Politik

30.10.2019

Für günstigeres Bauen: Soll der Brandschutz gelockert werden?

Es gibt zu wenig bezahlbaren Wohnraum in vielen Städten Bayerns. Der Freie Wähler Hans Friedl fordert ein unbürokratischeres Bauen im Freistaat und überflüssige Vorschriften im Brandschutz zu streichen. Sachverständiger Thomas Herbert widerspricht: Die Brandschutzanforderungen im Wohnungsbau seien ohnehin schon gering. Würden sie weiter reduziert, käme nach den nächsten Brandtoten reflexartig der Ruf nach strengeren Gesetzen.


JA

Hans Friedl, Unternehmer im Wohnungsbau und baupolitischer Sprecher der Freien Wähler im Landtag

Der Brandschutz in Bayern muss von unnötig komplizierten Verfahren und überflüssigen Vorschriften befreit werden. Das ist möglich, ohne sein hohes Schutzniveau zu senken. Den Weg dorthin streben wir Freie Wähler ohne Qualitätsverlust an. Denn der Schutz der Menschen hat für uns oberste Priorität.

Wenn wir den Wohnungsbau weiter ankurbeln wollen, muss das Bauen im Freistaat unbürokratischer, kostengünstiger und schneller werden. Beispielsweise wurde in den 1990er-Jahren ein Teil der Verantwortung für den Brandschutz an private Fachleute delegiert, was keine Vereinfachung brachte – wir wollen Alternativen prüfen.

Und ist es sinnvoll, maximale Gebäudehöhen von der Ausstattung der örtlichen Feuerwehr abhängig zu machen? Angesichts des knappen Wohnraums in den Metropolen ist es eventuell besser, mehr Stockwerke zu bauen und den Feuerwehren höhere Drehleitern und passende Ausstattung zur Verfügung zu stellen. Muss der zweite Fluchtweg immer aus einem zusätzlichen Treppenhaus bestehen oder genügt eine einfache Sicherheitstreppe? Können wir auch öffentliche Flächen als Rettungswege nutzen und dadurch dem Wohnbau mehr Raum geben?

Um all das zu hinterfragen, haben wir Ende Oktober im bayerischen Landtag eine Expertenanhörung zur Entschlackung der Bauordnung durchgeführt. Auf dieser Faktenbasis werden wir der Staatsregierung Vorschläge zur Novellierung gesetzlicher Regelungen vorlegen.

Wir dürfen uns aber nicht täuschen: Hauptkostenfaktor beim Bauen sind nicht Energieeinsparung oder Brand- und Schallschutz. Entscheidend sind nicht ein paar Hundert Euro pro Quadratmeter, die wir bautechnisch einsparen können. Den Preis einer Immobilie bestimmt vielmehr deren Lage zwischen Hof und München. Deshalb wollen wir Freie Wähler ein möglichst nachhaltiges und flächensparendes Bauen. Denn wer den Menschen in Bayern wieder bezahlbare Mieten ermöglichen will, muss an allen Hebeln ansetzen.

NEIN

Thomas Herbert,
Diplom-Ingenieur und Prüfsachverständiger für Brandschutz

Die verlogene Diskussion um den zu teuren Brandschutz nervt gewaltig. Wenn Gebäude heute brandschutztechnisch teuer saniert werden müssen, dann liegt das daran, dass man sich ursprünglich keinen Deut um die Bauordnung geschert hat. Planungen wurden bei der Behörde durchgebracht, das heißt, es war schon klar, dass abweichend vom geltenden Recht gebaut wird, und Behördenmitarbeiter wurden bedrängt, bis der Stempel und die Unterschrift auf den Dokumenten waren.

Das böse Erwachen folgte 1998 mit der Erkenntnis, dass nicht die Behörde für die Planung verantwortlich ist, sondern der Planer. Plötzlich war niemand mehr da, dem man die Verantwortung hätte unterjubeln können. Es stimmt eben nicht, dass die Brandschutzvorschriften der bayerischen Bauordnung laufend strenger würden. 1998 wurden die Verfahren geändert und seit dieser deutlichen Klarstellung der Planungsverantwortung wird auch das gesellschaftlich legitimierte Gesetz – die Bauordnung – ernst genommen. Die bittere Pille müssen die Nachfolgenden schlucken, die feststellen, dass die Brandschutzfehler schon immer da waren. Es gibt keinen Bestandsschutz auf etwas, das nie richtig war.

Wenn der Brandschutz im Neubau teuer wird, liegt das daran, dass kostengünstige Lösungen nicht gewollt sind. Offenheit und Transparenz haben ihren Preis. Der Preis ist entweder der Schaden nach einem Feuer, das weder durch eine Decke noch durch eine Wand an der Ausbreitung gehindert wird, oder teurer technischer Brandschutz, der die Menschen vor der ungehinderten Ausbreitung von Feuer und Rauch schützt.

Wenn der Brandschutz im Wohnungsbau teuer wird, liegt es nicht an Brandschutzanforderungen, sondern an Planungs- oder Ausführungsfehlern. Sollten die ohnehin schon geringen Brandschutzanforderungen im Wohnungsbau reduziert werden, wird nach den nächsten Brandtoten reflexartig der Ruf nach strengeren Gesetzen laut. Die Qualität würde leiden zugunsten derer, die an dem knappen Gut Wohnung verdienen. Deren goldene Nase glänzt dann eben noch ein bisschen heller.

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