Mehrheit sowohl im EU-Parlament als auch im EU-Ministerrat nötig.

Noch am besten dran in Bayern: die Allianz


In Deutschland streitet man seit Längerem über die Einführung einer Quote für Aufsichtsräte. In Brüssel enthielt sich nun der deutsche Vertreter bei der Abstimmung über die 40-Prozent-Quote der Stimme.
Dabei ist es um die Gleichberechtigung in den Führungsetagen der Republik immer noch schlecht bestellt. Der Frauenanteil in den Aufsichtsräten der DAX-Unternehmen liegt bei 19,4 Prozent. Im Freistaat, der sich sonst gern mit Vorzeige-Wirtschaftsdaten brüstet, ist der Nachholbedarf noch größer: Nur 17,7 Prozent der Aufsichtsräte der acht bayerischen DAX-Konzerne sind weiblich. Noch am besten dran in Bayern: die Allianz. Der Versicherer hat seit Mai 2012 vier Frauen in seinem zwölfköpfigen Aufsichtsrat. Passabel auch der Frauenanteil in der Siemens-Chefetage. Dort sitzen nicht nur vier Frauen im 20-köpfigen Aufsichtsrat, auch zwei Vorstände sind Frauen. Außer Siemens haben noch Allianz und BMW jeweils einen weiblichen Vorstand.
Echte Gleichberechtigung aber findet sich in keinem der Konzerne. Doch von einer gesetzlichen Quote will man dort nichts wissen. Fast alle verweisen wie der Technologie-Konzern Infineon auf die freiwillige Selbstverpflichtung, „die eine gesetzliche Regelung entbehrlich macht“. Andere wie MAN und die Munich Re wollen das Quotenthema gar nicht erst kommentieren.

CSU-Frau Stamm: von der Quotengegnerin zur engagierten Befürworterin


Statt Quote brauche es eine breite Förderung von Frauen, heißt es bei Siemens. „So werden  wir die Zahl der Betreuungsplätze für Kinder von derzeit 900 bis zum Jahr 2012 auf 2000 erhöhen.“ Hinzu kommt eine konzerneigene Prämie von bis zu 500 Euro monatlich für Mitarbeiter, die nicht in Elternzeit gehen.
Innerhalb der bayerischen Staatsregierung gibt es durchaus Sympathien für die Aufsichtsrats-Quote. Arbeitsministerin Christine Haderthauer (CSU) bekundete bereits vor zwei Jahren, dass sie sich eine Quote vorstellen könne. Ebenso wie Justizministerin Beate Merk (CSU). „Bislang haben wir es nicht geschafft, auf freiwilliger Basis weiterzukommen“, sagte Merk (CSU) der Staatszeitung.  Sie befürwortet Redings Vorstoß. Auch Markus Rinderspacher, Fraktionschef der Landtags-SPD sowie Grünen-Fraktionschefin Margarete Bause sind dafür: „Man muss endlich Ernst machen mit der Gleichberechtigung, insbesondere bei Positionen, wo es um Macht und Einfluss geht“, sagte Bause. Als Quotengegner gelten FDP und Freie Wähler. „Die EU mischt sich mit Redings Quotenforderung in Dinge ein, die sie nichts angehen“, so FW-Chef Hubert Aiwanger. Von einer Quote hält er nichts – ebensowenig wie Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (34), die noch immer an freiwillige Lösungen glaubt.
So dachte Barbara Stamm (67), Präsidentin des bayerischen Landtags auch mal. Mit Frauenquoten in Partei und Wirtschaft mochte sich die CSU-Frau lange nicht anfreunden. Weil sie, wie sie einräumt, den Absichtserklärungen der Männer „vertraut“ habe. Damit ist jetzt Schluss, Stamm wandelte sich zur engagierten Quotenbefürworterin. Vom Aus für den Reding-Vorstoß ist Stamm enttäuscht. „Es muss eine Änderung kommen“, stellt sie klar – und hat in ihrem Zuständigkeitsbereich längst gehandelt: Im Landtagsamt wurden seit Stamms Amtsantritt insgesamt fünf Frauen in Führungsjobs berufen. Und daneben endlich eine Kindertagesstätte für Mitarbeiter, Abgeordnete und Landtagsjournalisten eröffnet.
(Angelika Kahl,
Waltraud Taschner)

Kommentare (1)

  1. Amely Weiß am 10.09.2012
    Der Bericht an sich beleutchtet die Facetten des Themas gut. Auch, dass Bayern in Deutschland Schlusslicht ist, komm heraus und verwundert nicht bei diesen Mehrheiten in Bayern. Aber, dass "eine Gruppe weiblicher Führungskräfte" aus schönen Beinen und Stöckelschuhen besteht, zeigt, dass selbst bei wohlmeinender Presse Klischees zugrunde liegen, die Frauen immer noch reduzieren. Gibt es in der gesamten Zeitung ein Foto, auf dem männlich Führungskräfte als Hosenbeine dargestellt werden?
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