Politik

16.03.2012

Gaucks tolles Thema

Ein Kommentar von Roswin Finkenzeller

Der Bundespräsident hat ein beneidenswertes Amt. Protokollarisch die Nummer Eins im Staat, kann er sich äußern, wann, wie und worüber er will. Ihn quält kein Fraktionszwang, stört keine Parteiräson, behindert keine Kabinettsdisziplin. Wer da mit einem Anflug von Mitleid anmerkt, die ranghöchste Persönlichkeit habe Gewalt über nichts und lediglich das Wort, hegt von der Wortgewalt offenbar keine hohe Meinung. Der Präsident genießt Freiheit – eine mit Verantwortungsgefühl verbundene Freiheit ganz im Sinne von Joachim Gauck, der am kommenden Sonntag von der Bundesversammlung höchstwahrscheinlich gewählt wird. Von Gauck ist aber auch zu lernen, wie anstrengend Freiheit sein kann.

Viele von Gaucks Vorgängern glaubten fest an ihre Einflusslosigkeit


Im Rückblick fällt auf, dass viele Bundespräsidenten lieber fest an ihre Einflusslosigkeit glaubten. Ihre bevorzugte Haltung war die Zurückhaltung. Von Wulff abgesehen, dankte ihnen das die Öffentlichkeit durch Ehrerbietung. Somit ist die Erinnerung an die in ihrem Temperament und Charakter durchaus unterschiedlichen Repräsentationsspezialisten nicht besonders lebhaft. Wohl sehen wir Walter Scheel hoch auf dem gelben Wagen sitzen. Und warten immer noch auf den Ruck, von dem Roman Herzog behauptet hat, er müsse endlich durch die Gesellschaft gehen. Jeder der wenn schon nicht auf Harmonie, so doch auf Zusammenhalt bedachten Herren merkte irgendwann zu seinem Schrecken, dass Politik spaltet. Dezidierte Meinungen rufen Gegenmeinungen hervor. So geht es eben zu in einer ordentlichen Demokratie, sehr zu Lasten unserer präsidialen Ausnahmeerscheinung, die Eindeutigkeit und Verbindlichkeit dauernd unter einen Hut bringen soll.
Dabei wartet ein tolles Thema auf Joachim Gauck: die Deutschen. Von ihrer Selbstfindung bis zur Krise ihres Geldes. Da diese Deutschen alles andere als eine homogene Masse sind, lauert die Gefahr intellektueller Blamage an allen Ecken und Enden. Doch hat Gauck schon glänzende Vorarbeit geleistet, zum Beispiel mit seinen Gedanken über die Befindlichkeit der Ossis. Er kann nämlich verallgemeinern. Es heißt zwar oft, das dürfe und solle niemand. Ach was, der Bundespräsident muss es sogar. Doch ist und bleibt es eine hohe und schwere Kunst.

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